Flüchtlingshilfe und Kampf gegen die FPÖ verbinden

Wir erleben derzeit eine Rebellion gegen die Festung Europa. Es ist eine wahrhaft großartige und inspirierende Bewegung. Aber den Aktivist_innen droht ein „böses Erwachen“, denn bei Wahlen profitiert von dem großen Unmut mit der Regierung fast nur die FPÖ.
2. Oktober 2015 |

Was wir derzeit erleben als Rebellion gegen die Festung Europa zu titulieren, bringt das Ausmaß der Geschehnisse am besten auf den Punkt. Solidarische Menschen haben sich das Helfen trotz Androhung harter Strafen nicht verbieten und Flüchtlinge sich nicht von Polizei und Grenzzäunen von ihrer Reise nach Europa abhalten lassen. In einer Rebellion kümmert man sich nicht um Verbote. In ruhigen Zeiten mögen solche Gesetze Wirkung zeigen, in Zeiten von Bewegung schieben wir sie beiseite.

Böses Erwachen verhindern

Seit mehr als einem Jahrzehnt, seit dem Ausbruch der Antikriegsbewegung, war eine solche Hoffnung und solche Erwartungen in große Veränderungen nicht mehr zu spüren. Wir als Sozialist_innen müssen die Möglichkeiten ergreifen, die sich in dieser Bewegung ergeben, aber wir müssen auch warnen. Denn trotz aller Veränderung, die FPÖ triumphierte bei den Wahlen in Oberösterreich und ähnliches droht auch in Wien. Und das obwohl sie derzeit relativ geschwächt erscheint, weil Rückenwind für mehr Menschlichkeit Gegenwind für Rassismus bedeutet.

Die „Flüchtlingskrise“ wird den Regierungsparteien mehr als der FPÖ schaden, denn die Krise wird nicht zu Unrecht als Versagen der Regierung ausgelegt.

 

Führende FPÖ-Politiker halten sich auffällig zurück, wenn sie sich öffentlich über Flüchtlinge äußern. Doch in Wahrheit beeinflusst dieser Gegenwind die Dynamik, welche die FPÖ so stark gemacht hat, sehr wenig: Über 70 Prozent der Befragten sagen, die Bundesregierung mache schlechte Arbeit. Das ist der Hauptgrund für die guten Ergebnisse der FPÖ. Auch die „Flüchtlingskrise“ wird den Regierungsparteien mehr als der FPÖ schaden, denn die Krise wird nicht zu Unrecht als Versagen der Regierung ausgelegt.

Passive Regierung

Die Regierung wusste seit Monaten, dass sich Hunderttausende auf den Weg gemacht hatten, und weder Unterbringung noch Verpflegung oder Transport sind irgendwie vorbereitet worden. Wer die FPÖ wählt, um der Regierung maximal eins auszuwischen, hat mit der Flüchtlingskrise nur ein zusätzliches Argument vor Augen. Und natürlich ist das paradox, schließlich bemüht sich die FPÖ seit 25 Jahren darum, als die Anti-Asyl-Partei schlechthin wahrgenommen zu werden. Wir haben in der Flüchtlingshilfe Leute kennengelernt, die in Vorarlberg ein Lieferauto voll Hilfsgüter gesammelt haben und die selbst von Feldkirch bis Budapest gefahren sind um zu helfen, und die FPÖ wählen werden – um die Regierung zu strafen!

Ein Fakt bleibt nämlich bestehen; die anderen Oppositionsparteien werden nicht als wirkliche Opposition gesehen. Grüne oder Neos vermitteln, dass sie im Grunde alles beim Alten belassen würden, sie würden es vielleicht anständiger machen, oder effizienter. Die FPÖ dagegen vermittelt, sie wird keinen Stein auf dem anderen belassen, sie kümmert sich nicht um herkömmliche politische Normen, Konventionen oder Anstandsregeln.

FPÖ entblößen

Das heißt, dass die Menschen, in ihrem Bedürfnis das politische System anzugreifen, übersehen, dass die FPÖ denselben neoliberalen Kurs verfolgt, wie die Regierungsparteien. Außerdem ist der Rassismus der FPÖ nicht bloße Koketterie mit dem politisch Unkorrekten, sondern der ideologische Zement, der die ganze freiheitliche Bewegung zusammenhält – wie bei einer echten faschistischen Partei. Und schlussendlich ist die FPÖ durchdrungen von Verachtung für eben jene „kleinen Leute“, die sich massenhaft von SPÖ und ÖVP verabschiedet haben.

Um den Kreislauf „schlechte Regierungspolitik bringt noch schlechtere Oppositionspartei an die Macht“ zu durchbrechen, müssen wir erstens das Wissen über den wahren Charakter der FPÖ ganz gezielt unter die Leute bringen.

FPÖ: Die Anti-Flüchtlingspartei

Dazu muss die Bewegung noch viel mehr Menschen in Aktivität bringen, so dass ihre praktischen Erfahrungen in echten Widerspruch zur FPÖ geraten. Zweitens müssen wir eine politische Oppositionspartei aufbauen, die das kapitalistische System bekämpft. Dazu müsste die Bewegung die Energien ihrer Aktivist_innen zielgenau auf die politischen Herausforderungen richten können, die sich im Umfeld der Bewegung ergeben.

Unser Slogan muss also sein: Engagieren wir uns in der Rebellion gegen die Festung Europa und tun wir alles damit sie weiter wächst. Wir müssen Antirassismus und Antifaschismus zusammenbringen. Die Neue Linkswende steht nicht alleine da, wenn sie vor einer faschistischen Bedrohung durch die FPÖ warnt. Dabei geben uns Abertausende Recht! Tun wir uns zusammen, stärken wir gleichzeitig die Bewegung und die radikale Linke.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.