Gewerkschaften fordern: Her mit der 35-Stunden-Woche!

Will die Gewerkschaft für Privatangestellte, Druck, Journalismus und Papier (GPA-djp) ihre Forderung nach einer 35-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich durchsetzen, so geht dies nur über die Leiche des Neoliberalismus.
15. Juli 2015 |

Laut aktueller Studien unterstützt eine klare Mehrheit diese Umverteilungsmaßnahme. Trotzdem werden die Bosse, ihre Konzerne und Lobbyisten den Ist-Zustand mit Zähnen und Klauen verteidigen. Unsere Seite muss also entschlossen und geeint sein. Rund 1.000 Betriebsrät_innen versammeln sich im Juni zur Konferenz „Kürzer arbeiten – leichter leben!“ der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus und Papier (GPA-djp). Sie sind bereit zu kämpfen, denn sie kennen die harten Berufsrealitäten.

Im EU-Vergleich hat Österreich die zweitlängste Wochenarbeitszeit. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit liegt bei rund 42 Stunden. Laut Arbeitsklimaindex der Arbeiterkammer Oberösterreich arbeiteten 2014 bereits 34 Prozent der Beschäftigten in ihrer Freizeit, 17 Prozent im Urlaub und 14 Prozent sogar im Krankenstand. Während immer mehr Menschen in Arbeitslosigkeit verharren oder von ihrem Mini-Einkommen kaum leben können, müssen andere so viel arbeiten, dass sie davon krank werden.

Arbeitslosigkeit auf Rekordhöhen

GPA-djp-Vorsitzender Wolfgang Katzian erklärt: „Eine Verkürzung der Wochenarbeitszeit auf 35 Stunden, also um 10 Prozent, würde ein Beschäftigungswachstum von rund 100.000 neuen Jobs bringen.“ Ganz Europa ist von einer tiefen Krise erfasst. In Österreich sind aktuell fast 400.000 Menschen von Arbeitslosigkeit betroffen. Es ist völlig unrealistisch, dass es in nächster Zeit ausreichendes Wirtschaftswachstum gibt, um so die Arbeitslosigkeit zu vermindern.

Gleichzeitig wurde während der Krise die Produktivität gesteigert: für die Herstellung derselben Menge an Gütern und Dienstleistungen immer weniger Arbeitskräfte benötigt. Daraus folgt, dass wir entweder kürzer arbeiten könnten oder ein zunehmender Teil der vorhandenen Arbeitskräfte überflüssig wird. Die Entscheidung ist daher, ob wir eine Arbeitszeitverkürzung bei vollen Bezügen oder Massenarbeitslosigkeit wollen.

Armut durch Teilzeit

Würden ein Drittel der Überstunden – nämlich jene, die regelmäßig anfallen – in mehr Arbeitsplätze umgewandelt, ergäbe das laut dem AK-Ökonomen David Mum über 50.000 Vollzeitarbeitsplätze. In Österreich werden pro Jahr über 270 Millionen Überstunden geleistet. Knapp ein Fünftel aller Beschäftigten leisten Überstunden, und zwar durchschnittlich 7,5 Stunden pro Woche. Jede fünfte Überstunde bleibt aber unbezahlt. Der Anteil unbezahlt geleisteter Überstunden liegt bei Frauen mit 27 Prozent deutlich höher als bei Männern mit 17 Prozent.

Österreich ist auch bei der Teilzeitarbeit in der EU an zweiter Stelle. Über 70 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten auf Teilzeitbasis. Insgesamt arbeitet fast die Hälfte der erwerbstätigen Frauen, aber nur 6,5 Prozent Männer in Österreich in Teilzeit. Anders gesagt: Männer machen Überstunden, Frauen hingegen arbeiten in Teilzeit und für die Familie. Deshalb sind Frauen während des Erwerbslebens und in der Pension stärker armutsgefährdet. Eine kurze Vollzeit für Männer und Frauen wäre ein großer Fortschritt gegenüber der jetzigen Situation.

Frauen zahlen mehrfach drauf

Ein genauer Blick auf die Verteilung der unbezahlten Arbeit (zumeist in Pflege, Familie und Gemeinde) lohnt sich: Frauen leisten rund zwei Drittel der unbezahlten Arbeit und nur knapp 40 Prozent der bezahlten Arbeit – während die Männer nur ein Drittel der unbezahlten, aber dafür zwei Drittel der bezahlten Arbeit leisten.

Dieses Missverhältnis rührt daher, dass Paare, sobald sie Kinder haben, auf das niedrigere Fraueneinkommen eher verzichten können. Die Mutter geht in Karenz und Teilzeit. Die GPA-djp fordert auch das Recht auf eine Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden für Eltern mit Betreuungspflichten für Kleinkinder. Mehr Freizeit mit der Familie oder mehr ehrenamtliches Engagement bei weniger Arbeitslosigkeit und Ungleichheit wird es nur gegen massiven Widerstand der Bosse und ihren Parteien geben.

Ohne Kampf kein Fortschritt

Es ist völlig überflüssig zu appellieren, dass Arbeitszeitverkürzung auch gut für die Wirtschaft sei. Die Bosse pfeifen darauf und wollen die Arbeitszeit eher verlängern. Alles Gute kommt und kam nie als milde Gabe von oben. Es wird von unten erkämpft. Wenn wir ernsthaft eine Verkürzung der Arbeitszeit erreichen wollen, dann müssen wir uns für den gemeinsamen Arbeitskampf rüsten.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.