Brecht die Macht der „Fossilen Giganten“

Spätestens ab den frühen 1980er-Jahren wussten führende Erdölunternehmen wie Shell und Exxon Mobil über die verheerenden klimatischen Auswirkungen ihres Industriezweiges Bescheid. Die Unternehmen machten nicht nur weiter wie bisher, sondern versuchten die Bedrohung durch den Klimawandel zu vertuschen. Auch nach dem Pariser Klimaabkommen von 2015 wird den „Fossilen Giganten“ durch einen regelrechten Geldregen aus der Finanzbranche die Expansion ermöglicht.
17. Oktober 2019 |

Im Juli 1978 alarmierte James Black, führender Wissenschafter von ExxonMobil, die Unternehmensführung, dass eine Verdoppelung der CO2-Konzentration in der Atmosphäre zu einer Erhöhung der weltweiten Temperatur um zwei bis drei Grad Celsius führen könnte. 1982 warnte die Wissenschaftsabteilung des Unternehmens vor den Folgen des Klimawandels und „potentiell katastrophalen Ereignissen, die in Betracht gezogen werden müssen“.

Anstatt auf erneuerbare Energie umzusteigen oder ihr Wissen zumindest öffentlich zu machen, tat das Management von ExxonMobil das genaue Gegenteil. Kurzfristige ökonomische Schwierigkeiten, ein Absacken der Ölpreise Mitte der 1980er-Jahre, dienten der Unternehmensführung als Rechtfertigung, die gesamte wissenschaftliche Belegschaft, die sich mit den Auswirkungen der Verbrennung fossiler Brennstoffe beschäftigte, zu feuern.

Bezahlte Klimawandelleugner

Gleichzeitig unterstützte Exxon Mobile Ende der 1980er-Jahre das American Petroleum Institute (API) bei der Gründung der Global Climate Coalition (GCC). Eine Pseudo-NGO, die von allen großen Mineralölkonzernen und Autoherstellern der USA unterstützt wurde, und deren Aufgabe darin bestand, den menschengemachten Klimawandel durch pseudo-wissenschaftliche Studien zu leugnen.

Alleine in den Kampf gegen das Kyoto-Protokoll, in welchem sich die Industrieländer verpflichteten, ihre Emissionen um durchschnittlich 5,2% gegenüber dem Stand von 1990 zu reduzieren, investierte die GCC 13 Millionen Dollar. Mit Erfolg: Die USA ratifizierte das Abkommen nicht. Erst 2002 nach der Machtübernahme von George W. Bush stellte die GCC ihre Arbeit ein. Einerseits war sie öffentlich in die Kritik geraten und andererseits erwartete sie sich von Bush keine Politik, die ihren Interessen widersprechen würde.

Lobbying

Die Einstellung der Tätigkeit des GCC führte aber nicht zu einem Umdenken in der Klimapolitik der führenden Erdölkonzerne. Nach wie vor existieren Think-Tanks, die nicht mehr versuchen, den menschengemachten Klimawandel als Ganzes zu leugnen, sondern die darauf abzielen, die Bedrohung herunterzuspielen. Seit 2010 investierte ExxonMobil bis zu 35 Millionen Euro in Lobbying-Aktivitäten in der EU. Es zielt darauf ab, die EU-Klimapolitik zu verzögern und abzumildern. Am 21. März 2019 lud das EU-Parlament den Konzern zu einem Hearing über dessen Klimawandelleugnung ein. Doch die Konzernspitze weigerte sich schlicht und ergreifend zu erscheinen. Während die EU zu feige ist, die Topmanager notfalls von der Polizei in Handschellen vorführen zu lassen, verfügen sechs Exxon-Lobbyisten über Abzeichen, dank derer sie im EU-Parlament aus und ein spazieren können.

Grafik: Jasiek Krzysztofiak / Nature


Gleichzeitig veranstaltete Exxon seit 2014 ganze 27 Treffen mit führenden Bürokraten der EU-Kommission. Ihr bester Freund ist Dominique Ristori. Dieser traf sich vier Mal mit Vertretern des Konzerns und ist wundersamerweise der Chef der EU-Generaldirektion Energie. Wohlgemerkt, dies sind nur die Treffen, die auf dem offiziellen EU-Transparenz-Register einsehbar sind. Spätestens seit Ibiza sollten wir wissen, die spannenden Treffen zwischen Politik und Wirtschaft finden im Hinterzimmer statt.

Peanuts

Global betrachtet investieren die fünf größten privaten Erdölkonzerne 200 Millionen Dollar jährlich in Lobbying gegen Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels. Etwa dieselbe Summe wird in Werbekampagnen investiert, in denen ein grünes Image der Konzerne aufgebaut werden soll. Diese Zahlen offenbaren die widerliche Doppelmoral der führenden Erdölkonzerne, trotzdem kratzt das Problem des Lobbyings nur an der Spitze des Eisberges. Auch wenn die 35 Mio. Euro, die ein Konzern wie Exxon in Lobbyingaktivitäten investiert, für den Hausverstand wie eine riesige Summe klingen, im Kontext eines Gewinns von 21.000 Mio. Dollar (21 Mrd. Dollar) betrachtet, den Exxon 2018 einfuhr, dürften sie nicht mal an der Portokasse kratzen.

Die staatliche Politik stellt keine ernsthafte Gefährdung für die Profite der „Fossilen Giganten“ dar. Zur ernsthaften Maßnahmen wie Enteignung und Verbote von fossilen Brennstoffen ist aktuell kein Staat der Welt bereit und es gibt keinen Grund anzunehmen, dass sie dies demnächst ändern werden.

Staaten fördern weiter

Eine jüngst veröffentlichte OECD-Studie zeigt. Während staatliche Subventionen für fossile Brennstoffe zwischen 2013 und 2016 minimal zurückgingen, begannen sie zwei Jahre nach dem Pariser Klimaabkommen wieder zu steigen. Die Studie untersuchte 76 Länder, welche gemeinsam für 94% des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich sind. 2017 stiegen die Förderung für fossile Brennstoffe um 5% auf beeindruckende 340 Milliarden US-Dollar. Besonders der Öl- und Gas-Sektor profitiert von den Förderungen, während die für Kohle langsam zurückgehen. In Österreich werden jährlich 3,25 Milliarden Euro an klimaschädlichen Subventionen ausbezahlt.

Direkte finanzielle Förderungen sind aber nur eine der Strategien, durch die Staaten versuchen ihre „Fossilen Giganten“ konkurrenzfähig zu halten. Beispielsweise unterstütze Bundeskanzler Kurz und Ex-Ministerin Schramböck die OMV dabei, sich Konzessionsabkommen für zwei Ölfelder in Abu Dhabi zu sichern. Die Laufzeit beträgt 40 Jahre. Einige der größten Erdölkonzerne gehören Staaten wie Saudi-Arabien. Saudi Aramco machte vergangenes Jahr den doppelten Gewinn von Apple, 111 Milliarden US-Dollar, und plant aktuell seinen Börsengang. Der potentiell größte Börsengang der Weltgeschichte wird zu einem Geldregen für die fossile Energiewirtschaft führen. Genauso verfolgen die USA das Ziel, 2010 zum ersten Mal seit 1953 mehr Energie zu exportieren als zu importieren. Dafür werden die „Fossilen Giganten“ mit dem exzessiven Ausbau des Frackings unterstützt. Politik und Wirtschaft verfolgen dieselben Interessen.

Investitionen der Banken

Falls die Staaten versagen würden, gäbe es noch die Finanzbranche als größten Förderer der fossilen Energiewirtschaft. Seit dem Pariser Klimaabkommen stiegen die Investitionen der am Weltmarkt führenden Banken in den fossilen Energiezweig von 612 Milliarden US-Dollar 2016 auf beeindruckende 654 Milliarden US-Dollar im Jahr 2018. Diese Summen sind wiederum nur ein minimaler Teil der gesamten Investitionen in den Energie-Sektor.

Schüler_innen demonstrieren vor der BlackRock-Zentrale in San Francisco. Foto: Black Rock’s a big problem


Die Ökonomen Carol Olsen und Frank Lenzmann argumentieren: Der Großteil des Geldes für fossile Brennstoffe stammt aus dem sogenannten Shadow Banking. Beispielsweise verfügt der größte Vermögensverwalter der Welt, BlackRock, über unfassbare 6.840 Milliarden US-Dollar Investitionsgeld (der Gesamtwert der jährlich in Österreich hergestellten Waren und Dienstleistungen, das Bruttoinlandsprodukt, liegt bei vergleichbar lächerlichen 422 Milliarden US-Dollar). BlackRock investiert exzessiv in fossile Brennstoffe. Das Unternehmen ist der größte Investor in Kohle und gehört in sechs der sieben größten Erdölunternehmen zu den drei Hauptaktionären. Während sich das Unternehmen nach außen hin als „Grün“ darstellt, setzt es seine Aktienmacht bei den Erdölunternehmen ein, um Klima-Resolutionen zu verhindern. In Österreich investieren 91% der Finanzfonds in fossile Brennstoffe.

Kapitalismus

Andreas Malm, Autor des lesenswerten Buches Fossil Capital, fasst zusammen: „Je stärker das globale Kapital geworden ist, desto stärker nimmt der CO2-Ausstoß zu. Von 1870 bis 2014 wurde ein Viertel aller kumulierten CO2-Emissionen in den letzten fünfzehn Jahren des Zeitraums ausgestoßen.“ Hinter den „Fossilen Giganten“ steht ein ganzes Geflecht aus Banken, Hedgefonds, Vermögensverwaltern und Staaten.

Ein Sonderbericht des Weltklimarates IPCC analysiert: Um das 1,5% Grad Ziel von Paris zu erreichen, muss der Ausstoß von Kohlendioxid bis 2030 um 40% gegenüber dem Stand von 2010 gesenkt werden und bis 2050 bei null liegen. Noch immer werden zwischen 80 und 85% des globalen Primärenergieverbrauches durch fossile Brennstoffe gedeckt, so der jährliche Energiereport von BP.

Auch wenn es richtig ist, dass der Anteil an erneuerbaren Energien stetig zunimmt, passiert dies viel zu langsam. Davon abgesehen, führt die Zunahme erneuerbarer Energien in einer nicht geplanten Wirtschaft zur Steigerung des Konkurrenzkampfes unter den Energieanbietern. Dies kann wiederum zur Folge haben, dass sich die Preise für Energie verringern und dadurch der Verbrauch steigt, was wiederum verstärkte Investitionen in fossile Energieträger zur Folge haben kann. Dieses Phänomen ist als Rebound-Effekt bekannt und macht deutlich, wieso nur eine demokratische Planwirtschaft die Erde retten kann. 2018 stieg die globale Energienachfrage um 2,9%, so stark wie seit 2010 nicht mehr. Die steigende Nachfrage ist unter anderem auch ein Produkt des Klimawandels, denn sie kann auf die „große Zahl an extrem heißen und extrem kühlen Tagen und dem damit zusammenhängenden steigenden Einsatz von Kühl- und Heizungssystemen zurückgeführt werden“, so der Energiereport von BP.

Diese Fakten zeigen uns, eine Energiewende ist nur möglich, wenn wir die Macht der „Fossilen Giganten“ brechen. Einen Schritt in die richtige Richtung machten Schulstreikende in England, die die Royal Shakespeare Company dazu aufforderten, ihre Kooperation mit BP zu beenden. Wir brauchen mehr davon!