Faktencheck: Irland ist kein Musterknabe der Sparpolitik

Die offizielle Version lautet so: Im Gegensatz zu den nutzlosen Griech_innen hat Irland die bitteren Pillen geschluckt, gespart und den Staat verschlankt. Es hat weh getan, aber jetzt floriert die Wirtschaft wieder. Das ist völliger Unsinn, wie ein Blick hinter die Fassade zeigt.
18. August 2015 |

Die Kosten der Austeritätspolitik waren ein Desaster für die einfachen Menschen in Irland. Über 1,5 Millionen Menschen leben in echter Existenznot, das entspricht 36% der Bevölkerung, ein massiver Anstieg seit dem Beginn der Sparpolitik. In permanenter Armut leben doppelt so viele Menschen wie noch 2008, das sind heute beinahe 400.000 Menschen oder 8% der Bevölkerung.

„Gürtel enger schnallen“

Am schlimmsten betroffen sind Alleinerzieher_innen, Arbeitslose, Menschen mit Behinderungen und Kinder: Seit 2012 ist die Zahl der Kinder, die in Armut leben, um 47% auf 137.000 gestiegen, das ist jedes 10. Kind. Die Selbstmordraten sind seit 2008 um 17% gestiegen. Nach dem Crash von 2008 gab es 350.000 leer stehende Häuser. Demgegenüber suchen heute über 100.000 Familien um eine leistbare Sozialwohnung an – Wartezeit: 18 Jahre. Tausende durchschnittlicher Familien sind heute obdachlos.

Ja, die irische Wirtschaft wächst derzeit am schnellsten in Europa, aber gerade das sollte manchen Leuten Sorgen bereiten.

Die Reallöhne wurden um 20 bis 30% gekürzt. Als ein Erfolg der Sparpolitik wird immer wieder zitiert, dass die Arbeitslosigkeit um 15 bis 20% gesunken sei. Tatsächlich ist das völliger Unfug, denn eine Viertel Million Menschen haben seither das Land verlassen. Andernfalls wären die Arbeitslosenraten gleich hoch wie die von Griechenland.

Widerstand ist lebendig

Der Rückhalt für Sparpolitik aus der Bevölkerung ist ein Mythos. Unmittelbar nachdem die Krise zugeschlagen hat, gab es zwei Streiks im öffentlichen Dienst. Es gab viele und große Demonstrationen gegen die Sparattacken. Seit einem Jahr hat der Widerstand gegen die Wassergebühren solche Ausmaße angenommen, dass die Medien von einem neuen „irischen Aufstand“ sprechen. Und auf allen diesen Demonstrationen tragen die Menschen griechische Fahnen mit sich.

Griechisches Gesundheitssystem vor Kollaps: EU-Sparpolitik tötet Menschen

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Ja, es stimmt, die irische Wirtschaft wächst derzeit am schnellsten in ganz Europa, aber gerade das sollte manchen Leuten Sorgen bereiten, denn das tat sie auch bis zu dem Zeitpunkt, als sie 2008 implodierte.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.