Kampflinie Flüchtlinge: Auf welcher Seite stehst du?

Die österreichische Regierung hat am Freitag die Grenzen für Flüchtlinge dicht gemacht und schickt weitere Soldaten – ab sofort gelten nur mehr „Tageskontingente“. Man wolle damit auf eine „europäische Lösung“ hinwirken, versicherte Kanzler Faymann. Gestärkt werden mit diesem Schritt allerdings nur die vehementesten Flüchtlingsgegner.
21. Februar 2016 |

Die österreichische Flüchtlingspolitik war schon immer rückgratlos und schäbig. Während des Kosovokriegs führte der oberösterreichische Landeshauptmann Pühringer persönlich das Empfangskomitee für kosovarische Flüchtlinge an, die mit Flugzeugen aus dem Kriegsgebiet direkt nach Linz geflogen wurden. 1999 unterstützte man noch den NATO-Angriff auf Serbien. Die Familie von Arigona Zogaj hingegen hatte das Pech, nach Beendigung des Krieges nach Österreich zu kommen. Die österreichischen Behörden und Politik zerstörten die Familie in einer ekelhaft rassistischen Kampagne und schoben sie ab.

Bundeskanzler Werner Faymann hatte noch im Herbst erklärt, dass Obergrenzen und Grenzzäune keine Lösung wären. Seither hat sich viel verändert. Jetzt bricht er mit der Schließung der Grenzen für Flüchtlinge kaltschnäuzig das Menschenrechte auf Asyl, entgegen einer scharfen Kritik der EU-Kommission: „Österreich hat die rechtliche Verpflichtung, jeden Asylantrag zu akzeptieren, der auf seinem Territorium oder an seiner Grenze gestellt wird.“

Österreich beteuerte, es wolle Druck für eine europäische Lösung machen. „Wir sind keine Wegdrücker“, erklärte Bundeskanzler Faymann mit Hinweis, dass man im Vorjahr vorbildlich schutzsuchenden Menschen geholfen hätte, aber: „Wir können nicht das Asylrecht für ganz Europa tragen.“ Angesprochen darauf, dass er damit ja nun der Orban-Koalition beigetreten sei, antwortete Faymann im Interview mit dem Kurier: „Ich lasse mich nicht mit jemandem vergleichen, der keine Flüchtlinge nimmt.“

Faymann stützt Orban-Lager

Aber seien wir doch ehrlich: Die Obergrenzen und das Dichtmachen der Grenzen stärken überall die Vertreter eines harten Kurses gegen Flüchtlinge. „Dogmatisches Denken hat vor der Realität und dem Hausverstand kapituliert“, applaudierte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban Österreichs „Sieg der Vernunft“ und legte nach, dass es besser wäre, wenn überhaupt keine Zuwanderer nach Europa kämen. Die Regierungen der Visegrád-Staaten Ungarn, Polen, Tschechien und Slowakei attackieren die Politik der offenen Grenzen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, die innenpolitisch selbst immer mehr unter Beschuss der bayrischen CSU kommt. Das österreichische „Tageskontingent“ von maximal 80 Asylanträgen veranlasste die Länder auf der Balkanroute, Flüchtlingen die Türe vor der Nase zuzuknallen.

Die Regierung stärkt aber auch den Rücken der Rechtsextremen und befeuert eine Pogromstimmung auf den Straßen. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache jubelte auf der Aschermittwochsrede in Ried: „Als ich im Sommer gefordert habe, die Grenzen dicht zu machen und Zäune zu errichten, da bin ich noch als Hetzer beschimpft worden.“ Die FPÖ kündigte einen Protestmarsch gegen eine geplante Asylunterkunft in der zweiten Märzwoche in Wien-Liesing mit Strache und Johann Gudenus an. In Deutschland brannte kürzlich eine Asylunterkunft im sächsischen Bautzen unter Beifall eines rechten Mobs ab, kurz nachdem in Clausnitz „besorgte Bürger“ einen Bus mit Flüchtlingen attackierten.

Kampflinie Flüchtlinge

Europa bleibt scharf polarisiert. Die osteuropäischen Visegrád-Länder und Österreich verfolgen ihren eigenen Kurs gegen Berlin und kündigten Mazedonien und Bulgarien ihre Unterstützung beim Grenzschutz an – mittels Bau von Stacheldrahtzäunen und der Entsendung von Soldaten. Der britische Premier David Cameron wiederum hat angekündigt, Sozialleistungen für EU-Migrant_innen zu kürzen. Davon beeindruckt plant Faymann den Kahlschlag der Familienbeihilfe für EU-Ausländer, während in einem Bundesland nach dem anderen die Kürzung der Mindestsicherunng für Asylwerber_innen durchgesetzt werden soll.

Auf der anderen Seite ist die Hilfsbereitschaft ungebrochen. Die Hilfsorganisationen Samariterbund, Rotes Kreuz, Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Train of Hope und viele andere haben ihren Arbeitsschwerpunkt von den Bahnhöfen in die vielen Notquartiere und Asylunterkünfte verschoben. Und ein Blick in die Krisenregionen Syrien und Afghanistan genügt um zu verstehen, warum sich in den nächsten Monaten hunderttausende Menschen auf dem Weg nach Europa machen werden. Sie werden sich von Zäune und Obergrenzen nicht aufhalten lassen.

Der Wiener SPÖ-Bürgermeister Michael Häupl bestand darauf, dass er auf beiden Seiten der Kampflinie stehen könnte: „Wir haben beides: Humanismus und Realitätssinn“. Aber mit seiner Unterstützung der Obergrenzen im Jänner hat er die Seiten gewechselt – sehr zum Missfallen vieler stolzer Flüchtlingsverteidiger in der roten Parteibasis und im Wiener Parteivorstand.

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In der Frage der Flüchtlinge gibt es keinen Mittelweg. Am internationalen Aktionstag am 19. März haben wir eine fantastische Gelegenheit, die Bewegung in Solidarität mit Flüchtlingen zu stärken. Auf welcher Seite stehst du?

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.