12-Stunden-Tag? Eine Kollegin hat bereits jetzt kein Privatleben mehr

Die Verkäuferin und Studentin Sophia Pokorny ist entsetzt über die Pläne der schwarz-blauen Regierung, die Arbeitszeit zu verlängern. Sie schreibt in einem Leserinnenbrief: „Die Stärkung der Arbeitnehmerrechte, die Festlegung von Altersgrenzen sowie die Verkürzung der Arbeitszeit sind historische Errungenschaften – die Erhöhung der maximalen Arbeitszeit ist ein erster Schritt diese Mindeststandards aufzuweichen.“
29. Januar 2018 |

Die Arbeitszeitflexibilisierung, wie sie unsere neue Regierung vorschlägt, stellt einen gewaltigen Rückschritt für ArbeiterInnen-Rechte dar, denn die einzigen die davon profitieren werden, sind die Arbeitgeber. Die täglich höchstzulässige Arbeitszeit soll von 10 auf 12 Stunden, die wöchentliche von 48 auf 60 angehoben werden. Der Regierungsvorschlag gefährdet nicht nur die Gesundheit und das Wohlbefinden von allen Arbeitnehmern zugunsten von kurzfristigen Profiten.

Als berufstätige Studentin besorgt mich das sehr, da es noch schwerer für mich sein wird, Arbeit und Studium miteinander zu kombinieren. Weil an meinem Arbeitsplatz Zweischichtbetrieb herrscht, komme ich oft erst um Mitternacht nach Hause, darf dann trotzdem am nächsten Tag um 8 Uhr in der Vorlesung sitzen. Ich bin sicherlich nicht die einzige, der es so geht, und ich vermute, dass viele junge Menschen ihr Studium entweder nur stark verzögert abschließen werden können oder gar gezwungen sein werden, dieses abzubrechen, sollte das neue Modell durchgesetzt werden.

ArbeiterInnen, welche Teilzeit arbeiten, müssen jetzt schon regelmäßig Überstunden leisten. Das neue Gesetz wird es Arbeitgebern ermöglichen ArbeiterInnen, zu noch mehr Arbeit zu zwingen, wenn es notwendig für das Unternehmen ist. Schon jetzt arbeitet eine Kollegin von mir, welche für nur 16 Stunden angemeldet ist meist 24, und oft sogar 32 Stunden die Woche. Die Entscheidung von ArbeiterInnen, weniger zu arbeiten, wird quasi ignoriert, im Interesse des Unternehmens.

Schlimmer aber noch ist es wohl für Berufstätige in Vollzeit. Eine Kollegin von mir hat bereits jetzt praktisch kein Privatleben mehr. Ihr fehlt jetzt schon meistens die Zeit und Energie den Aktivitäten nachzugehen, die ihr Freude bereiten, von Hobbies ganz zu schweigen. Die Ausweitung der täglich zulässigen Arbeitszeit auf 12 und der wöchentlichen auf 60 Stunden wird sie noch weiter isolieren. An einem Tag mit 12 Stunden Arbeit bleibt einfach nicht viel Zeit für anderes übrig. Wenn man Pausen und Reisezeit mit einberechnet, werden viele ArbeiterInnen leicht 14 Stunden oder mehr für ihre Arbeit aufbringen. Weitere 8 Stunden für Schlaf, das lässt einem ganze zwei Stunden für alles andere übrig. Mit der neuen Regelung schafft man sich müde, verstimmte ArbeiterInnen.
Die Erhöhung der Arbeitszeit wird nicht freiwillig geschehen. Unternehmer und Arbeitgeber wollen in erster Linie ihre Gewinne maximieren. Wenn es ihnen ermöglicht wird, ihre ArbeiterInnen mehr arbeiten zu lassen, dann werden sie es auch tun.

Wenige Menschen üben Ihren Beruf noch aus Leidenschaft aus, das neue Modell würde aber alle ArbeiterInnen zwingen, ihre Arbeit nicht nur in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen (wie es jetzt bereits der Fall ist), sondern ihr gesamtes berufstätiges Leben einzig mit Arbeiten zu verbringen. Die Stärkung der Arbeitnehmerrechte, die Festlegung von Altersgrenzen sowie die Verkürzung der Arbeitszeit sind historische Errungenschaften – die Erhöhung der maximalen Arbeitszeit ist ein erster Schritt diese Mindeststandards aufzuweichen.

Sophia Pokorny
Verkäuferin und Studentin

Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider