Neuer FPÖ-Chef Hofer: Kreidefressen macht aus einem Wolf kein Schaf

Mit dem „Kreidefresser“ Norbert Hofer versucht die FPÖ nach dem spektakulären Ende der schwarz-blauen Koalition ein respektables Gesicht zu wahren. Die antifaschistische Bewegung muss ihn mit noch größerer Kraftanstrengung attackieren, als wir den ehemaligen Vizekanzler mit „Strache, du Neonazi!“ angegriffen haben.
20. Mai 2019 |

Gute Journalist_innen haben verstanden, dass man jetzt dem neuen FPÖ-Parteichef Norbert Hofer die respektable Maske zerstören muss. Oliver Das Gupta erkennt in der Süddeutschen Zeitung die Gefahr, weil Hofer „meist ausgesucht höflich formuliert und so einen deutlichen Kontrast bildet zum verlässlich aggressiv auftretenden Strache“. Aber weltanschaulich passe „zwischen die beiden kein Blatt Papier.“ Das Gupta liefert ausführliche Fakten über Hofers brandgefährliche Gesinnung.

Das Gupta hatte mit Leila al-Serori in der großartigen „Akte Strache“ die Neonazi-Vergangenheit von Strache sehr anschaulich aufbereitet. Al-Serori ist eine der Journalistinnen, der nun das Ibiza-Video zugespielt wurde.

Für (deutsches) Volk und Vaterland

Hofer ist Mitglied der rechtsradikalen Burschenschaft „Marko-Germania“ in Pinkafeld. Zu seinem Antritt hat Hofer ein Gelöbnis zur „Erhaltung des deutschen Volkstums“ abgelegt. 2017 ließ er am FPÖ-„Akademikerball“, dem Ball der Burschenschafter in der Wiener Hofburg, in seiner Rede vor einer mehrere Meter hohen schwarz-rot-goldenen Fahne seine deutschnationale Gesinnung durchblicken: „Alle, die wir hier versammelt sind, werden einen Beitrag dazu leisten, damit sich dieses Land, damit sich diese Farben wieder erheben können.“ Zärtlich klopfte er sich auf die schwarz-rot-goldene Schärpe auf der Brust: „Ich trage diese Fahne! Und ich trage sie mit Stolz.“ Was meinte er? Solle sich das „Großdeutsche Reich“ wieder erheben?

Die Vermutung liegt nahe, denn Hofers „Marko-Germania“ bekennt sich wie der Name schon vermuten lässt, zum „deutschen Vaterland, unabhängig von bestehenden  Grenzen“, mit anderen Worten, sie propagiert den „Anschluss“ an Deutschland, wie die Nazis in den 1920er- und 1930er-Jahren. Das am Rande der „Marko-Germania“-Festschrift abgelegte Bekenntnis zur österreichischen Eigenstaatlichkeit ist lediglich eine Formulierung, wie Buchautor Hans-Henning Scharsach festgestellt hat, um „sich drohender Strafverfolgung zu entziehen“.

Verteidigung des „Arierparagraphen“

Die „Marko-Germania“, zu deren Gründungsfestschrift auch der ehemalige Neonazi Jürgen Hatzenbichler beitrug, versteht sich als Elite der Elite und leitet die Zugehörigkeit zum „deutschen Volk“, das ein Anrecht „auf sein Vaterland und seine Heimat“ habe, über das biologisch-rassistische Kriterium der „Abstammung“ ab. Dieses Prinzip schließt Jüdinnen und Juden und „Andersrassige“ von der Mitgliedschaft aus und ist nichts anderes als die Fortsetzung des „Arierparagraphen“ der Nazis unter anderem, vermeintlich harmloseren Namen.

Das „Abstammungsprinzip“ wird bis heute in den Burschenschaften stolz verteidigt – zuletzt im Jahr 2011, als 14 österreichische Burschenschaften im Dachverband Deutsche Burschenschaft (DB) mit anderen rechten Elite-Korporationen eine „Erklärung zum volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ unterzeichneten. Darin protestierte man „gegen jede Bestrebung, die Abstammung als notwendige Voraussetzung deutscher Volkszugehörigkeit allgemein oder in Einzelfällen für entbehrlich zu erklären“.

Volks- und Kulturgemeinschaft

Hofer schrieb die „Volks- und Kulturgemeinschaft“ an prominentester Stelle zurück in das neue Parteiprogramm von 2011, nachdem Jörg Haider die NS-Formulierung in den 1990er-Jahren streichen ließ (einer der Gründe, weshalb er unter Burschenschaftern als „Verräter“ galt). In seiner nur wenige Minuten dauernden Präsentationsrede vor den Delegierten am FPÖ-Parteitag betonte Hofer ausdrücklich, den „wesentlichen“ Passus der „deutschen Sprach- und Kulturgemeinschaft“ wieder aufgenommen zu haben. Auch im Handbuch freiheitlicher Politik (2013), das ebenfalls von Hofer verfasst wurde, zog die „deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft“ wieder ein.

Unter dem stellvertretenden Parteichef Hofer, Zögling seines vormaligen Chefs Heinz-Christian Strache, wurde nach 2005 das Tragen der blauen Kornblume zu feierlichen Anlässen, wie der Angelobung im Parlament, wieder eingeführt. Die Kornblume diente den österreichischen Nazis als Ersatz für das zwischen 1933 und 1938 verbotene Hakenkreuz.

Hofer musste nach heftigen Attacken im Präsidentschaftswahlkampf zugeben, dass die Kornblume sei dem 19. Jahrhundert ein Symbol des antisemitischen „Dritten Lagers“ war und riet seiner Partei, das Zeichen nicht mehr zu tragen. Dass das Ablegen der Kornblume nach 2017 ein rein taktisches Manöver aufgrund des öffentlich Drucks war, beweisen die Tatsachen, dass der niederösterreichische FPÖ-Klubobmann Udo Landbauer nach der Causa ungeniert den Ehrenschutz über den „Kornblumenball“ der FPÖ-Hollabrunn übernahm und im Parlament die Kornblume lediglich durch ein anderes Nazi-Symbol, das Edelweiß, ausgetauscht wurde.

Eine typisch „teutsche“ Karriere

Hofer begann seine FPÖ-Karriere in den 1990er-Jahren als Pressesprecher des burgenländischen FPÖ-Obmanns Manfred Rauter, der die „Zugehörigkeit zur deutschen Nation für alle deutschen Österreicher“ für „unverzichtbar“ hielt. Rauter stellte die Zahl der im Holocaust ermordeten Jüdinnen und Juden infrage und forderte, sich auch „mit den positiven Seiten“ des Nationalsozialismus auseinanderzusetzen.

Nach seinem Aufstieg zum Landesparteisekretär profilierte sich Hofer mit besonders ekelhaft-rassistischen Kampagnen gegen Ausländer, die „Vermischung“ im Grenzland und gegen eine „Moschee“ in Parndorf, weil diese einen „Zuwanderer-Boom“ von Muslim_innen nach sich ziehen würde. Wie Hans-Henning Scharsach recherchierte, verhalf Hofer vor allem „Rechtsauslegern zu Parteikarrieren“, wie dem Burschenschafter Geza Molnar, der sich 2015 demonstrativ mit den rechtsradikalen „Identitären“ zeigte.

Braunes Sprungbrett

Und auch sonst umgibt sich Hofer, der gern einmal NPD-Zeitungen Interviews gibt, mit Rechtsradikalen und verhilft ihnen zu Karrieresprüngen. Seinen ehemaligen Büroleiter, René Schimanek, machte Hofer als Infrastrukturminister zu seinem Kabinettchef. 1987 war Schimanek mit Schlagstock in der Hand zusammen mit dem Neonazi Gottfried Küssel auf einer Demonstration in Wien, die drohte, sich mit Holzknüppeln den Weg zu einer linken Demonstration frei zu prügeln. Darauf im Präsidentschaftswahlkampf von der Bild-Zeitung angesprochen, verteidigte Hofer seinen Kameraden, man dürfe ihm daraus „keinen Strick drehen“.

Herwig Götschober, Sprecher der rechtsextremen Deutschen Burschenschaft (die, wie bereits erwähnt, 2011 das „Abstammungsprinzip“ verteidigte), machte Hofer zum Sprecher für „Soziale Medien“. Götschober, Obmann der Burschenschaft „Bruda Sudetia“ und Mitorganisator des FPÖ-„Akademikerballs“, musste kurzzeitig aus dem Verkehr gezogen worden, weil auch in seiner Bude Liederbücher aufgetaucht waren. Straches ehemaligen Wehrsportkamerad Andreas Reichhardt von der Burschenschaft „Cimbria Wien“ beförderte Hofer zum eigens für Machtpositionen neu eingeführten Generalsekretär.

Hofer übte in seinem unmittelbaren Wirkungsbereich Einfluss auf staatsnahe Betriebe aus. Er machte Arnold Schiefer von der Burschenschaft  „Teutonia“ zum Aufsichtsratschef und Finanzvorstand der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB). Peter Franzmayr, Mitglied der „Oberösterreicher Germanen Wien“, beförderte Hofer zum ASFINAG-Aufsichtsratschef.

Norbert Hofers Lieblingsmaler ist der Burschenschafter Manfred „Odin“ Wiesinger, der beinahe in den oberösterreichischen Kulturbeirat eingezogenen wäre. Wiesinger bedauert die Befreiung Deutschlands vom Nationalsozialismus und geifert – offenbar darauf bedacht, das Wort „entartete Kunst“ zu vermeiden – gegen die „Diktatur des Hässlichen, Minderwertigen, Würde- und Maßlosen in der Kunst“.

Demaskieren

Hans-Henning Scharsach hat im Präsidentschaftswahlkampf eine Faktensammlung an Journalist_innen geschickt, die wir hier noch einmal zur Verfügung stellen. In seinem Buch Stille Machtergreifung: Hofer, Strache und die Burschenschaften (2017) liefert Scharsach weitere Argumente gegen Hofer. Die antifaschistische Bewegung muss diese Belege verwenden und das respektable Image des neuen, Kreide fressenden FPÖ-Chefs Norbert Hofer zerstören.