Warum gehen die mit Nazis auf die Straße?

Ein Jahr nach Ausbruch der Pandemie hat die Linke noch keinen eigenständigen Weg durch diese Krise gefunden – die extreme Rechte schon. Die Linke muss das Recht der Werktätigen auf Gesundheit geltend machen, wirksame Maßnahmen gegen die Pandemie fordern und so den Rechten das Wasser abgraben.
11. Februar 2021 |

Auf der bisher größten Querdenken-Demonstration in Österreich am 6. Jänner tummelte sich alles, was in der rechtsextremen Szene Rang und Namen hat: Gottfried Küssel und Gefolge, die Identitären, aber auch Strache und FPÖ-Politiker. Die Rechten und die Demo-Organisatoren hatten, wie der Standard recherchiert hat, einen persönlichen und freundschaftlichen Draht zur Polizei. FPÖ-Generalsekretär Schnedlitz, der ebenfalls mitmarschiert ist, sprach von einer Befehlsverweigerung der Polizisten vor Ort gegenüber der „politischen Polizeiführung“, sprich der zentralen Einsatzleitung oder dem Innenminister. Das Ergebnis: es kam zu sichtbaren Verbrüderungen zwischen Polizei und Rechtsextremen. Linke Gegendemonstrant_innen wurden von der Polizei stundenlang bei Minusgraden gekesselt, einige davon zusammengeschlagen. Was dabei jedoch neu war: Hinter den Rechten sah man ein Meer aus Österreich-Fahnen, Spruchbänder mit Verschwörungstheorien, und, nicht zu wenige, linke und unbedarfte Menschen. Warum gehen die mit Nazis auf die Straßen?

Linke ist unsichtbar

Aus linker Sicht ist der wichtigste Grund wohl der: die radikale Linke ist in den Zusammenhängen um die Coronapolitik kaum sichtbar. Die gemäßigte Linke, allen voran die SPÖ, ist froh, dass sie überhaupt wieder auf die politische Bühne zurückgefunden hat. Radikale und gemäßigte Linke sollten nicht gegen Lockdown-Maßnahmen an sich auf die Straße gehen, sondern für einen Lockdown, der von den Lohnabhängigen gestaltet wird: alles schließen, was nicht für die Deckung der Grundbedürfnisse nötig ist und für die maximale Sicherheit in den Bereichen sorgen, die weiter funktionieren müssen. Wer denkt, dass alle möglichen Beschränkungen, von Maskentragen bis Abstand halten, falsch sind, wird dem zuerst nur schwerlich zustimmen. Aber wenn die Pandemie so tatsächlich unter Kontrolle gebracht würde, dann hätten wir ein ganz anderes Bild. Das verlangt eine deutliche Konfrontation der Regierung mit ihrer kriminellen Rücksichtnahme auf die Interessen der Unternehmer.

Kurzarbeit ist nicht genug

Dieses linke Konzept der Pandemiebekämpfung steht in völligem Kontrast zu dem, was die Rechtsextremen auf den Coronademos von sich geben und könnte eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter sich sammeln. Das Problem dabei ist: die Gewerkschaften sind aktuell meilenweit davon entfernt, solche Kämpfe anzuführen. Sie zeigen sich glücklich und zufrieden, dass sie wieder als Sozialpartner wahrgenommen werden und Kurzarbeit durchsetzen konnten. Das ist tatsächlich eine wichtige Errungenschaft, die bisher viele Existenzen retten konnte, geht aber nicht weit genug, wie nicht nur Infektions- und Todeszahlen zeigen, sondern auch die wachsende Ungerechtigkeit. Gewerkschaften brauchen manchmal einen Schubser. Auf Seite 6(unserer Zeitschrift) berichten wir von einem inspirierendem Beispiel, wie schnell das gehen kann.

Vielen, die auf der großen Querdenken-Demonstration waren, sollten ein Riesenproblem damit haben, dass altbekannte Nazigrößen führend beteiligt waren. Corona leugnen klingt ja noch harmlos, aber Holocaust leugnen und Hitler verehren? Gottfried Küssel und Konsorten haben ein Banner mit der Aufschrift „Querfront“ getragen. So nennt sich die Zusammenarbeit von Nazis mit Nicht-Nazis für ein gemeinsames Anliegen.
Wer noch über politische Moral verfügt, will niemals Teil davon sein! Vielmehr müssen wir einen Keil zwischen die „unbedarften“ Mitläufer und die überzeugten Rechtsextremen treiben, indem wir deren Ideologie aufdecken und zeigen, was sie sind: Faschisten. Der Kampf gegen die Pandemie kann nicht getrennt werden vom Kampf für die Rechte aller Arbeiter_innen – nichts davon ist mit rassistischen und sexistischen Rechtsextremen zu erreichen. Das kann nur eine linke, solidarische Politik von unten leisten.