Margarete Schütte-Lihotzky

Als erste Architektin Österreichs engagierte sich Margarete Schütte-Lihotzky für menschenwürdige Unterkünfte für Arbeiter_innen und beteiligte sich im Widerstand gegen die Nazis. Der Kampf für Frauenrechte und gegen Faschismus, den sie bis ins hohe Alter weiter führte, war für sie eine Selbstverständlichkeit.
7. März 2017 |

Margarete Lihotzky wurde am 23. Jänner 1897 in Wien in eine bürgerliche Familie geboren. Ihr politisches Bewusstsein entwickelte sie schon früh: „Die Deutschnationalen stießen mich schon ab, als ich noch ein halbes Kind war.“ Ihr Vater, obwohl österreichischer Staatsbeamter, war kein Anhänger der Monarchie und vehementer Kriegsgegner. Mit ihm gemeinsam beobachtete sie 1914 die Ankunft des ersten Transports Schwerverwundeter in Wien, was ihren Hass auf den Krieg und Nationalismus antrieb.

1915 wurde sie als erste und einzige Frau an der kaiserlich-königlichen Kunstgewerbeschule (heute Universität für angewandte Kunst in Wien) aufgenommen. Als sie 1919 ihr Architekturstudium abschloss, war sie die erste Architektin Österreichs. Bereits während ihres Studiums erhielt Lihotzky als erste Frau den Lobmeyr-Preis für die Planung einer Kulturanlage.

In der Arbeiterbewegung

1920 nahm sie als einzige Frau an einem Wettbewerb für eine Kleingarten- und Siedlungsanlage auf dem Schafberg teil, wofür sie gemeinsam mit Alois Berger einen Preis erhielt. Ihr Projekt zeichnete sich durch den Einsatz normierter Baubestandteile aus, etwas woran damals keiner der männlichen Teilnehmer gedacht hatte. Bei der Preisverleihung zeigte sich die Jury sehr erstaunt, dass sich hinter ihrem Projekt eine Frau verbarg, denn „keiner der Juroren hatte ausgerechnet der Frau die rationalste Lösung zugetraut“.

Als Architektin kämpfte sie gegen das Wohnungselend der abertausenden obdachlosen Arbeiter_innen. „Denn bestimmend war es schon bei der Berufswahl gewesen, dass es mir wichtiger erschien, dazu beizutragen, das Wohnungsniveau der Massen um beispielsweise 10 Prozent zu heben, als für reiche Leute Villen zu bauen“, schreibt sie in ihrem 2004 erschienenen Buch Warum ich Architektin wurde.

Enttäuscht von Sozialdemokratie

Nach dem Hungerwinter 1916/1917 und angespornt durch die Russische Revolution kam es zu riesigen Arbeiter_innenaufständen. Dabei entstand die Kleingarten- und Siedlerbewegung, in der sich auch Lihotzky engagierte. Durch wildes Siedeln und große Demonstrationen wurden Grund, Subventionen und Baumaterial erkämpft. 1923 trat Lihotzky der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) bei, aus der sie 1927 aus Enttäuschung über die zögerliche Haltung der Partei vor dem kommenden Bürgerkrieg nach der Julirevolte wieder austritt.

1926 ging sie nach Frankfurt am Main, um dort bei der Verbesserung der Lebensumstände alleinstehender und berufstätiger Frauen zu helfen, die aufgrund der niedrigen Löhne oft in Elend lebten. Mit ihrem Entwurf der „Frankfurter Küche“, ein ausgeklügeltes und platzsparendes Küchensystem, erlangte sie internationale Berühmtheit, was ihr jedoch auch zum Verhängnis wurde. Die herausragende Architektin wurde danach auf eine Küchenplanerin mit Liebe zur Hauswirtschaft reduziert. Lihotzky, deren Ziel eigentlich die Befreiung der Frau von der Hausarbeit war, wehrte sich später mit dem Ausspruch: „Ich bin keine Küche!“

Widerstand gegen die Nazis

1927 heiratete Lihotzky den Architekten Wilhelm Schütte und gemeinsam reisten sie in die Sowjetunion, wo sie beim Bau von Arbeiter_innensiedlungen und Kindereinrichtungen halfen. Als dort die Situation für Ausländer_innen immer gefährlicher wurde, reiste das Ehepaar 1938 nach Istanbul, um sich dem antifaschistischen Widerstand anzuschließen. Bald formierte sich eine österreichische Widerstandsgruppe in Istanbul, die die österreichischen Antifaschist_innen aus dem Ausland unterstützte.

1939 trat Schütte-Lihotzky der illegalen Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ) bei und verließ im Jahr darauf auf eigenen Wunsch das sichere Istanbul Richtung Österreich, um vor Ort zu kämpfen. „Oft fragten mich nach 1945 verschiedenste Leute, auch solche, die keineswegs Nazis waren, warum ich denn aus dem sicheren Ausland nach Wien gefahren bin. Immer empört mich diese Frage, immer wieder bin ich entsetzt über die mir so fremde Welt, in der diese Frage überhaupt eine Frage ist“, schreibt sie in Erinnerungen aus dem Widerstand (1985).Sie stellte Verbindungen zwischen dem Widerstand in Österreich und dem Ausland her.

Unermüdlich

22. Jänner 1941 wurde die Aktivistin in Wien verhaftet und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Während ihrer Gefangenschaft im bayrischen Frauenzuchthaus Aichach hielt sie über das „Sprachrohr“ (den Klosettstrang) Kontakt zu ihren Mitgefangenen. So feierten sie auch den 1. Mai mit Reden, Gedichten und dem Singen der Internationale.

Als amerikanische Truppen 1945 das Zuchthaus befreiten, hatte Schütte-Lihotzky 21 Monate Haft und 14 Gestapoverhöre hinter sich, doch sie war ungebrochen. Zurück in Wien ist sie an der Gründung des Österreichischen Friedensrats beteiligt und wurde erste Präsidentin des Bundes Demokratischer Frauen. Als Reaktion auf antisemitische Ausschreitungen in den 1950er-Jahren rief sie ein Frauenkomitee ins Leben, das in der Urania bis in die 1990er-Jahre Filme gegen Faschismus und Krieg, Umweltzerstörung und die Ausbeutung der „Dritten Welt“ zeigte. Am 18. Jänner 2000, fünf Tage vor ihrem 103. Geburtstag starb sie in Wien.

Ausstellung: Widerstand und Befreiung 
Margarete Schütte-Lihotzky im Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1938 – 1945. Margarete Schütte-Lihotzky Raum. 1030 Wien, Untere Weißgerberstraße 41
Ausstellung geöffnet bis 30. Juni 2017
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.