Koalition mit einer Faschisten-Nachfolgepartei?

SPÖ-Klubobmann Josef Cap verteidigte 2015 die rot-blaue Koalition im Burgenland als „sachpolitische Kooperation“. Die Zusammenarbeit mit einer Partei, die aus einem Sammelbecken ehemaliger Nazis und Arbeitermördern entstanden ist, muss für die große alte „Arbeiterpartei“ SPÖ völlig ausgeschlossen sein.
10. Juni 2015 |

Wenn die neuen Nationalratsabgeordneten nach einer Wahl mit „Ich gelobe“ den Eid auf die Demokratie ablegen, tragen FPÖ-Politiker eine scheinbar harmlose blaue Kornblume im Knopfloch. Die Kornblume war das Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten bis zum sogenannten “Anschluss” 1938. Der positive Bezug der FPÖ auf die grausamste Diktatur der Menschheitsgeschichte am Tag der Angelobung des Parlaments ist als Stinkefinger für die Demokratie gedacht.

Die „Glasenbacher“

Der „Verband der Unabhängigen“ (VdU), die Vorgängerpartei der FPÖ, wurde nach dem zweiten Weltkrieg von inhaftierten Nazi-Kriegsverbrechern  im US-Internierungslager in Glasenbach bei Salzburg gegründet. In Glasenbach („Camp Marcus W. Orr“) waren vermeintliche Schwerstverbrecher der SA, SS, NSDAP und Wehrmacht inhaftiert. SPÖ und ÖVP ermöglichten diesem VdU 1949 erstmals den Antritt zu Wahlen.

Interview: „Die FPÖ ist eine im Kern rechtsextreme Partei“

Interview: „Die FPÖ ist eine im Kern rechtsextreme Partei“

1956 fusionierte der VdU mit der „Freiheitspartei“ zur Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ). Erster Bundesobmann der FPÖ war Anton Reinthaller, ein ehemaliger SS-Brigadeführer. Reinthaller wurde 1938 unter Arthur Seyß-Inquart Landwirtschaftsminister und war bis 1945 Reichstagsabgeordneter in Berlin. In seiner Antrittsrede als FPÖ-Chef sagte Reinthaller: „Der nationale Gedanke bedeutet in seinem Wesen nichts anders als das Bekenntnis der Zugehörigkeit zum deutschen Volk.“

Integration der FPÖ

Nach Reinthaller übernahm 1968 der ehemalige „Glasenbacher“ und SS-Obersturmbannführer Friedrich Peter die freiheitliche Parteiführung. Teile seiner Einheit (das Infanterie-Regiment 10 der 1. SS-Infanteriebrigade) waren 1941 als „Einsatzgruppe C“ an der systematischen Erschießung von hunderttausenden Jüdinnen und Juden beteiligt.

Spätestens 1970 wurde die FPÖ in das politische System integriert. Bruno Kreisky ließ seine SPÖ-Minderheitsregierung von der FPÖ stützen und verteidigte Friedrich Peter gegen den engagierten „Nazi-Jäger“ Simon Wiesenthal. Kreisky war es auch, der fünf ehemalige Nazis in die Regierung als Minister aufnahm: Otto Rösch, Erwin Frühbauer, Josef Moser, Oskar Weihs (alle vier NSDAP) und Hans Öllinger (SS).

Haiders Rechtsruck

Die „liberale Ära“ unter FPÖ-Obmann Norbert Steger Anfang der 1980er-Jahre dauert nicht lange. Jörg Haider „säuberte“ 1986 die Partei von liberaleren Elementen. Bezeichnenderweise ließ er sich beim sogenannten „Parteitagsputsch“ von Innsbruck auf den Schultern von Deutschnationalen tragen, darunter Reinhart Gaugg, der 1993 Journalist_innen das Wort „Nazi“ so buchstabierte: „neu-attraktiv-zielstrebig-ideenreich“.

Haider selbst war Burschenschafter (“Silvania Wien”). Sein Vater Robert Haider war in den 1930er-Jahren illegaler Nazi und Mitglied der paramilitärischen „Österreichischen Legion“ in Bayern, mit der er sich am Putschversuch der Nazis 1934 beteiligte. Angehörige der Waffen-SS bezeichnete Jörg Haider auf den jährlichen rechtsextremen „Ulrichsbergtreffen“ als „anständige Menschen“.  Haider meinte: „Im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht.“

Erneut Wende nach rechts

Die FPÖ ist heute fest in den Händen der deutschnationalen Burschenschaften, die stets als neonazistische Kaderschmieden funktioniert haben und deren Leitspruch nach dem Zweiten Weltkrieg „Unsere Ehre heißt Treue“ war. Norbert Burger, Gottfried Küssel, Gerd Honsik oder Franz Radl kommen alle aus diesem Milieu.  Heinz-Christian Strache, Mitglied der deutschnationalen Verbindung „Vandalia Wien“, führte die FPÖ mit der Übernahme der Partei 2005 noch weiter nach rechts.

Strache brachte die schlagendenden Burschenschafter in alle wichtigen Positionen der Partei. Im Parlament gehören knapp 40 Prozent der Abgeordneten einer deutschnationalen Verbindung an. In Wien stellen sie den Landesparteiobmann, drei Stellvertreter, den Klubobmann im Rathaus, den Landesgeschäftsführer, Landesparteisekretär und die Hälfte der Gemeinderatsabgeordneten.

Strache, ein Demokrat?

Per Gerichtsurteil darf man Strache „Nähe zu nationalsozialistischem Gedankengut“ nachsagen. Strache selbst kommt, so das Urteil des Kenners der rechten Szene Hans-Henning Scharsach, „aus der gewaltbereiten Neonazi-Szene“.  Er nahm zumindest an einer Wehrsportübung mit dem Neonazi Gottfried Küssel teil. Bei diesen rechtsextremen Treffen lernten die Teilnehmer den Umgang mit der Waffe und trainierten den Mord an politischen Gegner_innen.

„Kühnengruß“: Strache gab Nachhilfe im Grüßen

„Kühnengruß“: Strache gab Nachhilfe im Grüßen

Zu Silvester 1989/90 demonstrierte Strache in vorderster Reihe mit der deutschen Neonazi-Organisation Wiking-Jugend. Im Zuge der Demonstration, die eine Synagoge stürme wollte, wurde Strache festgenommen. Er saß über Nacht im Gefängnis. Die Wiking-Jugend war für den blutigsten Bombenanschlag der deutschen Nachkriegsgeschichte mit 13 Toten am Münchner Oktoberfest 1980 verantwortlich.

Mit dieser Partei eine Koalition zu bilden und das als „sachpolitische Kooperation“ zu verharmlosen, ist ein Verbrechen an der Arbeiter_innenbewegung und Verrat an allen Menschen, die sich für die Verteidigung der Demokratie und eine gerechtere Welt einsetzen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.