Asylpolitik: Keine Deportationen in den Krieg!
Die Anstrengungen Europas, mithilfe der Türkei die Grenzen für Flüchtlinge dicht zu machen, haben katastrophale Auswirkungen. Zehntausende Flüchtlinge hängen in Lagern im Norden Syriens an der Grenze zur Türkei fest, Assads Krieg im Rücken, den Lauf eines türkischen Gewehrs im Gesicht. Die Flüchtlingslager werden sowohl von Assad-Truppen und ihren russischen Verbündeten als auch vom IS („Islamischer Staat“) angegriffen.
Assads Angriff
Am 5. Mai wurde in der Provinz Idlib das Flüchtlingslager Kamuna in der Stadt Sarmada bombardiert, eine halbe Autostunde nur entfernt von der türkischen Grenze. Der Zivilschutzmitarbeiter Ahmed Shakir sagte gegenüber der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu, dass ein Kampfflugzeug des Assad-Regimes den Angriff geflogen hatte. Die Fotos der Agentur dokumentieren das Ausmaß der Zerstörung: die notdürftigen Zelte sind niedergebrannt, die Bewohner_innen sammeln die wenigen heil gebliebenen Habseligkeiten aus dem Schutt zusammen.
Die Menschen waren vor den Angriffen Assads aus Aleppo, der Provinz Idlib selbst und Latakia geflohen. An diesem Donnerstag starben 30 Menschen, darunter sieben Kinder. 80 weitere Menschen wurden zum Teil schwer verletzt. Der UN-Menschenrechtsbeauftragte Said Raad al-Hussein erklärte in Genf: „Vorläufige Berichte legen nahe, dass diese Angriffe von der syrischen Regierung geführt wurden.“
Es ist dies nicht der erste Angriff Assads auf Flüchtlinge nahe der türkischen Grenze. Bereits am 25. April wurde laut Orient News das Lager Zoof in der Umgebung von Jisr al-Sheghoor in Odlib von einer Drohne attackiert. Elf Menschen wurden durch die sechs Raketen schwer verletzt, die meisten von ihnen Frauen und Kinder. Orient News veröffentlichte Material von einer ganzen Reihe von Angriffen Assads auf Flüchtlingslager in der Provinz Idlib.
Türkei lässt schießen
„Die Grenze sollte ein Schutzort sein, aber sie ist stattdessen eine Barriere, die uns zurück in die Hölle drängt. Alles was wir wollen, ist hier herauszukommen“, sagte Abdul Aziz Rizk, der vor dem Vormarsch der IS-Truppen aus dem Flüchtlingslager Iqdah geflohen ist, zur englischen Tageszeitung The Guardian Mitte April. Der Leiter des Iqdah-Lagers an der türkischen Grenze sagte, dass der IS das Camp, das knapp 10.000 Menschen Zuflucht bot, am Morgen des 14. April eingenommen habe. Die Kämpfer hätten in die Luft geschossen und die Bewohner_innen aufgefordert das Lager zu verlassen.
Ein Bewohner berichtet: „Sie sagten, wir hätten nichts zu befürchten und wir sollten alle nach Osten, in das Territorium des IS gehen. Wir haben das Lager verlassen, jedoch Richtung Norden, durch Olivenhaine hindurch Richtung der türkischen Grenze … Wir waren etwa 2.000 Personen. Als wir uns der Grenzmauer näherten, sahen wir türkische Soldaten auf einem Hügel hinter der Mauer. Sie haben dann einfach das Feuer auf uns eröffnet. Sie schossen auf unsere Füße, woraufhin alle kehrtmachten und in alle Richtungen liefen.“
„16 Migranten, einschließlich drei Kinder, wurden in den letzten vier Monaten von Grenzsoldaten erschossen, als sie versuchten, die Grenze zur Türkei zu überqueren“, berichtet die englische Times auf Berufung der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, der es gelungen ist, zumindest einige dieser Fälle nachzuweisen. Demnach wurde am 6. Februar im östlichen Abschnitt der türkisch-syrischen Grenze nahe der Stadt Ras Al-Ain ein Mann mit einem Kind erschossen. Zwei weitere Migrant_innen sollen am 5. März im westlichen Teil bei Guvveci getötet worden sein.
Die tatsächliche Anzahl der von türkischen Grenzsoldaten Ermordeten dürfte viel höher sein, wie ein Offizier von der Großbritannien unterstützten „Freien Syrischen Polizei“ sowie ein Fluchthelfer der Times bestätigten.
Druck aus dem Westen
Der Fluchthelfer erzählt: „Früher haben türkische Soldaten den Flüchtlingen über die Grenze geholfen, haben sogar ihre Taschen getragen. Aber jetzt schießen sie auf die Migranten.“ Der Druck aus dem Westen auf die Türkei habe die Situation um 180 Grad gedreht.
Laut Amnesty International weist die Türkei täglich 100 syrische Flüchtlinge aus und schickt sie nach Syrien. Nachdem der Landweg über die Türkei und die Balkanroute für sie verschlossen wurde, versuchen mehr Menschen über das Mittelmeer zu flüchten. Diese tödliche Route führt nun über Libyen und das Mittelmeer nach Italien. Von Jänner bis März versuchten laut News 16.000 Menschen über diesen Weg nach Europa zu gelangen. Wer „Grenzen zu“ fordert, nimmt Tote in Kauf.
Wie wir die Grenzen einreißen können diskutieren wir am antikapitalistischen Kongress „Marx is Muss“ (20.-22. Mai). Am Podium mit Anahita Tasharofi (Flucht nach Vorn), Sahara (Flüchtling aus Syrien, Damaskus), Wassim Wagdy (Revolutionäre Sozialisten, Ägypten) und Karin Wilflingseder (Sprecherin Plattfom für eine menschliche Asylpolitik) Melde dich jetzt an: anmelden@marxismuss.at