Geo-Engineering lässt Politikversagen unberührt

Geo-Engineering ist in den meisten Fällen die wohl schlechteste Antwort auf die Klimakrise. Aus der Sicht kommender Generationen ist es ein gefährliches Spiel auf Zeit und eine Ablenkung von dringend nötigen Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Anpassung an Klimaveränderung.
28. Oktober 2019 |

Seit Paul Crutzen, ein verdienter Klimawissenschaftler, 2006 ernsthaft erwogen hat, künstliche Methoden zur Manipulation des Weltklimas einzusetzen, wird Geo-Engineering sehr kontroversiell diskutiert. Die Überlegung, das Klima künstlich zu beeinflussen, ist allerdings viel älter. Schon zu Beginn des Kalten Kriegs hat etwa die russische Führung erwogen, die Meerenge der Beringsee zu blockieren, um Sibiriens Temperaturen zu heben.

Sunblocker und CO2-Speicher

Schon im Jahr 1889 schrieb der visionäre Science Fiction-Autor Jules Verne das Buch Der Schuss am Kilimandscharo. Seine Protagonisten planen durch das Abfeuern einer gewaltigen Kanone am Kilimandscharo, die Erdachse mittels Rückstoßeffekt gerade zu rücken und damit die Jahreszeiten abzuschaffen. Jules Verne lässt sie im Roman scheitern. Die von Crutzen vorgestellte Methode, Schwefelpartikel in die Atmosphäre einzubringen, soll Sonnenlicht in den Weltraum reflektieren, und so die Temperatur senken. Ähnliches sollen reflektierende Flächen leisten. Roger P. Angel von der Universität von Arizona hat vorgeschlagen, eine Unmenge von ca. 60 Zentimeter breiten reflektierenden Scheiben in eine stabile Umlaufbahn um die Erde zu bringen. Meerwasser hunderte Meter hoch zu sprühen und so die Formierung von Wolken über den subtropischen Meeren zu bewirken, soll ebenfalls einfallende Sonnenstrahlen blockieren oder reflektieren. Solche Verfahren werden als „Solar Radiation Management“, kurz SRM, bezeichnet, also das Management der Sonneneinstrahlung.

Eine zweite Gruppe von Geo-Engineering Verfahren will Kohlendioxid aus der Atmosphäre entfernen und lagern, und so den Treibhauseffekt bremsen. Diese werden als „Carbon Dioxide Removal“, kurz CDR zusammengefasst. Weil hier Emissionen rückgängig gemacht werden, spricht man auch von negativen Emissionen, oder „Negativen Emissionstechnologien“. CO2 technologisch einzufangen und zu lagern, wird niemals im nötigen Maßstab funktionieren, aber dazu zählen auch Methoden, Kohlendioxid an Land oder im Meer zu binden: Planktondüngung, Aufforstung, Anreicherung von landwirtschaftlichen Böden mit Humus, oder Wiedervernässung von Mooren und die Erzeugung von Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Speicherung (BECCS) werden hier meist genannt. Bäume und Humus speichern große Mengen an CO2, allerdings sind diesen Methoden natürliche Grenzen gesetzt, begrenzte Agrarflächen, knappe Nährstoffe oder die Verfügbarkeit von Wasser. Innerhalb dieser Grenzen werden Negative Emissionstechnologien, parallel zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen, eingesetzt werden müssen, um das Klima zu stabilisieren. Davon gehen die Rechenmodelle des Weltklimarats aus.

Ozeane werden saurer

Würde die Menschheit zu den genannten SRM-Methoden greifen, ohne zuvor oder gleichzeitig die Emissionen von Kohlendioxid massiv zu senken, dann würden die Meere weiter saurer werden, bzw. weniger basisch. Ungefähr die Hälfte des menschgemachten atmosphärischen CO2 wird von den Ozeanen aufgenommen. Im Wasser reagiert das CO2-Molekül zu Kohlensäure. Weniger basisches Meerwasser hätte schwerwiegende Folgen für viele Lebewesen, die Kalzium für ihre Exo- oder Endoskelette benötigen, von Plankton bis zu den Wirbeltieren und den komplexen Nahrungsketten an deren Anfang Plankton steht. Schon eine geringere Ansäuerung der Ozeane als sie derzeit im Gange ist, führte im Laufe der Erdgeschichte mehrfach zu schweren Rückgängen der biologischen Vielfalt bzw. Massenaussterben.

Dürrekatastrophen

Eine Steigerung der Albedo (Reflexion des Sonnenlichts) durch stratosphärische Schwefelinjektionen in Erwägung zu ziehen, basiert auf den Beobachtungen der Folgen von Vulkanausbrüchen, bei denen Unmengen von Schwefelpartikeln in die Atmosphäre geschleudert wurden. Der Ausbruch des Pinatubo auf der indonesischen Insel Luzon im Jahr 1991 injizierte 20 Megatonnen Schwefeldioxid in die Stratosphäre, erzeugte so Wolken von Schwefel-Aerosolen, die über Jahre eine Abkühlung des Klimas zur Folge hatten. Allerdings zeigten Wissenschaftler des National Center for Atmospheric Research im Jahre 2007, dass die Eruptionen auch riesige Auswirkungen auf den Wasserhaushalt vieler Regionen hatten, auf die Regenmenge, die Bodenfeuchtigkeit und die Flüsse. Man hat auch beobachten können, wie Vulkanausbrüche den Monsun in Asien und Afrika abschwächen. Tatsächlich trugen die acht Monate dauernden Eruptionen (1783-1784) aus der Laki-Spalte in Island zu Hungersnöten in Afrika, Indien und Japan bei. Auch moderne Rechenmodelle gehen davon aus, dass Geo-Engineering Verfahren hunderte Millionen Menschen Dürrekatastrophen und Hunger aussetzen werden.

Ozon-Vernichtung

Die Partikel der Schwefelaerosole werden in der Stratosphäre zu Reagenzflächen für chemische Reaktionen, die Ozon zerstören, ganz ähnlich dem Mechanismus, der in den polaren Regionen zur Entstehung des Ozonlochs geführt hat. Ohne dem Schutzschild des Ozons in der Stratosphäre dringt gefährliche UVB-Strahlung bis zur Erdoberfläche, mit all den bekannten Folgen für Flora und Fauna. Das Ozonloch ist erstmals seit Jahrzehnten dabei, sich zu stabilisieren und man hofft auf eine Erholung der Ozonschicht in den nächsten Jahrzehnten. Der Eintrag von Ozon-zerstörenden Substanzen in die Stratosphäre würde alle Bemühungen, die Ozonschicht zu stabilisieren, wieder zunichte machen.

Temperatur und Niederschläge

Man könnte mit technischen Mitteln vielleicht für einen bestimmten Zeitraum die Temperaturen senken, aber nicht ohne verheerende Nebenwirkungen. Die schon bekannten Folgen rascher Temperatursenkung sind alarmierend. Die Temperaturen würden sich nicht überall gleich ändern. Eine Region auf einer Seite einer Bergkette könnte Abkühlung und mehr Regen erleben, die andere Seite kann von Dürre und Hitze betroffen sein. Die Beobachtungen der Folgen von Vulkanausbrüchen und aufwändige Rechenmodelle kommen hier zu denselben Schlüssen.

Regionale Konflikte

Verteilt man Schwefel in der Stratosphäre, dann kommt der Schwefel eines Tages als Niederschlag auf die Erdoberfläche zurück. Mit gravierenden Folgen ist zu rechnen, weil es schon bestehende Verschmutzung verschlimmern würde. Abgesehen von der Umweltbelastung durch die benötigten Raketen oder den kommerziellen Flugzeugen, denen Schwefel in den Treibstoff gemischt werden könnte, um ihn auszubringen. Um Roger P. Angels Vorschlag, Billionen reflektierender Scheiben in den Orbit zu schießen, zu realisieren, bräuchte es 20 Raketenwerfer, die 20 Jahre lang alle 5 Minuten eine Rakete, beladen mit 800.000 Scheiben, in den Orbit schießen.

Wer würde entscheiden dürfen, mit welchen Methoden und in welchem Ausmaß solche Maßnahmen eingesetzt werden? Unter den Machtstrukturen, die wir heute kennen, wären es die mächtigeren Nationen. Wie würde ein Land wie Indien auf Dürrekatastrophen reagieren, die durch Geo-Engineering-Maßnahmen seiner Nachbarn China oder Pakistan verursacht wurden? Die USA haben in der Geschichte schon mehrfach Wetter für militärische Zwecke manipuliert. Sie haben beispielsweise Regen im Vietnamkrieg ausgelöst, um die Versorgungslinien der Guerilla zu unterbrechen. Es ist davon auszugehen, dass auch Methoden, die zur Bewältigung der Klimakrise entwickelt werden, in das Waffenarsenal der imperialistischen Nationen aufgenommen würden.

Investitionen

Für die meisten der vorgeschlagenen Methoden von Geo-Engineering gibt es bisher keine Vorstellung für den finanziellen Aufwand. Aber er muss gigantisch sein. Billionen reflektierender Scheiben in den Orbit zu bringen, würde nach Schätzung von Angel einige Billionen US-Dollar kosten. In jedem Fall werden die Kosten um einige Dimensionen höher sein, als es derzeit die Investitionen in den Klimaschutz sind. Diese Tatsache alleine ist Grund genug, die Vorbereitung der meisten Geo-Engineering Verfahren aufzuhalten. Stattdessen müssen alle verfügbaren Mittel verwendet werden, um den Ausstieg aus der Förderung und Nutzung fossiler Energieträger voranzutreiben.

Politik von Geo-Engineering

Technologische Antworten auf die Klimakrise sind natürlich verführerisch für die politischen und wirtschaftlichen Eliten von heute. So scheint es ein technisches, kein politisches Problem zu sein, vor dem wir stehen. Sie erlauben ihnen weiterzumachen wie bisher. Und sie erlauben ihnen, uns zu vertrösten: Ist die Technologie erst einmal ausgereift, dann wird mit ihrer Hilfe irgendwann einmal die Erde gerettet. Der Schwarze Peter wird einfach an künftige Generationen weiter geschoben. Für die wird es dafür unmöglich, die Katastrophe noch abzuwenden, denn es sind die wenigen kommenden Jahre, in denen wir mit drastischer Senkung der Emissionen das noch erreichen können. In fünfzig oder hundert Jahren wird man der globalen Erwärmung nicht mehr gegensteuern können, sie hat sich dann längst selbstständig gemacht. Wir stehen heute und nicht erst Generationen später vor der Entscheidung: Abkehr von fossilen Brennstoffen oder „runaway climate change“.