Neoliberales Sprachrohr vergleicht Klimaschützer mit Nazis

Teile des bürgerlichen Establishments haben panische Angst vor der Klimabewegung, die immer mehr die kapitalistische Weltordnung infrage stellt. Christian Ortner, bezahlter neoliberaler Schreihals der herrschenden Klasse, verglich in einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung linke Antikapitalist_innen mit der FPÖ.
21. Oktober 2019 |

Christian Ortner, selbsternanntes Sprachrohr des neoliberalen Kapitalismus in Österreich, setzte jüngst in einem Gastkommentar in der Wiener Zeitung Antikapitalist_innen in der Klimabewegung mit Nazis gleich. Er verortete „hier feuchte antikapitalistische Enteignungsfantasien, da schimmelige Liederbücher“.

Am Wahlabend stieß ihm ein Tweet des Landessprechers der Grünen Jugend in Niederösterreich, Stephan Bartosch, sauer auf. Erfreut darüber, dass die Grünen es wieder ins Parlament schafften, und schockiert über das systematische Abfackeln des Regenwaldes für Profitinteressen, twitterte Bartosch: „Next up: Kapitalismus anzünden.“ Ortner nahm das zum Anlass zur Spekulation, wie man derartige „Narren“ loswerden könne.

Ortners Gleichsetzung von Menschen, die sich für eine solidarische nachhaltige Zukunft einsetzen, mit modernen Faschisten, die in der Tradition des Nationalsozialismus stehen – zur Erinnerung, in den Liederbüchern der Burschenschaft Germania wurde die Ermordung einer weiteren Million Juden besungen – ist ungeheuerlich.

Echte Angst 

Wir dürfen Ortner dabei eine gewisse Schizophrenie unterstellen. Denn er nimmt selbst regelmäßig Partei für Anhänger ebenjener ewiggestrigen Weltbilder. Da attackierte er etwa den Standard-Kolumnisten Hans Rauscher, weil dieser den ehemaligen Innenminister Herbert Kickl wegen seines Nazi-Sagers „Das Recht hat der Politik zu folgen“ kritisierte.

Hinter Ortners unfassbarem Vergleich steckt ehrliche Furcht. Seine Absicht ist offensichtlich: Die Bewegung in „gute“ und „böse“ Aktivist_innen aufzutrennen, ihr das Druckmoment zu nehmen und sie so in harmlose Bahnen zu lenken. Die Bewegung darf sich nicht spalten lassen, wie Politikwissenschafter Ulrich Brand nicht müde wird zu betonen und zuletzt beim Klimastreik am 20. September in Wien bekräftigt hat. 

Kannibalische Weltordnung 

Zu Ortners Entsetzen: Die Bewegung lässt sich bislang nicht auseinanderdividieren. Die deutsche Fridays for Future-Aktivistin Carla Reemtsma sagte im Gespräch mit dem Philosophen Richard David Precht: „Wir müssen uns trauen, die Systemfrage zu stellen.“ Greta Thunberg erklärte selbst: „Wenn es unmöglich ist, Lösungen im bestehenden System zu finden, sollten wir das System an sich ändern.“

Ortner ist Proponent eines Systems, das nicht nur völlig versagt hat, die Klimakatastrophe abzuwenden. Gerade einmal 100 fossile Großkonzerne sind seit 1988 für 71% der weltweiten Emissionen verantwortlich. Alle 5 Sekunden verhungert in diesem System ein Kind, obwohl wir das doppelte der Weltbevölkerung ernähren könnten. Die 8 reichsten Männer der Welt besitzen so viel wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung.

Ortner könnte auch ehrlich zugeben, was in so bedrückt, wie die Organisation erdölexportierender Länder (OPEC), die die globale Klimabewegung als „die größte Bedrohung für unsere Industrie“ fürchtet. Aber das traut er sich dann doch nicht so offen zuzugeben.