Warum der ÖGB gegen den 12-Stunden-Tag streiken muss!

Weil wir nicht kampflos aufgeben dürfen, was wir in Jahrhunderte dauernden Kämpfen erobert haben, muss der ÖGB Streiks gegen die Einführung des 12-Stunden-Tags ausrufen.
22. Juli 2018 |

Wir müssen uns vor Augen führen, was die Regierung mit dem neuen Arbeitszeitgesetz tatsächlich erreichen könnte! Es geht erstens um stärkere Ausbeutung, zweitens um Demokratieabbau, drittens um die Beendigung der Sozialpartnerschaft, viertens um mehr Macht für die Industriellenvereinigung und fünftens um eine Aufwertung der FPÖ.

Erstens will die Regierung im Sinne des Kapitals ganz simpel die Arbeitszeit erhöhen, oder die Ausbeutungsrate, wenn wir es marxistisch ausdrücken dürfen. Mit einer Verlängerung der Arbeitszeit je nach Bedarf der Unternehmer wird sowohl die individuelle Arbeitskraft stärker ausgebeutet (uns bleibt weniger, ihnen bleibt mehr) als auch die Anzahl der nötigen Arbeitskräfte insgesamt gesenkt (die Unternehmer brauchen nicht mehr Menschen anstellen, um ihren Bedarf nach Arbeitskraft zu decken). Anders gesagt sinkt das Lohnniveau und die Arbeitslosigkeit steigt.

Das wird vor allem darüber erreicht, dass zweitens der 12-Stunden-Tag einseitig vom Unternehmer verfügt werden kann, und nicht mehr mit dem Betriebsrat ausverhandelt werden muss, der im Gegenzug bisher höhere Kompensationen für die Arbeitnehmer ausverhandeln konnte, so er oder sie stark genug war. Diese einseitige Verfügungsgewalt bedeutet einen massiven Demokratieabbau. Das Mitspracherecht der organisierten Arbeiter_innenbewegung soll beschnitten werden. FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus hat es im Parlament den Gegnern der Regierung klipp und klar an den Kopf geworfen: „Der Unterschied ist nur, werte Kollegen von der SPÖ, dass der Betriebsrat eben nicht mehr seine Macht und seine Kontrollfunktion ausüben kann.“

Ende der Kompromisse

Drittens soll die den Unternehmern so lästige Sozialpartnerschaft beendet werden. Die Sozialpartnerschaft hat in der Praxis bedeutet, dass die zwei unversöhnlichen Gegner, Kapital und Arbeit, unter anderem in die Sozial- und Arbeitsgesetzgebung einbezogen worden sind, und erst wenn sie einen Kompromiss gefunden hatten, konnten Gesetze beschlossen werden. Das hatte für die Arbeiterbewegung nicht nur Vorteile, denn so verlernte sie das Kämpfen, die Auseinandersetzungen wurden stellvertretend für die Arbeitnehmer_innen von Institutionen geführt. Für die Kampfbereitschaft und die praktische Kampferfahrung und damit für die Entwicklung des Klassenbewusstseins war das äußerst nachteilig. Trotzdem war es ein Entgegenkommen an die Arbeiterbewegung, und bedeutete im gewissen Sinn „Arbeitermacht“.

Die einseitige Beendigung der Sozialpartnerschaft bleibt eine Entmachtung, sollte die Gewerkschaft sie kampflos hinnehmen. Es wurden ja nicht nur die Gespräche mit der Arbeiterkammer und dem ÖGB verweigert, die Regierung hat auch angekündigt, die Arbeiterkammer selbst zu zerstören, indem sie die Pflichtmitgliedschaft beendet und ihr den Geldhahn zudreht. Der Wirtschaftskammer droht ein ähnliches Schicksal, wodurch viele Unternehmen nicht mehr an Kollektivvertragsvereinbarungen gebunden wären.

Faschistoide Züge

Bisher war die Industriellenvereinigung kein vollwertiger Teil der Sozialpartnerschaft, in dieser Regierung und vor allem beim Zustandekommen des 12-Stunden-Tags war sie dafür federführend am Werk. Viertens bedeutet also das neue Arbeitszeitgesetz mehr Macht für die Industriellenvereinigung. Die Arbeitgeberseite zeigt dabei wenig überraschend totalitäre Allüren. So bezeichnete der neue Wirtschaftskammerpräsident Harald Mahrer Kritiker des 12-Stunden-Tags – gemeint sind die Gewerkschaften – als „die Gegner unserer Republik“. Das hat durchaus faschistoide Züge!

Apropos: Fünftens wird die FPÖ durch die Ausschaltung der Sozialpartner mit einem Schlag massiv aufgewertet, denn bei den Sozialpartnern hatte sie auf keiner Seite irgendwelchen Einfluss, jetzt kommt endlich wie Johann Gudenus es so genüsslich gezeigt hat, des Pudels Kern zum Vorschein. Sie spielt eine entscheidende Rolle als Kettenhund des Kapitals bei der Durchsetzung gewerkschaftsfeindlicher Politik.

Streiken und stürzen

„Wird eine rote Linie überschritten, wird es entsprechende Maßnahmen und Aktivitäten von uns geben“, drohte ÖGB-Chef Wolfgang Katzian und wir können nur hoffen, dass der ÖGB vor Streiks nicht zurückschrecken wird. Auf derartige Angriffe kann unsere Seite nicht reagieren, indem sie bloß die Fäuste schüttelt, wir müssen kämpfen, um sie abzuwehren. Die Gewerkschaften müssen streiken und zwar so, dass der Angreifer einknickt und den Schweif einzieht.

Das Kalkül der Unternehmer, dass unserer Seite Kraft und Wille fehlen, darf nicht aufgehen. Ihr Angriff muss nach hinten losgehen. Dann, und nur dann, kann die Abwärtsspirale, in der wir uns seit Jahrzehnten befinden, gestoppt werden und die Arbeiter_innenbewegung aus den ewigen Abwehrkämpfen wieder in die Gegenoffensive übergehen.