„Rassismus tötet. Wir haben alle eine Verantwortung, gegen Rassismus zu kämpfen!“

In Wien gingen am 16. März über 10.000 Menschen gegen Rassismus auf die Straßen, es war ein lange vorbereiteter Aktionstag gegen Ausgrenzung und Diskriminierung. Allerdings stand er ganz im Zeichen des rassistischen Terroranschlags vom Vortag in Neuseeland.
17. März 2019 |

Das Großereignis heißt #worldagainstracism (Welt gegen Rassismus) und wurde von Neuseeland, Australien und Südkorea über die Türkei, Griechenland, quer über Europa bis nach Brasilien, Argentinien und die USA von Aktivist_innen aus einem internationalen Netzwerk geplant und organisiert. In Wien stand hinter der Großdemonstration die Plattform für eine menschliche Asylpolitik.

In der österreichischen Plattform für eine menschliche Asylpolitik wirken an die 100 Organisationen mit, Hilfsorganisationen, politische Organisationen, Gewerkschaftsgruppen, Einwanderer-Organisationen und viele mehr. Der Sprecher der Plattform, Erich Fenninger von der Volkshilfe Österreich, erinnerte als Schlussredner der Demonstration an unser Selbstverständnis: „Es genügt nicht, Demokratie nur einmal zu erkämpfen. Wir lernen in der Gegenwart, dass wir sie permanent verteidigen und wieder erkämpfen müssen. Es genügt nicht, Rassismus einmal besiegt zu haben. Wir lernen in der Gegenwart, dass wir Rassismus, die strukturierte Feindlichkeit gegenüber Menschen, immer wieder bekämpfen müssen. … Deshalb mobilisieren wir gegen diese inhumane Regierung.“

„Neonazismus light“

Einige Sprecherinnen der Demonstration machten die besondere Bedrohung, die von der österreichischen Regierung ausgeht, zum Thema. Denn es ist eine Sache, wenn bürgerliche Regierungen jeglicher Konstellation Rassismus schüren. Es erreicht aber eine besonders gefährliche Dimension, wenn eine Regierung, wie die österreichische am Werk ist, die damit nicht nur die Bevölkerung spalten und von unsozialer Politik ablenken will. Die FPÖ verfolgt ein viel gefährlicheres Projekt und der ÖVP unter Kanzler Kurz scheint das alles ganz gelegen zu kommen.

Mit dieser Regierung werde, wie es der Sachbuchautor Hans-Henning Scharsach bei der Auftaktkundgebung am Platz der Menschenrechte auf den Punkt brachte, „ein ‚Neonazismus light‘ als Bestandteil der Regierungspolitik etabliert. Ein Neonazismus, der zu wenig konkret ist, um strafrechtliche Konsequenzen auszulösen, aber konkret genug, um die Grenzen des Sagbaren, die Grenzen des politisch Machbaren immer weiter Richtung Menschenverachtung, Richtung Rechtsextremismus, Richtung Totalitarismus zu verschieben. Hofer und Strache sind, wie die Mehrheit der führenden FPÖ-Funktionäre, Mitglieder jener deutschnationalen schlagenden Burschenschaften, die sich aus den Traditionen des Nationalsozialismus nie gelöst haben.“

Opfers des Hasses

Faika El-Nagashi, Landtagsabgeordnete der Wiener Grünen, schlug in dieselbe Kerbe: „Die politischen Hassprediger haben Abwertung zum Programm erklärt, und sie versuchen jeden Tag Rassismus zu normalisieren. Ihr Rassismus bleibt nicht ohne Folgen. Die Opfer der Terroranschläge in Christchurch in Neuseeland sind die Opfer dieses Hasses.“

Die stellvertretende Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, Mireille Ngosso (SPÖ), warnte: „Menschen werden weggesperrt. Menschen werden willentlich in die Armut getrieben. Menschenrechte werden verachtet. Und das alles wegen Kurz, Kickl und Co. Wir müssen jede Gelegenheit nutzen, um laut zu sein. Wir wollen ein gerechtes, ein solidarisches und vor allem ein menschliches Österreich, und dafür müssen wir laut sein.“

Aus ganz Österreich kamen Menschen nach Wien. Natalie war extra aus Oberösterreich angereist und erzählte im Gespräch mit Linkswende jetzt:  „Ich hoffe, dass die Menschen in Christchurch mitbekommen, dass Menschen auf der ganzen Welt, gegen den Rassismus protestieren, der ihre Angehörigen auf dem Gewissen hat. Ich könnte weinen, wenn ich nur an sie denke.“

https://www.facebook.com/DokustelleOesterreich/videos/342416939732213/

Zehra Baraçkılıç und Elif Öztürk, zwei Sprecherinnen der Dokumentations- und Beratungsstelle Islamfeindlichkeit und Antimuslimischer Rassismus, beschworen auf Deutsch und auf Kurdisch die Notwendigkeit gemeinsam aufzutreten und gemeinsam zu kämpfen. Elif verlas zum Schluss die Namen der bisher bekannten Opfer von Christchurch.

Breite Kooperation

Als die Demonstration an der Volksoper vorbeigezogen ist, wurde vom Balkon der Volksoper ein Auszug aus dem Stück „Verteidigung der Demokratie“ aufgeführt. Mit dabei war ein „Glänzender Block“ aus Kunst- und Kulturschaffenden, ein Rave-Block „Hertz statt Hetze“, Alis Block, die Omas gegen Rechts und viele andere. Auf der Schlusskundgebung am Karlsplatz begeisterten die Musiker Christoph & Lollo und Harri Stojka Express die Teilnehmenden.

Diese Demonstration war in vielen Aspekten ein großer Schritt nach vorne für die antirassistische Bewegung in Österreich. Die Plattform für eine menschliche Asylpolitik ist breiter geworden und hat ihre Mobilisierungsstärke beweisen können. Das andere Österreich, die Mehrheit, die unbeirrt solidarisch mit Flüchtlingen und Muslimen ist, die aber in der Öffentlichkeit viel zu kurz kommt, würden den beiden Demoteilnehmerinnen Eli und Anna ohne Einschränkung zustimmen: „Rassismus tötet. Wir haben alle eine Verantwortung, gegen Rassismus zu kämpfen!“