Die vielen Lügen um das Nazi-Symbol der Kornblume

Bei Angelobungen im Nationalrat tragen Freiheitliche die blaue Kornblume. Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer musste im Wahlkampf zugeben, dass die Kornblume seit Beginn des 19. Jahrhunderts das Symbol des Dritten Lagers war. Neue Linkswende veröffentlicht Teile einer umfangreichen Faktensammlung vom renommierten Buchautor Hans-Henning Scharsach.
23. November 2016 |

Nach den unendlichen Lügengeschichten der FPÖ – von der Fiktion der „blauen Blume der Romantik“ (Novalis, eigentlich Georg Philipp Friedrich von Hardenberg, hat diese nie als Kornblume bezeichnet) über das allen historischen Erkenntnissen widersprechende Symbol der „Freiheitsbewegung von 1848“ bis zur burschenschaftlichen Erfindung der „Europablume“ – war es ausgerechnet Norbert Hofer, der mit der Wahrheit herausrückte – allerdings in einer Form, die nur historisch informierten die Einordnung erlaubte.

Im Präsidentschaftswahlkampf rückte er unter dem Druck von Journalistenfragen doch mit der Wahrheit heraus: Die Kornblume war seit Beginn des 19. Jahrhunderts Symbol des „Dritten Lagers“.

Schönerers Antisemitismus

Das klingt harmlos, ist es aber nicht. Für die Parteien des Dritten Lagers – vor allem für die „Alldeutschen“ des rabiaten Antisemiten und Burschenschafters (Libertas) Georg Ritter von Schönerer, die die Kornblume im Parteilogo trugen, war diese vor allem Symbol ihres im Parteiprogramm festgeschriebenen Judenhasses. Als „Erfinder“ des „Rassen-Antisemitismus“ wurde Schönerer zum „geistigen Vater“ von Adolf Hitler, wozu sich dieser in „Mein Kampf“ ausdrücklich bekannte.

Im Programm von Schönerers Alldeutschen findet sich das „Gebot der Abwehr gegen den „Fremdkörper Judentum“. Schönerer forderte die Entfernung von Juden aus Staatsdienst, Schulen, Universitäten, Vereinen und Zeitungen. Er rief zur „Ausrottung parasitärer Rassen“ auf, „wie man Giftschlangen und gefährliche Raubtiere eben ausrotten muss.“ 1900 verlangten die Alldeutschen im Wiener Parlament, eine Prämie für jeden „niedergemachten Juden“ auszusetzen.

Illegale Nazis

Dass er das ernst meinte, zeigt der Überfall auf das Neue Wiener Tagblatt. An der Spitze von 28 Gleichgesinnten war Schönerer in die Redaktion des „Judenblattes“ eingedrungen, hatte Redakteure bedroht und geschlagen, was Historiker als „ersten Akt des rechten Terrors“ bezeichneten.

Die Kornblume des Parteiabzeichens von Schönerers Alldeutschen wurde als Symbol des Judenhasses von Studenten am Revers getragen. In der Verbotszeit (1933-1938) war die Kornblume Erkennungszeichen der illegalen Nazis. Sie ersetzte NS-Symbole, deren Tragen unter Strafe stand – wie etwa das Hakenkreuz.

Gesinnungsbekenntnis

Schon mehrfach hat das Tragen der Kornblume politische Skandale ausgelöst. Österreichs ehemaliger Innenminister Oskar Helmer (1945-1959) ließ den steirischen Landesverband des Verbands der Unabhängigen (VdU, Vorgängerorganisation der FPÖ) wegen des Tragens von Kornblumen und Nazi-Outfit zwangsweise auflösen, weil darin „NS-Symbole zu erkennen sind.“

Nicht nur in der Zwischenkriegszeit war die Kornblume Erkennungszeichen illegaler Nazis. Sie ist es bis heute geblieben. Bei Veranstaltungen der neonazistischen AFP (Arbeitsgemeinschaft für demokratische Politik) wird sie von Besuchern getragen. Der „Bund freier Jugend“, die neonazistische Nachwuchsorganisation der AFP, führt sie im Vereinsabzeichen.

Als Symbol von Schönerers Alldeutschen markiert die Kornblume den Beginn des Weges, der im fabriksmäßig organisierten Massenmord in den Konzentrationslagern des Nationalsozialismus endete. Das Tragen der Kornblume bei offiziellen Anlässen ist eine offene Verhöhnung der Opfer des NS-Terrors. Ein Bundespräsident, dessen Fotos mit diesem Nazi-Symbol um alle Welt gingen, wäre eine Schande für dieses Land.

Der ursprüngliche Text wurde gekürzt und redaktionell bearbeitet.
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.