Proteste gegen WEF-Gipfel: „50 Jahre leere Versprechungen sind genug“

Diese Woche treffen sich Milliardäre, Prominente und Staats- und Regierungschefs im schweizerischen Davos zum 50. World Economic Forum (WEF). Das Treffen gibt vor, die „Welt zu verbessern“ und das „Klima zu schützen“. Tatsächlich bereitet den Superreichen der wachsende Zorn gegen ihr System zunehmend Kopfzerbrechen.
21. Januar 2020 |

Die 3.000 wohlhabendsten Männer (darunter nur wenige Frauen) – Staats- und Regierungschefs, Industrielle, Bankenchefs und Prominente – diskutieren am 50. World Economic Forum (WEF) in Davos, wie sie noch reicher werden und ihre globale Macht absichern können. Die „verfeindeten Brüder“, wie Marx sie treffend bezeichnete, besinnen sich für ein paar Tage auf ihre gemeinsamen Interessen als Klasse gegen die große Mehrheit der Menschen. Das Forum, gegründet 1971, versteckt diese Absicht auch nicht: Es versteht sich als Plattform für einen „Stakeholder capitalism“, einem „Kapitalismus der Interessensvertreter“.

Doch sie haben Angst, weil sich immer mehr Menschen gegen ihr System wenden. Bereits in der Einladung beklagte WEF-Gründer Klaus Schwab: „Die Menschen revoltieren gegen die wirtschaftlichen ‚Eliten‘, von denen sie sich betrogen fühlen.“ In einer genau zur rechten Zeit veröffentlichten weltweiten Studie des US-Agentur Edelman gaben 56 Prozent der Befragten an, dass der Kapitalismus mehr Schaden anrichtet, als Gutes bewirkt. Nur 36 Prozent haben Vertrauen in die Superreichen und überwältigende 73 Prozent wünsche sich eine Veränderung.

Arm und Reich

Zeitgleich wurde der jährliche Oxfam-Bericht präsentiert. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Die 2.153 Milliardäre auf der Welt besitzen mehr Vermögen als 4,6 Milliarden Menschen (60 Prozent der Weltbevölkerung). Die Zahl der Milliardäre hat sich im letzten Jahr verdoppelt. Das vermögendste ein Prozent hält die Hälfte des Reichtums. Die 22 reichsten Männer alleine besitzen so viel wie alle Frauen über 20 Jahre in Afrika zusammen.

Der Bericht stellt insbesondere die unbezahlte Reproduktionsarbeit von Frauen ins Zentrum. Frauen und Mädchen auf der ganzen Welt besorgen über 75 Prozent der nicht entlohnten Pflegearbeit. Würde man sie dafür bezahlen, wären das 11 Milliarden Dollar pro Jahr. 42 Prozent aller Frauen können keiner regulären  Lohnarbeit nachgehen, weil sie für Kinder und Angehörige sorgen müssen. Und jene, die ein Gehalt bekommen, sind unterbezahlt und leiden unter unregelmäßigen Arbeitszeiten.

Würde man das reichste Prozent nur mit einem halben Prozent über 10 Jahre lang besteuern, könnte man – so der Bericht –117 Millionen neue Arbeitsplätze im öffentlichen Sektor schaffen. Jobs, die wir zur Bewältigung der Klimakrise dringend bräuchten. Auch Amitabh Behar, Chef von Oxfam-Indien erinnert daran, dass sich Menschen diese unfassbare Ungerechtigkeit nicht mehr länger gefallen lassen. „Wenn Sie sich in der Welt umsehen, dann sehen Sie Proteste in mehr als 30 Ländern“, sagte Behar gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters bei der Präsentation des Berichts.

„Erst der Anfang“

Die Klimakrise steht ebenfalls auf der Tagesordnung des Gipfels. Sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) musste zuletzt Alarm schlagen und den „planetaren Notstand“ ausrufen. Aber es sind eben genau Machthaber, Konzern- und Bankenbosse, die diese Krise verursacht haben. Die 100 größten globale Konzerne sind für 71 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen seit 1988 verantwortlich. Millionen Menschen auf der ganzen Welt verlangen auf Protesten, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden.

Greta Thunberg konfrontierte die Mächtigen gleich zu Beginn des Gipfels mit dieser Wucht der Klimabewegung. „Im letzten Jahr wurde ein allgemeines Bewusstsein für die Klimakrise entfacht und es haben sich Allianzen aus vielen Bewegungen gebildet, das war ein Riesenschritt. Aber von einer anderen Perspektive betrachtet hat sich nichts wirklich getan, die Emissionen wurden nicht gesenkt“, sagte Thunberg. Sie stellt in Aussicht, dass sich die Bewegung jetzt radikalisieren muss. „Natürlich haben wir das erwartet. Es braucht vielmehr. Das war erst der Anfang.“

Die nächsten Schritte

In der Zwischenzeit haben Aktivist_innen die Straßen nach Davos blockiert und fordern stattdessen, die „Straßen zur Klimagerechtigkeit“ zu öffnen. „Das WEF vertritt ein Wirtschaftssystem, das soziale Ungerechtigkeiten und die Klimakrise verursacht. Es kann nicht Teil der Lösung sein!“, sagte Mitra Tavakoli, Sprecherin des Bündnisses Strike WEF. „50 Jahre leere Versprechungen sind genug. Jetzt ist Schluss! Schluss mit dem WEF, Schluss mit dem Kapitalismus!“ Schon am Sonntag machten sich hunderte Aktivist_innen von Landquart in einem dreitägigen und 40 Kilometer langen Marsch nach Davos auf.

Die Reichen und Mächtigen, die sich beim World Economic Forum treffen, werden weder für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen, noch die Klimakrise bekämpfen. Der einzige Ausweg aus dem Dilemma ist, das kapitalistische System, das von der Profitmaximierung getrieben ist, ein für allemal loszuwerden.