Fanshen: A Documentary of Revolution in a Chinese Village

Eine Frau, die nichts als Leid kannte, in ihrem Leben gleich zweimal verkauft wurde, einmal als Kind an die Kirche und dann als Mädchen an ihren Ehemann, wird zur Vorsteherin eines Dorfes. Das ist die Bedeutung von Fanshen (chinesisch für Umkehr). Der amerikanische Journalist William H. Hinton erlebte die chinesische Revolution in dem kleinen Dorf „Long Bow“ mit. Sein Buch ist gleichermaßen Analyse der kommunistischen Landreform sowie erzählte Lebensgeschichte hunderter Kämpfer:innen, die eine neue Welt schufen.
13. August 2025 |

Hinton arbeitete 1947 an einer kommunistischen Parteiuniversität als Lehrer für Ackerbau. Seit den 1920 Jahren brodelte in China eine revolutionäre Stimmung, welche sich in Streiks und Aufständen manifestierte. Seit den 30er-Jahren herrschte ein Bürgerkrieg zwischen der kommunistischen und der bürgerlichen Partei Kuomintang, welcher während des japanischen Einmarsches in China 1937 kurzzeitig unterbrochen wurde.

Landreformsbewegung


Mao war die Führungspersönlichkeit der KP-Chinas, die erkannte, dass sie für ihre Revolution nicht auf die Arbeiter:innenklasse, sondern insbesondere auf die Bauernschaft setzen mussten. 1947 startete die KP militärische, und noch viel wichtiger, eine ideologische Offensive. Im Entwurf zu einem neuen Agrargesetz stellte Mao vier klare Grundsätze auf: 1. Aller Grundbesitz von Landbesitzern wird abgeschafft. 2. Das agrarische System richtet sich nach dem Prinzip „Land zum Pflüger“. 3. Die alten Riten von Ahnenschreinen, Tempeln, Klöstern werden abgeschafft. 4. Alle Schulden, die vor der Landreform gemacht wurden, sind erlassen. Diese Grundsätze gaben der aufgewühlten Stimmung ein Ziel. Eine Massenbewegung, wie sie die Weltgeschichte in quantitativen Maßstäben noch nie erlebt hatte, begann. Über 300 Millionen chinesische Bauern stürzten die jahrhundertealte Ordnung. Hinton erkannte den weltgeschichtlichen Augenblick und verließ seinen Lehrstuhl, um die Landreformbewegung mitzuerleben.

Stimme der Ungehörten


Acht Monate lebte, arbeitete und beobachtete Hinton die Entwicklungen im Dorf Long Bow. Das Buch liest sich dadurch wie ein Roman mit Lebensgeschichten, die sich kein Autor jemals ausdenken könnte. Bauern, die losziehen wollen, um die kommunistische Partei zu finden, und fasziniert feststellen, dass es in ihrem Dorf bereits Kommunist:innen gibt, als diese aus der Illegalität hervortreten. Menschen, die vor Monaten noch Sklaven waren und Panik vor ihrer ersten öffentlichen Rede haben. Steigendes Selbstbewusstsein und der unbedingte Wille, mit den historischen Traditionen abzurechnen; Kirchen und Schreine werden in Brand gesteckt. Gleichzeitig fürchten insbesondere ältere Frauen die Abrechnung mit der überlieferten Tradition: Die Macht über die Schwiegertöchter durch die arrangierten Ehen war ihre historische Lebensversicherung. Kommunistischen Frauen gelingt es, diese Differenz zwischen den Interessen älterer und jüngerer Frauen fürs Erste auszugleichen, indem sie die Forderung nach dem Recht für Frauen, Land zu besitzen, nicht die Abschaffung der arrangierten Ehen ins Zentrum stellen.
Diese Kombination aus materialistischer Analyse, biografischer Forschung und politischer Strategie machen das Buch so lesenswert. Immer wieder werden die Kader an Maos Grundsatz, die „progressiven Kräfte entwickeln, die mittleren gewinnen und die reaktionären isolieren“ erinnert.


Natürlich handelt das Buch auch von Karrierismus, Fehlern und überschießender Rache. Klar solidarisch und trotzdem nicht propagandistisch verschönernd, diesen Grundsatz hält Hinton durch. Die chinesische Revolution führte nicht in den Sozialismus, dafür fehlte die führende Rolle der Arbeiter:innenklasse. Als anti-koloniale Revolution gehört sie trotzdem in die Geschichtsbücher des Aufbegehrens gegen Unterdrückung. Und Hinton gab den ansonsten stimmlosen der Weltgeschichte ein Mikrofon.