Aufrüstung ist Todesstoßfür Klimaschutz

Die angekündigte Aufrüstung der NATO ist auch ein Krieg gegen den Klimaschutz. Einerseits werden wegen der Rüstungsausgaben bestehende Klimaschutzprojekte eingestellt, andererseits wird die Produktion der Rüstungsgüter riesige Mengen an CO₂ in die Atmosphäre freisetzen. Zur Eindämmung der Klimakatastrophe bräuchte es aber schon jetzt sinkende CO₂ Emissionen.
16. September 2025 |

Um die Klimakatastrophe einzudämmen, waren die bisher geplanten Maßnahmen ohnehin völlig unzureichend. Aber selbst diese halbherzigen Maßnahmen werden jetzt der Aufrüstung geopfert. Halbherzig deshalb, weil keine der Maßnahmen einen Ausstieg aus der Förderung und Verbrennung fossiler Brennstoffe zum Ziel hatte. Ohne einem Ausstieg aus den Fossilen kann die Klimaerwärmung aber nicht aufgehalten werden, da ist sich die Wissenschaft einig.

Politische Effekte

Unabhängig davon, dass die umgesetzten Massnahmen und geplanten Projekte für den Klimaschutz völlig unzureichend sind, ist es für uns alle nicht hinnehmbar, dass dann auch noch diese wenigen Klimaprojekte einfach fallengelassen oder zusammengekürzt werden. Nicht weil ihr Effekt uns eine wirksame Schonfrist verschafft hätte – sie hätten den Punkt, an dem keine Umkehr mehr möglich ist, nur um Wochen oder Monate hinausgezögert – ihr Fallenlassen wird einen politischen und ökologischen Abwärtsschwung einleiten, der uns noch viel früher an diesen „point of no return“ bringt. Dieser Zeitpunkt liegt irgendwo zwischen 1,5 und 2 Grad Klimaerwärmung. Ab dann wird nach den gültigen Klimamodellen, die bisher sehr präzise waren, ein Kipppunkt nach dem anderen überschritten und Feedbackschleifen ausgelöst – dann wird sich das Klima erst bei einer Erwärmung von 4,5 Grad wieder stabilisieren. Wenn wir zulassen, dass Kapitalismus bis 2100 eine Erwärmung von 3 Grad verursacht, kann die schlussendliche, menschengemachte Erwärmung sogar unvorstellbare 4 bis 8 Grad erreichen. Es ist kaum vorstellbar, welch katastrophale Folgen das für das Erdsystem und die Artenvielfalt haben wird, aber eine Zivilisation, die auf stabile Versorgung mit Nahrungsmitteln angewiesen ist, wird es wohl kaum mehr geben. Wer also Umweltschutz ernst nimmt, muss klar sagen: Wir können und dürfen die geplante Aufrüstung nicht hinnehmen.

CO₂-Schleuder Militär

Die in Wien ansässige „Initiative on GHG accounting of war” (Initiative zur Messung von Kriegs-bedingten Treibhausgasemissionen) hat zusammen mit einer Reihe von Universitäten den Ausstoß an Treibhausgasen berechnet, die im Zuge des Ukrainekriegs und des Gazakriegs emittiert werden. Militärs sind schon ohne Kriegsaktivitäten weltweit für 5,5 % der emittierten Treibhausgase verantwortlich, mehr als der globale Flug- und Schiffverkehr kombiniert ausmachen (5 %). In der Ukraine zeigen sich Kriegsaktivitäten alleine für 36 % bzw. 82,1 MtCO₂ (Millionen Tonnen = Megatonnen = MtCO₂) der Emissionen verantwortlich, durch den Krieg verursachte Flächenbrände für weitere 21 % (48.7 MtCO₂). Die Sprengung der Nord Stream Gas Pipeline durch die Ukraine hat das Äquivalent von 14 MtCO₂ verursacht.
Israels unmittelbare militärische Aktivitäten der ersten 15 Monate im Gazakrieg sind für 1,9 MtCO₂ verantwortlich. Zusammen mit den Kriegsvorbereitungen und -folgen waren es 31 MtCO₂ , ein Drittel davon kommt alleine durch den Transport von Waffen aus den USA und der EU zusammen. Diese 31 MtCO₂ sind in etwa gleich viel wie die jährlichen Emissionen Kroatiens oder etwas weniger als die Hälfte jener Österreichs. Man bekommt eine Ahnung, wie zerstörerisch ein Krieg westlicher Streitkräfte gegen China ausfallen würde.

Kürzung sinnvoller Ausgaben

Alleine die NATO-Mitgliedsstaaten der EU sind angehalten ihr Rüstungsbudget auf 613 Milliarden Euro pro Jahr (5 % des BIP) zu erhöhen, 360 Milliarden davon für Panzer, Bomben und anderes militärisches Gerät. Gleichzeitig beträgt der Rückstand zu den von den EU-Staaten anvisierten Zielen für Umweltschutz und Soziales 2,1 – 2,9 % des BIP, oder 375 – 526 Milliarden Euro pro Jahr. Da kann kein Politiker mehr argumentieren, für Klimaschutz und Soziales fehle das Geld. Woran es tatsächlich mangelt, ist Wille und Verstand. Und es mangelt an Ehrlichkeit und Solidarität. Bei der letzten Klimakonferenz, der COP29 im November 2024 in Aserbaidschan, haben die Länder des globalen Nordens, zugesagt, die finanzschwachen Länder des Südens jährlich mit 278 Milliarden Euro bis 2025 zu unterstützen. Diese Länder hatten historisch nur einen marginalen CO₂-Ausstoß, werden aber von der Klimaerwärmung am härtesten getroffen. Weniger als ein halbes Jahr später wird klar, dass diese Zusagen nichts als heiße Luft waren. Es ist unklar, wie weit die Industrienationen hinter ihre Zusagen zurückfallen werden, aber UK, Deutschland, Frankreich, Niederlande und die Schweiz haben Kürzungen angekündigt, Belgien wird um ein Viertel, die Niederlande um 30 %, und Frankreich um 37 % kürzen. Dazu kommt, dass schon bestehende Entwicklungsprojekte einfach neue Namen bekommen und in die Klimaschutz- und Reparationsfonds eingepreist werden.

Österreich und Rearm Europe

Österreichs Militärausgaben sollen jedes Jahr steigen und in zehn Jahren 10 Milliarden Euro pro Jahr erreichen, 2024 waren es noch 4,8 Milliarden. Insgesamt hat die Bundesregierung für Aufrüstung an die 70 Milliarden Euro in den zehn Jahren von 2024 bis 2033 budgetiert. USA, NATO und die EU verlangen von allen assoziierten Staaten ihren Anteil an den Kriegsvorbereitungen für den Krieg gegen China. Und so hat Österreich ohne größere Debatten Gehorsam gelobt und sein Militärbudget an die Vorgaben für das Projekt „Rearm Europe“ (Rüstet Europa wieder auf) angepasst. Trump verlangt, dass alle NATO Staaten ihre Rüstungsausgaben auf 5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöhen, bisher galt ein Richtwert von 2 % des BIP. Für „Rearm Europe“ gibt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Erhöhung der nationalen Rüstungsbudgets um 1,5 % vor. Österreich wird seine Ausgaben entsprechend mehr als verdoppeln, von 1 % des BIP auf über 2 % des BIP bis 2033. EU-weit sind die Ausgaben für „Rearm Europe“ bis 2033 auf 800 Milliarden Euro veranschlagt. Wie Marnie Holborow auf Seite 41 darstellt, wird bei solchen Beschlüssen die Öffentlichkeit ausgeklammert und jede demokratische Kontrolle verhindert.
Es ist auch für sehr aufmerksame politische Beobachter eine groteske Erinnerung daran, wie die Wertigkeiten unserer Regierungen verteilt sind. Klimaschutz – die wohl wichtigste Herausforderung der Menschheitsgeschichte – rangiert ganz unten, die Bedürfnisse des Imperialismus ganz oben. Die EU hat auch ihre strengen Beschränkungen, die sie den Staaten für die Aufnahme von Schulden auferlegt hat, für die Rüstungsausgaben einfach aufgehoben und stellt auch gleich Darlehen von 150 Milliarden in Aussicht. Griechenland wurde nach der Finanzkrise 2007-2008 wegen eines Bruchteils der aktuellen Summen sozial und ökonomisch stranguliert. Außerdem ist klar, dass die Darlehen, die jetzt so freizügig vergeben werden, zurückgezahlt werden müssen – und auch dafür wird wieder im Sozialbereich und bei Klimaschutz gespart werden.

Katastrophe und Hoffnung

Wenn man seine Aufmerksamkeit alleine auf die Aktivitäten unserer Regierungen richtet, kann man leicht verzweifeln. Es ist sternenklar, dass wir ihnen das Steuer entreißen müssen, weil sie die Welt immer noch schneller Richtung Abgrund lenken. Revolution ist die Aufgabe unserer Epoche. Die Regierungen scheinen das, so brutal wie sie gegen Klimaschutz- und Antikriegs -Aktivist:innen vorgehen, zu wissen und zu fürchten. Das ist auch ein deutliches Zeichen für ihre Schwäche und ihre Isoliertheit. In Deutschland, dem Land mit der härtesten Repression gegen Kriegsgegner und einer besonders Israel-treuen Berichterstattung der Medien, halten nur 12 % der Befragten Israels Vorgehen im Gazastreifen für gerechtfertigt. Mit der richtigen Politik müssen wir die Mehrheit, welche Israels Vorgehen ablehnt, auf die Straße mobilisieren und dadurch das politische Klima kippen. Im arabischen Raum ist es nur eine Frage der Zeit bis Aufstände die Kollaboration der Regime bestrafen, und niemals war Israel so hilflos und isoliert wie während des arabischen Frühlings. Fragt man die Bevölkerung, welche Herausforderung sie für die dringendste der Menschheit halten, antworten an die 90 % mit dem Klimawandel. Diese Haltungen können sich ganz schnell in Protestbewegungen und Revolutionen entladen Nur radikale Veränderungen des herrschenden Systems, können Ausbeutung, Kriege und noch mehr Umweltzerstörung verhindern – auch das bestreiten wenige. Revolution ist nicht nur notwendig, sondern auch möglich. Dieses ziel müssen wir immer vor Augen haben.