Israel/Palästina: Ende der Illusionen

Seit Anfang September kommt es in ganz Israel/Palästina zu riesigen, teilweise gewaltvollen Protesten von ­Palästinenser_innen gegen die israelische Besatzung. Sie sehen den Protest auf der Straße als die letzte Möglichkeit Widerstand zu leisten, weil alle Verhandlungen und der Osloer-Friedensprozess ihre Lage nur verschlechtert haben.
25. November 2015 |

Die jüngere Generation, die mit dem Osloer-Abkommen aufgewachsen ist, und nie etwas anderes gekannt hat, weiß, dass es ihnen nichts gebracht hat. Für sie war das Osloer-Abkommen nie der Hoffnungsschimmer, der es für manche ältere Palästinenser_innen war, sondern Lebensrealität. Eine Realität voller Rassismus und tagtäglicher Diskriminierung an den Checkpoints. Deshalb haben sie jeden Glauben an einen Friedensprozess mit Israel verloren, deshalb gehen sie zu tausenden auf die Straße.

Zeit ist reif für dritte Intifada!

Zeit ist reif für dritte Intifada!

Bayan Iseed, eine Studentin aus Jericho: „Ich unterstütze keinen Frieden mit Israel. Der Grund dafür ist, dass 22 Jahre nach dem so genannten Osloer-Abkommen die Situation noch schlechter als jemals zuvor. Unsere Erfahrung hat uns gelehrt: Frieden mit Israel ist sinnlos und eine reine Zeitverschwendung.“ Mohammad Zaid, palästinensischer Aktivist: „Für Israelis bedeutet Frieden, uns zu ermorden und Siedlungen auf gestohlenem palästinensischen Territorium zu erbauen“.Laut einer jüngst veröffentlichten Studie des Palestinian Center for Public Opinion unterstützen 72% der Palästinenser_innen eine dritte Intifada und 62% lehnen weitere Friedensverhandlungen mit Israel ab.

Der Protest der Palästinen­­ser_innen richtet sich auch gegen die rassistische Politik der Israelis. Lina Khattab: „Ja, Juden haben ein Recht in Palästina zu leben, aber nur als Juden, nicht als eine Gruppe, deren Existenz auf der Beseitigung unserer eigenen Existenz beruht. Wie können wir mit so einem Programm leben?“

Osloer-Abkommen

Das Osloer Friedensabkommen wurde 1993 zwischen dem israelischen Premier Yitzhak Rabin und dem Anführer der PLO (Palästinensische Befreiungsorganisation, damals die führende Organisation der Palästinenser_innen), Yasser Arafat unterzeichnet. Das Abkommen wurde als großer Schritt zur Gleichberechtigung dargestellt. In der Realität war es etwas anderes. Der israelische 28_arafat-rabin(c)wikimedia commens-1in palästinensischen Gebieten ging ungehindert weiter. Die Blockade des Gazastreifens, der noch dazu regelmäßig von Israel bombardiert wird, hat die Lebensbedingungen vieler Palästinenser_innen weiter verschlechtert.
Die Schaffung eines palästinensischen Staates oder Gleichberechtigung war nie das Ziel des Osloer Friedensprozesses.

Der israelische Premier Yitzhak Rabin stellte das auch immer klar. Arafat schrieb zu Beginn der Verhandlungen einen Brief an Rabin, in dem er zusagte, dass die PLO Israels Existenzrecht anerkennt, und sich auch dafür einsetzen wird, dass die Palästinenser_innen von jedem Widerstand gegen die israelische Besatzung Abstand nehmen. Rabin: „als Antwort auf deinen Brief vom 9. September 1993 werden wir die PLO als Verhandlungspartner anerkennen“. In dem Brief ist kein Wort von einem palästinensischen Staat zu finden oder davon, dass Israel irgendwelche Zugeständnisse macht.

PA auf Seiten Israels

Auch die Palästinensische Autonomiebehörde (PA), welche im Zuge des Gaza-Jericho Abkommen (Teil des Oslo-Friedensprozesses) 1994 gegründet wurde und in einigen Gebieten Israels/Palästinas Verwaltungsrechte übernimmt, bringt den Palästinenser_innen keine Fortschritte und auch nicht näher zu einem eigenen Staat. Israel hingegen profitiert von der PA, weil dadurch die Verwaltung der besetzten Gebiete erleichtert wird, weil zwischen den Palästinenser_innen und Israel die PA steht. Darum kommt es bei der jüngsten Protestwelle auch zu Auseinandersetzungen zwischen der PA und Palästinenser_innen. Genau diese Behörden und Teile der palästinensischen Eliten profitieren vom Osloer Abkommen.

Israel verliert an Rückhalt

Die bittere Logik eines kolonialen Siedlerstaats

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Sogar in den USA, die Israel aus geostrategischen Gründen die Treue halten, schwindet die Hoffnung darauf, dass Israel es mit der vielbeschworenen Zwei-Staaten-Lösung irgendwie ernst meinen würde. Robert Malley, ein führender Berater in Nah-Ost-Angelegenheiten von Obama meinte: „Die USA müssen eine Politik formulieren in der der Glaube an die Zwei-Staaten Lösung langsam stirbt und darüber nachdenken, wie das die Beziehungen zu Israel beeinflusst“.

Auch dass Produkte aus den israelischen Siedlungen in Zukunft mit den Worten „israelische Siedlung“ gekennzeichnet werden müssen – ein Erfolg der von Palästinenser_innen gegründeten BDS-Kampagne (Kampagne zum Boykott israelischer Produkte, zum Kapitalabzug und zu Sanktionen gegen Israel aufgrund der Besatzung Palästinas) – bedeutet eine herbe Niederlage für Israel.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.