FPÖ nicht rechts? „Herr Van der Bellen, sind Sie so feige geworden?“

Der österreichische Bundespräsident hat sich offenbar bereits in „vorauseilendem Gehorsam“ mit einer Regierungsbeteiligung der Burschenschafter-Partei FPÖ abgefunden, meint Andreas Kurz in seinem offenen Brief an Van der Bellen.
9. Juni 2017 |

Herr Dr. Van der Bellen!

Ich spreche Sie bewusst nicht mit „Sehr geehrter Herr Bundespräsident“ an, weil ich nach Ihren mehr als zweifelhaften Aussagen in dem Interview, das Sie der „Zeit“ gegeben haben, alles andere als sicher bin, ob ich Sie nach wie vor „ehre“ und ob ich das Richtige getan habe, als ich Sie zum Bundespräsidenten gewählt habe.

Ich zitiere: „Wenn Sie ausländische Zeitungen anschauen, dann variiert die Beschreibung zwischen rechtsaußen, rechtsextrem, populistisch. In Österreich ist man ein bisschen sensibel mit diesen Zuschreibungen … Rechts waren traditionell Militaristen, Kriegshetzer, das ist für mich rechts. Davon ist die FPÖ weit entfernt … Nennen wir sie doch einfach ‚nationalistische‘ Parteien.“

Sind Sie wirklich vor lauter Staatsmännelei so feige geworden, dass Sie es nicht mehr wagen, die Dinge beim Namen zu nennen? Eine Partei, deren Abgeordnete bei der Angelobung das Nazi-Symbol Kornblume im Knopfloch tragen, deren Anführer faschistische, deutschnationale Burschenschafter sind, ist also für Sie nicht rechts?

Und dann Ihre Aussage bezüglich der AfD: „Es war längst an der Zeit, dass eine rechte Partei Fuß fasst, es kann ja nicht sein, dass es das in Deutschland überhaupt nicht mehr gibt.“ Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

Haben Sie sich in vorauseilendem Gehorsam schon mit einer Regierungsbeteiligung der FPÖ abgefunden, oder was veranlasst Sie zu derart verantwortungslosen Aussagen?

Ich habe im Bundespräsidentenwahlkampf sehr aktiv für Sie gearbeitet und Sie gewählt, weil ich dachte, Sie seien das einzige Bollwerk gegen die Machtübernahme der Rechtsradikalen und Kellernazis in Österreich, denn ich wollte ein zweites 1938 ebenso verhindern wie eine Wiederholung der unsäglichen Jahre von Schwarz-Blau. Sollte ich mich so sehr in Ihnen getäuscht haben?

Ich habe schon Ihr Zurückrudern in der Affäre mit der „Bitte um Verschleierung“ nicht verstanden – Ihren Aufruf zur Solidarität habe ich als völlig legitim erachtet und mich gewundert, warum Sie nachher von „unglücklicher Ausdrucksweise“ gesprochen haben.

Bitte nehmen Sie zu Ihren Aussagen in dem „Zeit“-Interview Stellung: Haben Sie sich wieder einmal ungeschickt ausgedrückt? Sollten die aberwitzigen Worte tatsächlich Ihrer Überzeugung entsprechen, werden Sie bei der nächsten Bundespräsidentenwahl meine Stimme mit Sicherheit NICHT erhalten. An Österreichs Spitze will ich kein staatstragendes Weichei, sondern einen Präsidenten, zu dem man aufschauen kann.

Andreas Kurz

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.
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