Justiz ist keine Hilfe im Kampf gegen Faschismus

Der Verfassungsgerichtshof hat der FPÖ Recht gegeben. Er hat sich damit auf ihre Seite geschlagen und sich gegen die Wähler_innen Van der Bellens gestellt. Er hat eine demokratisch getroffene Wahlentscheidung aufgehoben.
4. Juli 2016 |

Zu früh geöffnete Briefwahlkuverts; Wahlkarten, die teilweise zu bald, teilweise von Beamten statt von der Wahlkommission ausgezählt wurden. Die Mitglieder von 20 Bezirkswahlkommissionen berichteten den Verfassungsrichtern von zahlreichen Unregelmäßigkeiten im zweiten Urnengang der Präsidentschaftswahl. Durchwegs wurden in den Wahlprotokollen dazu falsche Angaben gemacht.

Hatte Strache Informanten?

Wie es kommt, dass FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, sein Vize Johann Gudenus und Hofer selbst schon am Wahlabend davon gewusst haben, sollte stutzig machen. Die FPÖ-Wahlhelfer in den untersuchten Bezirken haben samt und sonders die Wahlprotokolle unterzeichnet und (zu Unrecht?) einen ordnungsgemäßen Ablauf bestätigt.

Haben sie am Wahlabend etwa in der FPÖ-Parteizentrale angerufen und erzählt, dass die Stimmenauszählung mit ihrem Zutun irregulär abgelaufen ist? Dass sie zum Teil gar nicht anwesend waren?

Verfassungsgerichtshof ist politisch

Wer denkt, der Verfassungsgerichtshof (VfGH) sei eine unpolitische, über der Alltagspolitik stehende Institution, irrt gewaltig.

Hat der VfGH etwa den Opfern der Nazidiktatur zu ihrem Recht verholfen? In Kärnten, wo die slowenische Bevölkerung den Widerstand gegen die Nazis getragen hat und dafür systematisch unterdrückt wurde, wurden ihr nach dem Krieg viele ihrer Grundrechte als nationale Minderheit verweigert – trotzdem die Verfassung diese Grundrechte genau regelt.

Die Verfassungsrichter konnten jahrzehntelang nicht einmal die Errichtung zweisprachiger, deutscher und slowenischer, Ortstafeln durchsetzen. Einmal war Jörg Haider dagegen, dann Gerhard Dörfler, immer die deutschnationale Organisation Kärntner Heimatdienst (KHD) – und sie haben sich durchgesetzt. Die slowenische Bevölkerung musste sich mit einem Kompromiss zufrieden geben und konnte nicht auf die Verfassung pochen – ihre Gegner waren die Rechten.

Verfassung à la carte

Wie sieht es mit den in der Verfassung verankerten Rechten von Flüchtlingen aus? Österreich verstößt immer wieder gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, obwohl diese hierzulande im Verfassungsrang steht. Flüchtlinge, ja sogar Minderjährige und Folteropfer werden in Schubhaft gesteckt, obwohl das ganz klar und deutlich gegen die Genfer Flüchtlingskonvention verstößt.

Aber hier sind Schwache die Beschwerdeführer und der VfGH hat vor dem Druck von rechts ganz schlicht und einfach kapituliert. Wenn die FPÖ und eine Serie von Bundesregierungen lauthals darauf beharren, Unschuldige in Haft zu stecken, dann hat der Verfassungsgerichtshof dem herzlich wenig entgegenzusetzen. Er kann Einzelklagen behandeln, einzelnen Flüchtlingen Recht geben, wenn diese sich einen Anwalt und eine Beschwerde beim VfGH leisten können, aber die Verfassung gegen den Willen der Rechten durchsetzen, dazu ist er entweder nicht imstande oder auch nicht willens.

VfGH ignoriert Wählerwillen

Solche nüchternen Beobachtungen dürfen uns allerdings nicht beunruhigen, sie sind vor allem eine Bestätigung für eine alte Weisheit: Man kann die Rechten nicht mithilfe des Staates bekämpfen. Der historische Faschismus in Deutschland und Italien ist mit Unterstützung des Staates und all seiner Institutionen an die Macht gekommen. Justiz, Polizei, Militär und der Beamtenapparat haben als Institutionen ihren Aufstieg gefördert und widerstandslos der Diktatur gedient.

Die jüngste Vergangenheit liefert uns genügend Gründe die Justiz nicht als Verbündeten zu sehen – und trotzdem sind wieder Millionen Menschen schockiert darüber, mit welcher Leichtigkeit der VfGH ihre Stimme gegen den rechtsextremen Burschenschafter Hofer für ungültig erklärt hat.

„Wahnfried“ gegen Josef

Dabei erinnern sich zumindest alle aktiven Antifaschist_innen daran, dass ein Gericht 2014 zwei Gewerkschafter verurteilt hat, die von einer Nazitruppe überfallen wurden und die meisten angreifenden Nazis frei gesprochen hat. Wir erinnern uns an das Urteil gegen Antifaschist Josef S., der 2014 gegen den Ball der deutschnationalen Burschenschafter demonstriert hat, und sechs Monate lang in Untersuchungshaft gesessen ist.

Wie Hans Rauscher im Standard treffend zuspitzt, bestätigte das Oberlandesgericht das Urteil gemäß einer „Verfahrensempfehlung“ des Generalanwalts in der Generalprokuratur Harald Eisenmenger, vorher unter dem Corpsnamen „Wahnfried“ Mitglied der schlagenden Verbindung „Arminia“, einer der rechtesten Burschenschaften. Rauscher fragt weiter, was die Justiz gegen die rechtsextremen Identitären unternehme. Nichts!

Wahlwiederholung: Jetzt Dynamik auf der Straße bestimmen!

Verabschieden wir uns von allen Illusionen in die Justiz und stützen wir uns auf die Millionen, für die Demokratie mehr bedeutet als der durch die Gerichte entwertete Text in der Verfassung. Demokratie verlangt von uns, dass wir sie aktiv verteidigen, auch wenn sich der Staat auf die Seite der Gegner der Demokratie gestellt hat.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.