Wienwoche

Der Verein zur Förderung der Stadtbenutzung veranstaltet von 22. September bis 1. Oktober zum sechsten Mal das Festival „Wienwoche“. Das Festival will Kultur, Party und Aktivismus verschmelzen. In diesem Jahr steht es unter dem Motto „Dolce far niente“ - „Das süße Nichtstun“, und zwar „nicht als Vorrecht der Reichen“.
12. September 2017 |

Beim Festival sollen Möglichkeiten des „Lebens jenseits von kapitalistischer Produktion“ an verschiedenen Orten Wiens erforscht werden. Eine nichtkapitalistische Parallelgesellschaft innerhalb des Kapitalismus zu errichten, muss zwar Utopie bleiben. Aber: endlich einmal etwas ausgesprochen Linkes, ja Antikapitalistisches inmitten der völlig entpolitisierten und weichgespülten Kulturlandschaft!

Opening mit Marx

14 Projekte werden im Rahmen der Wienwoche präsentiert. Am Freitag, den 22. September, findet das Opening „Endlich wird die Arbeit knapp“ statt. Dabei gibt es unter anderem das Volksbildungs-Revuetheater unter dem Motto „150 Jahre Kapital“. Bei der Opening Party werden Künstler_innen, Musiker_innen und DJs wie etwa Syn3a auftreten, die mit reduzierten elektronischen Klängen Geschichten erzählen über „Abreise, Flug, Eingesperrtsein und Erfahrungen in einer neuen Heimat“. Ebenfalls für Stimmung sorgen wird Lenia, manchen besser bekannt als eine der Sprecher_innen für die Offensive gegen rechts.

Eine nichtkapitalistische Parallelgesellschaft innerhalb des Kapitalismus zu errichten, muss zwar Utopie bleiben. Aber: endlich einmal etwas ausgesprochen Linkes, ja Antikapitalistisches inmitten der völlig entpolitisierten und weichgespülten Kulturlandschaft!

Das Projekt „Sanatorium Sonnenland“ führt die „anstrengende Suche nach Erholung“ vor, die schließlich doch nur dazu dient, um „als Ressource Mensch mithalten zu können“. „Entspannung wird zum Marketing-Produkt“, kritisieren die Aktivist_innen des Projekts. Am Sonntag, den 24. September, findet der Kurtag mit Kurtraum sowie anschließendem Kurkonzert und Performance statt. Am Mittwoch, 27. September, wird es die Diskussion „The Insanity of Work-life Balance“ geben.

Flucht und Widerstand

Das Protest Productions Collective geht der Frage nach, wie Arbeit, bittersüßes Nichtstun in Form von Arbeitslosigkeit oder Arbeitsverbot von Flüchtlingen und das globale Grenzregime zusammenhängen. Die Gruppe aus hierher geflüchteten, eingewanderten und eingeborenen Aktivist_innen und Filmemacher_innen entstand aus der Flüchtlingsbewegung 2014.

Am Dienstag, den 26. September, gibt es eine Filmvorführung im Schikaneder: Amadou Bah Marzouk erzählt die Geschichte seiner Reise von Tago bis nach Wien. (Wie der Film heißt, verrät das Programm leider nicht.) Die Kurzdokumentation „Best practices to stop deportations“ beschäftigt sich mit den Kämpfen innerhalb Europas – der Titel ist wohl selbsterklärend. „Shoes“ zeigt die globalen Arbeits- und Produktionsbedingungen von Schuhen.

Wienwoche (Flickr)

Das Performance-Theater Umgekehrt am Freitag, 29. September, wird von in Wien lebenden Syrer_innen veranstaltet. Es geht um Krieg und Flucht, Integration und Arbeit. An einem fiktiven Ort zwischen Syrien und Österreich sollen gemeinsam mit dem Publikum „Alternativen zur Unterwerfung am unteren Ende“ der Gesellschaft gesucht werden. Höher schlägt das Klassenkampf-Herz schließlich bei dem Projekt Feldforschung.

Erntehelfer im Streik

Bei den zwei Performances am Samstag, 30. September, und am Sonntag, 1. Oktober, geht es um den Arbeitskampf von rund 70 Erntehelfer_innen aus Rumänien und Serbien. Sie waren am 1. Oktober 2013 bei einem Großbauern in Tirol in Streik getreten. Für nur 1.000 Euro im Monat hatten sie von 6 bis 21 Uhr an sechs Tagen in der Woche auf den Feldern geschuftet. Sie riskierten ihren Job und traten in Streik.

Die Ernte drohte auf den Feldern zu verrotten und so musste der Großgrundbesitzer schließlich nachgeben. Die Gewerkschaft erklärte sich schließlich solidarisch, dennoch kritisiert das Team von Feldforschung, die fehlende Unterstützung. „Zur Wienwoche fragen wir uns nicht nur: Wie könnte ein Leben jenseits der kapitalistischen Produktion aussehen, sondern auch: Wie können wir es erstreiten?“ Mit einer grundsätzlichen Gewerkschaftsfeindlichkeit wird das wohl eher nicht gehen.

Inspiration & Wermutstropfen

Insgesamt inspiriert das Festival alle, die von einer gerechten, menschenwürdigen Gesellschaft träumen oder für sie kämpfen. Hier lässt es sich durchatmen, hier ist man mit diesem Anspruch nicht allein. Dennoch gibt es einige Schwächen: Warum hat kein Projekt Frauenpolitik als Schwerpunkt? Gerade wenn es um Arbeit und Nichtstun geht, muss über die unbezahlte Arbeit in Haushalt und Familie geredet werden!

Eine weitere Schwäche ist, dass sich in keinem Projekt der große Streit um die Arbeitszeit wiederfindet, der derzeit zwischen Gewerkschaft und Bossen stattfindet: Verkürzung der Arbeitszeit versus 12-Stunden-Tag. Geschuldet ist dies der Entfernung, die mittlerweile zwischen Aktivist_innen beziehungsweise Künstler_innen und Arbeiter_innenklasse liegt. Darum trifft die Wienwoche leider haarscharf nicht ins Schwarze.

Veranstaltungstipp

Café Drechsler
Das Trio Café Drechsler hat es sich zur Aufgabe gemacht, elektrischen Clubsound akustisch und unplugged wieder zum Leben zu erwecken. Der Schlagzeuger Alex Deutsch, der Bassist Oliver Steger und der Saxophonist Ulrich Drechsler sind international mit ihrem unverwechselbaren Sound bekannt geworden.
Das Kaffehaus Café Drechsler, benannt nach diesem Trio, bietet wöchentlich interessante DJ-Lineups an. Ab September im Café Drechsler: 
• Jeden Donnerstag: „Drechsler Impuls“ von Herrn Werner - BFC (Werner Jakits)
• Jeden Freitag: „Take A Ride On The Soultrain“ von Filmemacherin Katja Schröckenstein
Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.