Demo gegen FPÖ-Ball: Burschenschafter mit zornigem Protest konfrontiert

Die diesjährige Demonstration gegen den FPÖ-Akademikerball war größer als alle anderen zuvor. Nach unseren Schätzungen gingen am Freitag, 26. Jänner in Wien um die 15.000 Menschen gegen die deutschnationalen Burschenschafter auf die Straßen.
27. Januar 2018 |

Wie sich in unseren Gesprächen mit Teilnehmer_innen gezeigt hat, dominierten den bislang größten Protest gegen den FPÖ-Akademikerball vor allem zwei Motive – die aktuellen Enthüllungen über den braunen Sumpf in der Burschenschaft „Germania“ und der generelle Protest gegen die schwarz-blaue Koalitionsregierung mit all ihren schändlichen Vorhaben. Organisiert wurde die Großdemo von der Offensive gegen Rechts.

Eine noch recht junge Formation, die Omas gegen Rechts, meinten: „Wir sind hier, weil wir der Meinung sind, dass sich das Land in eine falsche Richtung bewegt. Wir wollen keine Deutschnationalen in unserer Regierung haben.“

„Omas, Omas, die Wölfe dieser Welt, verkaufen eure Zukunft heut schon für das große Geld.“ Foto: Linkswende jetzt

 

Für Rudolf Gelbard, den prominenten KZ-Überlebenden, war es „eine Verpflichtung hier dabei zu sein, da ja 19 Menschen meiner Familie ermordet wurden, und ich nur durch einen Zufall die dreijährige KZ-Haft in Theresienstadt überlebt habe.“ Eigentlich wird er gerade im Spital behandelt, „aber für ein paar Stunden habe ich mich entlassen!“  Ihn trieben einige Fakten über die FPÖ auf die Straße. Zum Beispiel: „Nachdem das Magazin der freiheitlichen Akademiker, die Aula, uns Holocaustüberlebende als Verbrecher bezeichnet hat, wurden sie in der letzten Instanz verurteilt. Und die Freiheitliche Partei, die mit doppelter Zunge spricht, hat dann in den nächsten Nummern große Inserate der Freiheitlichen Partei geschalten (um die Aula finanziell zu unterstützen).“

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„Es passt in mein Bild von den Burschenschaften“

Wir haben drei ältere Leute gefragt, was sie sich denken, wenn Udo Landbauer sich distanziert und behauptet, er hätte die neonazistischen Liedtexte (unter anderem mit der Grauslichkeit: „Gebt Gas, ihr alten Germanen, wir schaffen die siebte Million!“) nie gesehen, oder nur in geschwärzter Form?

Elisabeth Schiessendoppler sagte dazu: „Was ich mir denke? Dass diese N***** nie dazu stehen können, was sie tatsächlich alles von sich gegeben haben. Ich hab an der BOKU (Universität für Bodenkultur) studiert, und ich bin jetzt achtzig. Die haben damals schon solche Lieder gesungen. Ich war früher bei der SJ (Sozialistische Jugend) und unsere Eltern waren Gegner der Nazis. Ein Bekannter meiner Eltern wurde hingerichtet, nur weil er Flugblätter verteilt hat. Für uns ist das schrecklich, dass sowas wieder möglich ist und sie immer frecher werden.“

Hans Muhm antwortete: „Ich halts mit dem Van der Bellen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er es nicht gewusst hat. Es passt schon in mein Bild von den Burschenschaften. Was mich eher überrascht, ist, dass es so kurz nach der Regierungsangelobung schon losgeht. Auf alle Fälle sieht die ÖVP jetzt, mit wem sie sich in Bett gelegt hat.“ Sonja Muhm ergänzte: „Mich regten zwei Dinge gleichermaßen auf, die Zerstörung des Sozialstaats und, dass Faschisten plötzlich das Sagen haben.“

An antifaschistischen Widerstand anknüpfen

Der um einiges jüngere Lukas war ebenfalls nicht überrascht, als die Liedtexte der Germania bekannt wurden: „Nein. Es ist zwar so, dass ich mir gedacht habe, sie können den braunen Bodensatz in den eigenen Reihen länger unterdrücken und unten halten, aber sie können es nicht. Es wundert mich nicht, aber es ärgert mich Nonstop.“

Sebastian erzählte uns: „Bei den deutschnationalen Burschenschaften ist das bestimmt nicht das einzige Liederbuch mit solch garstigen Zeilen.“ Foto: Linkswende jetzt

 

Verena kommt aus Wiener Neustadt, wo die Burschenschaft Germania ihr Unwesen treibt: „Ich komme aus der Gegend, die eine sehr arge rechte Szene hat, und wo rechtes Gedankengut in einigen Kreisen sehr salonfähig ist. Da gehen Witze in manchen Lokalen schon sehr in die Richtung, wie besagtes Liederbuch, das da jetzt aufgetaucht ist. Burschenschaftliches Gedankengut ist nicht demokratisch, eben weil es am Nationalsozialismus anstreift. Trotzdem ist es so, dass es dort eine andere Tradition gibt, nämlich eine politisch sozialdemokratische Tradition, die lange Zeit sehr stark war. Wiener Neustadt war während des Zweiten Weltkriegs ein Ort des Widerstands, und das ist die Tradition wo man anknüpfen muss.“

Es kann wieder passieren

Patricio kam vor kurzem aus Mexiko nach Österreich: „Die Familie meines Vaters ist aus Spanien vor Franco nach Mexiko geflohen und die Familie meiner Mutter stammt aus Österreich und ist vor den Nazis nach Mexiko geflohen. Ich bin seit zwei Jahren in Österreich. Wie stark die Rechte in Österreich ist, war komplett überraschend für mich. Ich finde es furchtbar, dass die FPÖ jetzt in der Regierung ist. Über die Nazilieder habe ich natürlich auch gelesen, und ich halte es für völlig inakzeptabel, dass ein möglicher Landeshauptmann, Mitglied in solch einer Burschenschaft ist.“

Hans Kohlmaier, ein Historiker und ehemaliger Betriebsratsvorsitzender, erklärte, ihm war natürlich bewusst, „dass es im Umkreis dieser Burschenschaften rechtsradikale Tendenzen gibt. Was mich wirklich überrascht hat, war dieser eine Liedtext, in dem, wenn auch verklausuliert, zum Massenmord aufgerufen wird. Das ist furchtbar. Das wird der Regierung Probleme machen, weil Menschen jetzt erschrecken werden oder ernüchtert werden, denn zum Massenmord aufzurufen, das hat wirklich eine ganz böse Qualität. Das kann schon auch die Koalition sprengen. Nur in den Dreißigerjahren haben die konservativen Kräfte auch genau gewusst, mit wem sie es zu tun haben, als sie Hitler an die Regierung gebracht haben. Nur haben sie gedacht, dass sie den Hitler herumkriegen können, es hat sich aber gezeigt, dass der Hitler sie herumgekriegt hat. Und das kann im Prinzip, ohne es billig vergleichen zu wollen, auch heute stattfinden.“

Politischen Druck erhöhen

Ob und wie stark die FPÖ durch die öffentliche Demaskierung beschädigt wird, hängt natürlich sehr von dem öffentlichen Druck ab, den wir als außerparlamentarische Opposition aufbauen können. Der Protest gegen den Ball der Burschenschafter ist immer schon ein sehr wichtiges Ereignis gewesen. Er wendet sich gegen die Wehrlosigkeit der demokratischen Institutionen.

Die Duldung von rechtsradikalen Burschenschaftern in der Hofburg, einem historisch beladenen Gebäude der Republik fördert die Normalisierung von Faschismus. Nichts anderes wird vermittelt, wenn deutschnationale Burschenschaften unter dem Schutz der Polizei – der antifaschistischen Bewegung war wieder der Zugang zum gesamten Heldenplatz versperrt – einen Ball feiern können. Aber im Kontrast zum Verhalten der Justiz und des Parlaments sind wir nicht gewillt, die Augen zu verschließen, wenn Faschisten ihre Symbole und ihre Traditionen in aller Öffentlichkeit zur Schau stellen.

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