Die Taliban: US-gemachter Terror

Nach zwei Jahrzenten westlicher Besetzung ist die Talibanbewegung dabei die Kontrolle über Afghanistan wiederzuerlangen. Nick Clark hat sich mit dieser Gruppe auseinandergesetzt. Übersetzung von Matthias Bauer (zuerst erschienen auf Socialist Worker).
23. August 2021 |

Hunderttausende Menschen sind auf der Flucht nachdem die Taliban große Bereiche Afghanistans unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die bewaffnete islamistische Bewegung, welche vor 20 Jahren durch den Einmarsch der USA gestürzt wurde, könnte bald wieder an der Macht sein. Als die Taliban in den 1990ern Afghanistan regierten, setzten sie ein brutales, erdrückendes und reaktionäres Regime durch. Das ermöglichte es den USA ihre Invasion im Jahr 2001 als einen Befreiungskampf auszugeben, der Afghanistan aus dem „Mittelalter“ herausholen sollte.

Tatsächlich stellen die Taliban an sich aber nicht das reaktionäre oder rückschrittliche Element der afghanischen Gesellschaft dar. Die Bewegung – und ihre spezielle Ausprägung von Islamismus – sind eigentlich erst vor kurzen nach Afghanistan gekommen. Und sie hätten 1995 nicht so rasch die Kontrolle an sich reißen können, hätte es das Chaos nicht gegeben, das die von den USA unterstützten Kämpfer dort nach dem Kalten Krieg hinterlassen hatten.

Davor befanden sich mehrere verfeindete islamistische Gruppen im Kampf um die Kontrolle von Afghanistan – die Mudschaheddin. Diese wurden von den USA bewaffnet und finanziert um gegen die russische Besatzungsmacht zu kämpfen, welche 1979 in Afghanistan einmarschiert war. Einiges an Widerstand gegen die russische Besatzung kam von lokalen Guerrillagruppen, die eher in einzelnen Dörfern und Siedlungen organisiert waren, anstatt in einer gemeinsamen Organisation. Aber die USA sah die Unterstützung der Mudschaheddin als eine Möglichkeit ihrem größten globalen Rivalen eine Niederlage zuzufügen. Jedoch sobald die Russen gezwungen worden waren abzuziehen, kämpften die Gruppen der Mudschaheddin gegeneinander, da die jeweiligen Führer alle ihre eigene Interessen und Vorstellungen zur Regierung des Landes hatten.

Die Taliban erhob sich als Alternative zu all diesen Gruppen. Ihre Mitglieder und Kämpfer sind als Schüler in Religionsschulen von afghanischen Flüchtlingsheimen im benachbarten Pakistan groß geworden. Diese Schulen waren von den USA und ihrem Verbündeten Saudi-Arabien unterstützt, um afghanische Flüchtlinge in ihrer Einflusssphäre zu halten. Dort wurde eine konservative und strenge Version des Islam gelehrt, die dem saudischen Wahhabitentum näher steht, als an den Strömungen die in den meisten Teilen Afghanistans verbreitet waren.

Zustimmung

Mit der Zustimmung von Pakistan und den USA betraten die Taliban Afghanistan und übernahmen dort rasch die Kontrolle des Landes. Für gewöhnliche Menschen repräsentierten die Taliban Ordnung und Sicherheit inmitten kriegerischer Zerstörung. Für die USA wirkten die Taliban wie eine stabile Regierung mit der Deals abgeschlossen werden können. Unter anderem wurde ihnen erlaubt eine Pipeline durch den Nordwesten des Landes zu legen.

Aber die Taliban waren nicht nur eine Marrionette der USA. Sie hatten ihre eigenen Interessen und Vorstellungen, die mit amerikanischer Kontrolle im Widerspruch standen. Sie beherbergten auch Gruppen, die die Macht der USA herausforderten, wie etwa Al Quaida. Zum Jahrtausendwechsel wollten amerikanische Generäle erneut ihre Dominanz über den Globus unter Beweis stellen. Die USA war bereits in Kriegsstimmung als Al Quaida am 11. September angriff. Also marschierten sie in Afghanistan ein, um klarzustellen, dass jeder, der es wagt die USA anzugreifen, vernichtet wird.

Es war außerdem eine Vorbereitung um zwei Jahre später in den Irak einmarschieren zu können. Aber auch wenn die Besatzung die Taliban stürzen konnte und durch eine Regierung ersetzte, die den USA freundlicher gesonnen war, gelang es ihnen nicht die Taliban zu zerstören. Stattdessen wurden die Taliban zu einem dezentralen, aufständischen Guerillanetzwerk mit einer Führung, die von Pakistan aus agierte.

Überleben

Leid und Armut, die durch die Invasion entstanden – und der Hass auf die Gräuel, die von den besetzenden Armeen verübt wurden – trieben viele junge Afghanen in die Ränge der Taliban. Die Taliban waren eine Möglichkeit, um zur Abwechslung mal zurückzuschlagen. Sie stellten eine Schattenregierung, zahlten ein Gehalt und boten bessere Überlebenschancen. Darum konnte die USA Afghanistan nie soweit kontrollieren, wie sie das gerne getan hätten. Stattdessen haben die Taliban mittlerweile 60.000 Vollzeitkämpfer und einige freiwillige Unterstützer. Ihre Unbeugsamkeit, die sie jetzt wieder an die Macht gebracht hat, ist nicht nur eine beschämende Niederlage für den US-Imperialismus – sie ist ein direktes Resultat daraus.