Aretha Franklin (1942-2018)

Aretha Franklins Musik hat noch immer diese bekräftigende Wirkung auf Kämpfer_innen, auf Minderheiten und auf alle, die ihren Stolz aus ihrem Kampf für eine bessere Welt beziehen. Mit Respect hat sie DIE antirassistische Hymne der 1968er-Generation geschaffen, gerade noch vergleichbar mit Black & Blue von Louis Armstrong und I'm Black and I'm Proud von James Brown.
25. September 2018 |

Aretha Franklin (1942-2018) hat auf mich genau den Effekt, für den sie Millionen Menschen geliebt haben. Sie zu hören, hebt einen in höhere Bahnen. Ich möchte außerdem einen Aspekt betonen, den ich in vielen Artikeln seit ihrem Tod vermisse: den Einfluss und die Wechselwirkung zwischen den politischen Protestbewegungen der 1960er-Jahre und dieser großartigen Künstlerin.

Schwarz und stolz darauf

Natürlich war sie auch ohne die Sixties eines der größten Gesangstalente des 20. Jahrhunderts. Das bezeugen vor allem die Menschen, die wirklich eine Ahnung davon haben, Musiker_innen, die nicht zu stolz sind, Aretha Franklins Unerreichbarkeit zu bezeugen. Etta James erinnerte sich daran, wie sie das erste Mal Franklins Version von Skylark hörte: „Ich musste mich am Kopf kratzen und mich fragen ‚How the fuck did that bitch do that?‘ Ich erinnere mich, wie ich Sarah Vaughan getroffen habe, die mich immer eingeschüchtert hatte. Sarah sagte, ‚Hast du von diesem Mädchen Aretha Franklin gehört?‘ Ich sagte, ‚Du hast gehört, was sie mit Skylark macht, oder?‘. Sarah sagte, ‚Ja, habe ich, und ich werde das Lied nie wieder singen.‘“

Freddie Mercury bewunderte ihre mühelose Phrasierung: „Ich wünschte, ich könnte wie sie singen. Sie singt wie ein Traum, sie muss nicht darüber nachdenken.“ Sie war eine Zeitgenossin der Beatles und von Bob Dylan, aber sie klang so viel abgeklärter, dass die Rolling Stones neben ihr wie kleine Jungs rüberkamen, schrieb Marcus Greil in seinem Buch Stranded.

Cover „The Atlantic Albums Collection“

Sie war auch eine begnadete Pianistin, die sich das Klavierspielen durch Zuhören selbst beibrachte. Schon als Fünfjährige war klar, dass sie ein rares Ausnahmetalent war. Im Haus ihres Vaters, dem berühmt-berüchtigten Reverend C.L. Franklin aus Detroit, gingen die berühmtesten Figuren der Civil Rights Movements und berühmte schwarze Musiker_innen, wie Dinah Washington, Mahalia Jackson oder Clara Ward, Aus und Ein.

„Sie absorbierte und erbte auch deren politische Empfindsamkeit,“ schreibt Farah Jasmine Griffin in The Nation, „deren ungerührtes Schwarzsein, einen militanten Stolz, und ihre Hingabe ihr Talent für Fortschritte in der Befreiungsbewegung der Schwarzen einzusetzen.“ So sehr, dass Martin Luther King es sich trotz einer Kehlkopfentzündung nicht nehmen ließ, anlässlich der Ausrufung des „Aretha Franklin Tages“ in Detroit am 16. Februar 1968 auf die Bühne zu treten und ihr einen Spezialpreis der „Southern Christian Leadership Conference“ zu überreichen. Weniger als zwei Monate später stand Aretha Franklin bei Kings Begräbnis und sang Precious Lord, das er sich schon zuvor oft von ihr vorsingen ließ.

Politik und Religion

Ihre einzigartige Stimme und Vortragsweise trainierte sie in der New Bethel Baptistenkirche in Detroit seit sie vier Jahre alt war. Die Baptistenkirchen waren ein Ausdruck der Befreiungsbemühungen der afroamerikanischen Bevölkerung in den USA. Gegründet meist Ende des 19. Jahrhunderts von ehemaligen, häufig entflohenen Sklaven, enthalten die Predigten und die Gospel-Gesänge zahlreiche Elemente aus der Feldarbeit während der Sklaverei und zeugen von ihren afrikanischen Wurzeln.

Ihr Vater C.L. Franklin war eine der führenden Figuren der Bürgerrechtsbewegung, zum Beispiel war er zentral an der Organisation des 1963er „Detroit’s Walk To Freedom“ beteiligt, auf dem Martin Luther King zum ersten Mal die Rede über seinen Traum hielt. Trotzdem Aretha Franklin Spenden für die Bürgerrechtsbewegung sammelte und sich hinter den Bühnen engagierte, hatte sie ihr politisches Engagement nicht in den Vordergrund gestellt.

Aretha nahm den Song Respect von Otis Reding nicht zufällig auf. Sie coverte auch People Get Ready von Curtis Mayfield, A Change is Gonna Come von Sam Cooke und To Be Young, Gifted and Black von Nina Simone. Damit zeigte sie nicht nur ihre Unterstützung für die Bürgerrechtsbewegung und die Protestbewegungen der 1960er-Jahre, sondern sie wollte ganz bewusst auf sie einwirken. „Es war ein Bedürfnis der Nation, das Bedürfnis der durchschnittlichen Männer und Frauen auf den Straßen. Alle wollten Respekt!“

Zivilcourage

Angela Davis sagte über sie, ihr Erbe dürfe „nicht über politische Interventionen im herkömmlichen Sinn gemessen werden. Ihr kreatives Schaffen war für die Erzeugung und Vertiefung eines kollektiven Bewusstseins, das im Verlangen nach Freiheit verankert ist, hilfreich.“ Bei der Unterstützung von Angela Davis bewies Aretha ihre außerordentliche Zivilcourage.

Miles Davis: Miles In The Sky

Miles Davis: Miles In The Sky

Gegen die populäre Kommunistin Davis wurde 1970 von den US-Behörden und -Medien eine Hexenjagd als Terroristin veranstaltet, sie war unter den zehn meist gesuchten Verbrechern der USA. Aretha Franklin setzte sich für sie ein und bot öffentlich an, das Kautionsgeld zu stellen: „Angela Davis muss frei kommen. Die schwarze Bevölkerung wird frei sein.“

Kunst und Künstler_innen werden zu oft isoliert von den gesellschaftlichen Bewegungen, mit denen sie in Wechselwirkung stehen, betrachtet. Die 1960er-Jahre haben besonders viele ebenso begnadete wie couragierte Künstler_innen hervorgebracht. Aretha Franklin hat dieser Bewegung ihren Stempel aufgedrückt. Hätten die Künstler_innen und Aktivist_innen dieser Epoche nicht so viel Mut und Entschlossenheit gezeigt, wäre unsere Welt um vieles ärmer.