James Ellroy: Perfidia
In diesem Kriminalroman sucht man die Guten vergeblich. Vor dem Hintergrund der Hatz auf japanische Amerikaner_innen nach dem Angriff auf Pearl Harbor breitet James Ellroy seine Saga von Verrat im zutiefst korrupten und rassistischen Los Angeles.
Das Eingreifen der USA in den zweiten Weltkrieg scheint ein Beleg für eine grundsätzlich antifaschistische Haltung der US-Amerikaner_innen damals zu sein. James Ellroy räumt damit in seinem jüngstem Werk „Perfidia“ gründlich auf.
Angefangen mit Detective Dudley Smith, der zum Angriff des mit Nazi-Deutschland verbündeten Japan auf den US-Flottenstützpunkt Pearl Harbor im Dezember 1941 seine ganz eigene Meinung hat: „Die Scheiß-Japsen bombardieren Amerika und treiben es in einen Judenkrieg hinein.“ Ein Ire von Geburt, ist er nach seiner Auswanderung in die USA nicht glücklich damit, dass seine neue Heimat an der Seite des alten Feindes England gegen die Nazis kämpft.
Kurz nach Pearl Harbor entdeckt Dudley Smith die Leichen der amerikanisch-japanischen Familie Watanabe. In ihrem Haus wird NS-Propaganda gefunden. Dudley‘s Konterpart Captain William H. Parker, eine historisch reale Person, wird die Aufsicht über den Fall zugeordnet. Er verabscheut Dudley und seine Polizei-Schlägertruppe, die in Zusammenarbeit mit der chinesischen und mexikanischen Unterwelt mehr mit diversen „Nebengeschäften“, wie Streikbrechen, Mord, Zuhälterei und Drogenhandel beschäftigt sind, als mit der Aufklärung von Verbrechen.
Parker will mit der Korruption im Polizeiapparat der Stadt aufräumen. Doch dazu muss er erst einmal Polizeichef werden. Wobei: Polizeichef werden steht für Parker im Zweifelsfall vor der Bekämpfung der Korruption. Moral und Heuchelei liegen beim religiösen „Whiskey Bill“ nicht weit auseinander.
Parker benutzt den Fall Watanabe, sowie die junge Abenteurerin Katherine Lake und den begabten und opportunistischen Detective Hideo Ashida, um sein eigenes Fortkommen zu befördern. Die gewissenhafte Aufklärung der Ermordung der japanischen Familie soll die Polizei als neutral darstellen, während die Beamten gleichzeitig nach dem Angriff auf Pearl Harbor ihre japanisch-amerikanischen Einwohner_innen massenhaft in Lager stecken und ihre Besitztümer beschlagnahmen. Ein lohnendes Geschäft: sind die meisten doch Gemüsefarmer, wohlhabend dank mexikanischer Schwarz- und Zwangsarbeit.
In „Perfidia“ gibt es keine Figur, der man von ganzem Herzen ein „Happy End“ wünscht.
In „Perfidia“ gibt es keine Figur, der man von ganzem Herzen ein „Happy End“ wünscht. Die Geschichte ist durchgehend aus der Perspektive ihrer Protagonisten erzählt. Vielleicht gibt Ellroy dadurch die Niedertracht seiner Charaktere mit zu wenig Abstand wider. Trotzdem kann man das Buch kaum aus der Hand legen. Denn Ellroy zeichnet mit seiner großartigen Mischung aus Faktenreichtum und phantasievoller Fiktion ein Bild von den USA, das wenig bekannt ist.