Wahlwiederholung: Jetzt Dynamik auf der Straße bestimmen!

Die Atempause, die wir nach der knappen Niederlage des FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer bekamen, ist kürzer als erwartet. Die Ereignisse haben uns mit der Aufhebung des zweiten Wahlgangs durch den Verfassungsgerichtshof eingeholt. Die FPÖ hatte die Wahl offiziell angefochten, um den für sie noch nie dagewesenen Erfolg in der Zweiten Republik maximal auszuschlachten.
2. Juli 2016 |

Die Situation ist alamierend. Der FPÖ könnte mit der erfolgreichen Anfechtung der Präsidentschaftswahlen der Aufbau einer Aktivistenmaschine gelingen, die brandgefährlich für die Demokratie in Österreich werden kann. Nun hat der Verfassungsgerichtshof scheinbar bestätigt, was man bereits Wochen vor der Wahl behauptet hatte: „die da oben“ hätten einem den Sieg geraubt. Die Freiheitlichen werden im neuerlichen Wahlkampf motivierter sein, als zuvor.

Verschwörung

FPÖ-Funktionäre fantasierten in der Öffentlichkeit eine abstruse Verschwörung herbei. Man stilisierte sich zum Opfer und panschte das „System“, eine diffuse „Elite“ aus den etablierten Parteien, der „Lügenpresse“, den Bilderbergern, Wirtschaftsflüchtlingen, Finanzmagnaten, Linke und so weiter zu demselben verabscheuungswürdigen Establishment zusammen. Dieser gemeinsame Feind vereint das eigene Lager, das irgendwann imstande sein könnte Einwandererviertel, Flüchtlinge und Linke zu terrorisieren.

Der FPÖ ging es bei der Wahlanfechtung in erster Linie nicht um eine Neuaustragung, sondern darum, die neugewonnen Wähler_innen näher an den Parteikern zu ziehen. Einen Eindruck davon konnte man nach der Ankündigung der Neuwahlen auf den Facebook-Seiten von Norbert Hofer und dem blauen Parteichef Heinz-Christian Strache bekommen: Nun habe man die Bestätigung, dass man „beschissen“ wurde, das „gemogelt“ wurde, und man erklärte, dass die „Verbrechen der Politik“ jetzt gerächt würden.

Nur auf eigene Stärke verlassen

Im Kampf gegen Faschismus können wir uns offensichtlich nicht auf den Staat verlassen. Der Verfassungsgerichtshof entschied auf Neuwahlen, da es bei rund 77.926 Briefwahlstimmen Unregelmäßigkeiten gegeben habe, und damit Einfluss auf das Wahlergebnis denkbar gewesen wäre – obwohl kein einziger Zeuge im Verfahren über Manipulationen berichtet hatte.

Faschismus kam niemals aus eigener Stärke an die Macht, sondern nur mit der bewaffneten Schutzmacht des Staates. Antifaschist_innen mussten genau diese Erfahrung zwei Wochen nach der Wahl machen, als die Polizei den Neonazis der „Identitären Bewegung“ den Weg unter Einsatz von literweise Pfefferspray freiräumte. Die Rechte überhaupt – Faschisten, die rechten Polizeibeamten und rassistische ÖVP-Politiker – wittern derzeit die Chance, den Staat unter Rückgriff auf Sündenbockpolitik noch autoritärer zu machen.

Auf der Straße sind wir stark

Wir dürfen aber auch nicht der Versuchung erliegen, die Kräfteverhältnisse nur über das Fenster von Parlament und Wahlen zu sehen. Jene Menschen, die in der Flüchtlingshilfe aktiv sind, tagtäglich gegen Rassismus aufstehen und sich in solidarischen Protesten engagieren, können die Dynamik, das politische Klima und letztlich auch Wahlen beeinflussen.

Auf der Straße haben die Solidarischen das Sagen. Sie konnten jeden Versuch der FPÖ auf der Straße Fuß zu fassen und gegen Asylheime und Moscheen zu marschieren, vereiteln und ihre zahlmäßige Überlegenheit beweisen. Und dabei bleibt die Bewegung noch weit unter ihren Möglichkeiten.

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Über eine Million Menschen waren in Österreich direkt in der Flüchtlingshilfe aktiv, und über eine Million hat im zweiten Wahlgang angegeben, dass sie Norbert Hofer als Präsident verhindern wollten. Wir müssen diese Million Kämpfer_innen zurück auf die politische Bühne holen. So können wir Norbert Hofer als Bundespräsident verhindern.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.