Verfassungswidriges Polit-Urteil öffnet Hofer die Türen

Der Verfassungsgerichtshof reagierte auf die Beschwerden der FPÖ nach verlorener Wahl tatsächlich damit, die Wahl wiederholen zu lassen – nicht nur eine zweifelhafte juristische Entscheidung, sondern eine Politische, die den blauen „Freunden der Demokratie“ erhebliche Vorteile verschafft.
12. Juli 2016 |

Seit Jahrzehnten laufen Wahlen in Österreich ziemlich gleich ab: Ergebnisse werden schon früh an Parteien und Medien weiter gegeben und es gibt bekanntermaßen einen gewissen Schlendrian, was formale Abläufe angeht. Genauso wie der FPÖ waren natürlich auch den Verfassungsrichter_innen diese Zustände seit langem bekannt. Zu Aufregung oder gar Wahl-Annullierung hat das allerdings noch nie geführt. Nun verhilft der Verfassungsgerichtshof (VfGH) der FPÖ zu einer Wahlwiederholung – und zwar erst als Van der Bellen die Stichwahl gewonnen hatte.

Profil-Journalist Herbert Lackner berichtet, er habe jetzige Verfassungsrichter_innen dabei gesehen, wie sie vor den Computern auf die vorab bekanntgegebenen Ergebnisse „gelauert“ hätten, und jetzt tun sie, als würden sie das erste mal davon hören. Selbst Innenminister Wolfgang Sobotka meinte öffentlich: „Ich wundere mich, warum der VfGH in all den Jahren trotz der bekannten Praxis nie auf das Parlament oder mein Ressort zugekommen ist.“

Verfassungswidrige Entscheidung

Der ehemalige Dekan der juristischen Fakultät der Uni Linz, Professor Heribert Franz Köck schreibt in der konservativen Presse, dass die Gesetze vorsehen, dass „einer Wahlanfechtung stattzugeben ist, ‚wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde und auf das Wahlergebnis von Einfluss war‘“. Im umfassenden Beweisverfahren wurde jedoch festgestellt, dass es zu keinen Wahlmanipulationen gekommen ist.

„Der VfGH hat damit gegen den Grundsatz verstoßen, dass der Wählerwille zu achten ist und eine Wahl nur dann aufgehoben werden darf, wenn kein vernünftiger Zweifel an Manipulationen solchen Umfangs besteht, dass dadurch das Wahlergebnis tatsächlich beeinflusst wurde“, so Köck. Norbert Hofer beeilte sich zu kommentieren, dass die formalen Fehler „Raum für Manipulationen gegeben haben“, was wohl nur der Verwirrung dienen soll, denn es hat eben keine Manipulationen gegeben.

Verschwörungstheorien

Die FPÖ versucht erwartungsgemäß das Urteil zu ihrem Vorteil umzudeuten. Eine Türe, die der VfGH ohne Not selbst geöffnet hat. Auch FPÖ-Vizechef Harald Stefan (Mitglied bei der rechtsextremen Burschenschaft „Olympia“) kündigt weitere Anfechtungen an, wenn „wieder Unregelmäßigkeiten passieren – und diese relevant für das Wahlergebnis sind“. Nur waren die Unregelmäßigkeiten eben nicht relevant für das Ergebnis und können es daher nicht „wieder“ sein.

Doch genau diese blauen Verschwörungstheorien hat der VfGH mit seiner ganzen Autorität unterfüttert. Das Argument, dass die Wahlwiederholung solchen Gerüchten den Boden entziehen würde, ist lächerlich. Bei einem neuerlichen Sieg Van der Bellens werden in den diversen Foren des harten FPÖ-Kerns die Verschwörungstheorien blühen. Leute, die immer noch glauben, Jörg Haider sei vom Mossad ermordet worden und Europa werde planmäßig „islamisiert“, werden ihr irrationales und paranoides Denken nicht wegen realen Tatsachen ändern.

Ungleiche Voraussetzungen

Der VfGH agiert politisch mit dieser Entscheidung. Man hätte der Regierung auch den Auftrag geben können, die „Missstände“ abzuschaffen, da die formalen Fehler keinerlei Einfluss auf den Wahlausgang hatten. Doch lieber entschieden sich die Damen und Herren Richter, einen in westlichen Demokratien nie dagewesenen Schritt zu tun, nämlich die Wiederholung einer bundesweiten Wahl anzuordnen und Norbert Hofer eine zweite Chance zu geben, als Mitglied einer deutschnationalen Burschenschaft das höchste Amt in Österreich zu bekleiden.

Die Wahl wird auch nicht unter den gleichen Umständen wiederholt: Die Wahlkampfkassen der Grünen sind relativ leer, während die FPÖ in Steuergeld schwimmt (sie erhält doppelt soviel Parteienförderung). Dazu kommt, dass Hofer sich weigert sein Amt als dritter Nationalratspräsident ruhend zu stellen. Damit wird er zum Zeitpunkt der Wahl interimistischer Bundespräsident sein.

Neonazis haben Freunde in der Justiz

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Diese Entscheidung beschert uns einen weiteren schmutzigen FPÖ-Wahlkampf. Schon verbreiten FPÖ-Anhänger die Lüge, Van der Bellen sei an Krebs erkrankt. Sicher nicht die letzte Geschmacklosigkeit der blauen Truppe. Begeistert steuert man in Richtung eines autoritären Regimes in Österreich, demokratische Institutionen sind dabei Mittel zum Zweck, Wahlen nur Gelegenheit zu rassistischer Hetze. Eric Frey vom Standard schreibt ganz richtig: „Eine korrekte Wahl wurde wegen einer rechtlichen Fiktion aufgehoben – und den Feinden des Rechtsstaates in die Hände gespielt.“

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.