London 1936: Die Schlacht in der Cable Street

Nicht überall kam der Faschismus an die Macht. In England verpassten Antifaschist_innen den „Schwarzhemden“ von Oswald Mosley auf der Straße eine Niederlage, von der sie sich über Jahre nicht mehr erholen sollten.
9. Juni 2015 |

1936 ist der antifaschistischen Bewegung in Großbritannien ein großartiger Erfolg gelungen – der geplante Marsch von Faschisten unter der Führung von Oswald Mosley durch ein Arbeiter_innenviertel in Londons East End über die Cable Street konnte verhindert werde. Der faschistischen Bewegung wurde in England eine entscheidende Niederlage zugefügt.

Schwarzhemden

Die Folgen der Wirtschaftskrise von 1929 bildeten den Nährboden für faschistische, kleinbürgerliche Bewegungen in ganz Europa. Speziell in den 1930er-Jahren gelangten die politischen Inhalte des Faschismus mit den Erfahrungen aus Italien und Deutschland auch nach England. Der vermögende Landbesitzer Oswald Mosley gründete 1932 nach mehreren politischen Zwischenstationen die British Union of Fascists (BUF).

Mosley organisierte zahlreiche selbst-verherrlichende Aufmärsche, bei welchen die „Blackshirts“ (den Namen gaben die schwarzen Parteiuniformen) als „Aufpasser“ agierten, die in der Folge gewalttätige Übergriffe auf jüdische und linke Gruppen anführten.

Anrainer wehrten sich

Als 1936 den Bewohnern von East London zu Ohren kam, dass Mosleys Blackshirts durch ihren Stadtteil marschieren wollten, mobilisierten die lokalen Gewerkschaften an die 300.000 Menschen, um die Faschisten zu stoppen. Es wurden Flugblätter gedruckt, Lautsprecherwagen fuhren durch die Straßen.

Vor allem in den Fabriken fanden zahlreiche Versammlungen statt, wo Beschlüsse gefasst wurden, die Faschisten aufzuhalten. Überzeugungsarbeit wurde auch in Synagogen geleistet, um Jüdinnen und Juden mit auf die Straße zu bringen, die auch in England von menschenverachtenden Parolen und tätlichen Übergriffen nicht verschont geblieben sind.

Massenradikalität

Max Levitas war dabei. Er beschreibt die Ereignisse am Tag des geplanten Aufmarsches folgendermaßen: „Hunderttausende trafen sich am Gardiners Corner. Lokale Hafenarbeiter versammelten sich und halfen mit, Straßenbarrikaden zu errichten. Wir haben eine Straßenbahn umgeworfen, um damit die Straße zu blockieren.

Die Faschisten versuchten die Cable Street runter zu marschieren, aber die Polizei konnte ihnen den Weg nicht frei machen. Die Bewohner der Häuser bewarfen die Polizei mit Steinen und allerlei anderen Dingen. Sie rollten Murmeln auf die Straßen, um die Pferde zu Fall zu bringen … Der Polizeikommissar sagte, wenn wir es ihnen erlauben würden, zu marschieren, dann würde es Tote geben.“

Einheitsfront

Max Levitas beschreibt damit wunderbar die Radikalität der Arbeiter_innen und ihre Entschlossenheit, unabhängig von ihren verschiedenen politischen Traditionen an einem Strang zu ziehen. Diese erfolgreiche „Einheitsfront“ aus jüdischen, sozialistischen, anarchistischen, irischen und kommunistischen Gruppen hat die Nazis regelrecht aus dem Stadtviertel gejagt.

„Es entspricht der Natur der Einheitsfront, dass sie unterschiedliche politische Kräfte zusammenbringt, die bereit sind, in einer einzigen Angelegenheit zusammenzuarbeiten, in diesem Fall beim Kampf gegen die Nazis“, schreibt der englische Marxist Alex Callinicos. Die faschistische Bewegung im England der 1930er-Jahre konnte sich von dieser Niederlage nicht mehr erholen.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.