Arbeiter wollen Betriebsrat gründen – Veloce schmeißt sie raus

Ein Radkurier erzählt uns in einem anonymen Leserbrief, wie der Brief- und Paketzusteller Veloce, mithilfe von Kündigungen versucht die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern.
1. Dezember 2020 |

Aktuell arbeite ich bei der Firma Veloce, die hauptsächlich für private, schnelle Zustellungen von Briefen und Paketen im Raum Wien bekannt ist, als Radkurier. Doch ich stelle keine Bürounterlagen oder Amazon-Päckchen zu, sondern liefere den Kunden, aktuell an Covid-Verdachtsfälle, Corona Testkits und helfe und beobachte die Durchführung des Tests. Am Ende meines Arbeitstages liefere ich die gesammelten Proben zu einer von mehreren Sammelstellen vor einem Wiener Labor. Die Stadt Wien setzt seit September auf uns Radkuriere, um eine schnelle Testung von Verdachtsfällen vorzunehmen und die Blaulichtorganisationen zu unterstützen und zu entlasten. Schnell, umweltfreundlich und unkompliziert sollen die Testungen ablaufen, was sie in der Regel auch tun. SPÖ Stadtrat Hacker war damals sichtlich stolz auf diese großartige Idee. Als Testpersonen und Transporteure wurden uns in der Stellenausschreibung und einigen Medienberichten für diese Arbeit 1.800 Euro netto versprochen.

Doch bereits bei der Einstellung kam die Überraschung. Alle Radkuriere wurden nach dem Kollektivvertrag für 1506 Euro brutto angestellt. Das sind in etwa 1250 Euro netto und somit ganze 550 Euro Unterschied zu den Versprechungen. Um die Differenz zu erklären, wurden Prämienzahlungen angekündigt. Diese solle sich monatlich so ändern, dass möglichst viele Fahrer auf ihre 1800 Euro kommen. Bisher wurden diese Prämien nicht ausgezahlt und neue Prämienregelungen nicht schriftlich an uns Fahrer weitergegeben.

Covid-19-Tests an den Fahrern wurden bisher auch nicht durchgeführt, obwohl jeder Fahrer täglich Kontakt mit unzähligen Verdachtsfällen hat. Tests wurden privat veranlasst und Kontaktpersonen noch vor Ablauf der zehntägigen Absonderung zum Arbeiten aufgefordert, weil dies angeblich erlaubt sei. Das Bezirksgesundheitsamt wusste auf Anfrage nichts davon. Die den Fahrern zustehende Arbeitskleidung wurde bisher nur teilweise ausgegeben, Regenhosen oder Winterkleidung steht in den gewissen Größen nicht zur Verfügung, obwohl der Kollektivvertrag dies vorschreibt. Aus diesen Gründen, einer Kündigungswelle und einer schlechten Kommunikation der Geschäftsführung mit uns Kurieren, haben sich einige Fahrer zusammengeschlossen, um einen Betriebsrat zu gründen. Dieser sollte nicht nur Sicherheit für die radelnden Arbeiter schaffen, sondern auch firmenintern die Kommunikation fördern. Ein Termin für eine Gruppenversammlung wurde am 23.11.2020 für den 7.12.2020 fixiert. Noch am selben Tag wurden uns Fahrern jeweils 10 Wochenstunden reduziert. Drei Tage später, am 26.11. wurden Kündigungen per E-Mail versandt. Sie betreffen jene Mitarbeiter, die sich aktiv für einen Betriebsrat einsetzten und die Verständigung an das Unternehmen unterschrieben haben.

Jetzt haben wir die perverse Situation, dass ein sehr gutes Projekt, das von einem SPÖ Stadtrat über die MA15 ausgeschrieben wurde, an ein Unternehmen wie Veloce abgegeben wurde. Dieses Unternehmen versucht, wie auch schon vor 16 Jahren bei den „klassischen“ Radkurieren einen Betriebsrat zu verhindern, indem es augenscheinlich Motivkündigungen ausspricht. Dank Stundenreduktionen bleibt vielen Fahrern nun weniger Geld als sie in der Arbeitslose bekommen würden, dennoch bleiben viele im Sinne der Gesundheit Wiens im Dienst bis zu ihremVertragsende. Ich hoffe, die Situation bessert sich für alle aktuellen und zukünftigen Fahrer, bis dahin heißt es weiterhin >>Liefern am Limit<<.

Auch der Steuerzahler sollte sich überlegen, ob er weiterhin solche Projekte unterstützen möchte. Faire Arbeitsbedingungen, soziale Absicherung und Einkommenssicherheit sollten bei zukünftigen Vergabeprojekten berücksichtigt werden, ein ohnehin aussichtslos anmutender Arbeitsmarkt öffnet ansonsten weitere Türen, die Angestellten und ArbeiterInnen diverser Branchen empfindlich schaden.

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