Gesundheit und Ernährung: Wie der Klimawandel unseren Planeten zerstört
Die Treibhausgasemissionen führen nicht nur zu einem Meeresspiegelanstieg und wärmeren Temperaturen: Auch die Ausbreitung von Krankheiten wird begünstigt, Trinkwasser verknappt und Landwirtschaft erschwert und verschoben.
Ausbreitung von Krankheiten
Schon bei einer globalen Erwärmung von nur 1,6 °C würde sich in Regionen wie Südostasien, in denen Nassreiskulturen üblich sind, die Wurmkrankheit Schistosomiasis, auch Bilharziose genannt, ausbreiten (in ruhigen, warmen Gewässern gedeihen bestimmte Schneckenarten als Zwischenwirte für die Würmer besonders). Im Norden Chinas könnten bis 2050 acht Prozent des Staatsgebietes befallen sein. Bei Kontakt bohren sich diese Würmer durch die Haut und wandern weiter zu den lebenswichtigen Organen bis ins Gehirn. Bereits heute sind rund 240 Millionen Menschen vor allem in Afrika, Südamerika, Ostasien, dem Mittleren Osten und der Karibik infiziert, weitere 700 Millionen leben im Infektionsbereich.
Im Zuge der globalen Erderwärmung werden sich zudem gefährliche Infektionskrankheiten ausbreiten. Bestimmte Mückenarten, die in besonders feuchtwarmen Gegenden grassieren, könnten in südeuropäischen Ländern heimisch werden, die das Gelbfieber übertragen (allerdings gibt es dafür sehr wirksame Impfungen). Bislang keine Impfungen gibt es gegen das Dengue-Fieber, das durch die Asiatische Tigermücke übertragen wird und tödlich verlaufen kann. Ab einem Anstieg der globalen Temperatur um 4 °C könnte sich die Mücke bis nach Skandinavien ausbreiten.
Ein ungebremster Klimawandel könnte bis 2050 weitere 210 Millionen Menschen mit Malaria, der Krankheit der Armen, infizieren, selbst wenn man annimmt, dass der Lebensstandard auch in den ärmsten Ländern erhöht wird. Ohne Anhebung des Wohlstands würde die Zahl der Gefährdeten weltweit sogar um unfassbare zwei Milliarden Menschen ansteigen. Auf einem wärmeren Planeten gedeihen ebenso Tierkrankheiten wie Riftalfieber, Ostküstenfieber (Theileriose) oder das West-Nil-Fieber, das auch auf den Menschen übertragen werden kann und in Zusammenhang mit Hirnhautentzündungen tödlich enden kann.
Luftverschmutzung
Die Verbrennung von Kohle, Öl, Gas und Biomasse schleudert nicht nur jede Menge Kohlendioxid in die Atmosphäre, sondern verpestet die Luft auch in gewaltigem Ausmaß mit Schadstoffen wie Ruß und dem berühmt-berüchtigten, extrem gesundheitsgefährdenden Feinstaub. 2015 starben weltweit bereits 8,9 Millionen Menschen an den Folgen von Luftverschmutzung, die zu ihrem überwältigenden Teil auf die Verbrennung fossiler Energieträger zurückgeht. Europa liegt mit 800.000 Toten aufgrund der dichten Bevölkerung sogar über dem globalen Durchschnitt. Das Leben der Europäer_innen wird aufgrund der verdreckten Luft um 2,2 Jahre verkürzt.
Wasserextreme
Über zwei Milliarden Menschen auf unserem Planeten erleben bereits jetzt „Wasserstress“, das heißt, sie haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser. Ungefähr vier Milliarden Menschen, also über die Hälfte der Weltbevölkerung, leiden mindestens einen Monat pro Jahr unter Wasserknappheit. Der Klimawandel und die zunehmenden Klimaschwankungen wirken sich unterschiedlich auf Regionen, Einzugsgebiete und nach Jahreszeiten aus.
Foto: UN water
Aber grundsätzlich deuten die Simulationen darauf hin, dass trockene Gegenden trockener (die Subtropen wie Nordafrika) und feuchte Gebiete (mittlere und hohe Breiten) feuchter werden. Der World Water Development Report der Vereinten Nationen warnt, dass „der Klimawandel den Wasserstress in Gebieten, die bereits jetzt am meisten betroffen sind, höchstwahrscheinlich verschärfen wird“. Darüber hinaus dürfte die Bodenfeuchtigkeit weltweit abnehmen, da die Zunahme der Verdunstung die vermehrten Niederschläge übersteigen wird. Betroffen sind vor allem Gebiete, mit hoher Bevölkerungsdichte und wo die Mehrheit der Feldfrüchte für den globalen Agrarhandel produziert wird.
Landwirtschaftliche Folgen
Die meisten Pflanzenarten reagieren auf eine höhere CO2-Konzentration in der Luft mit verstärkter Photosynthese, beschleunigtem Wachstum und geringerem Wasserbedarf – insofern eigentlich günstige Bedingungen für die Landwirtschaft, könnte man meinen (und ein Argument, das von Klimaskeptikern gerne vorgebracht wird). Aber gerade der reduzierte Wasseraustausch ist hauptsächlich dafür verantwortlich, dass die Pflanzen weniger Stickstoff und Eiweiß im Gewebe anreichern. Studien zeigen bei einem höheren Kohlendioxid-Angebot einen Rückgang des Proteingehalts bei Weizen, Reis, Gerste und Tomaten von 5 bis 14 Prozent. Dies würde den Anbau von Getreide und Gemüse, aber auch die Weidewirtschaft schwer belasten. Darüber hinaus stellen sich Pflanzen unterschiedlich auf die erhöhte CO2-Konzentration ein, was zu massiven Spannungen oder gar zu Brüchen in bislang eingespielten Ökosystemen wie unseren Wäldern führen kann.
2012-2016 [Tonnen] | 2036-65 [Tonnen] | % | |
Weizen | 1.374.164 | 789.314 | -42,6 |
Roggen | 181.522 | 125.577 | -30,8 |
Gerste | 693.855 | 535.367 | -22,8 |
Silomais | 1.215.246 | 995.834 | -18,1 |
Körnermais | 1.785.039 | 1.228.503 | -31,2 |
Erdäpfel | 166.192 | 63.393 | -61,9 |
Tabelle: Änderung der Erträge. Vergleich der Referenzzeiträumen 2012-2016 und 2036-2065, wenn wir so weitermachen, wie bisher. Quelle: Bodenbedarf für die Ernährungssicherung in Österreich (BEAT) 2018
Die Biogeographie, das heißt die Verteilung der natürlichen Klimazonen und großen Lebensgemeinschaften auf dem Planeten (die sogenannten Biome wie Taiga, Tundra, Savannen, subtropische Regenwälder…), wird sich jedenfalls stark verändern (und verändert sich bereits). Grundsätzlich variieren die Einschätzungen über den tatsächlichen Verlauf der Landwirtschaft noch stark, wobei die Wissenschaft davon ausgeht, dass das Überangebot an Kohlendioxid in den gemäßigten Zonen (also etwa Europa und Nordamerika) die anderen physikalischen Schäden der Erderwärmung ausgleichen dürften, während die durch niedrige Kohlendioxid-Konzentrationen angepassten Nutzpflanzen in den Tropen und Subtropen (also erneut die Entwicklungsländer) mit den zusätzlichen CO2-Mengen nicht umgehen können. Studien zeigen, dass es (unter Berücksichtigung sowohl hoher als auch niedriger Emissionsannahmen) bis 2050 in Afrika zu den stärksten Ernterückgängen bei Weizen (-17%), bei Zuckerhirse (-15%) und Rispenhirse (-10%) kommen könnte, in Südasien zu Minderungen bei Mais (-16%) und Zuckerhirse (-11%).
Klimamodelle für Österreich (bei einem Temperaturanstieg von rund 3,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Niveau bis 2050) sagen einen Rückgang der landwirtschaftlichen Produktion von Weizen um bis zu 43%, von Körnermais um 31% und von Erdäpfeln um 61% im Zeitraum 2036 bis 2065 voraus, hauptsächlich verursacht durch Einbußen im Flachland. Unter diesen Umständen wäre „eine autarke Produktion zur Ernährungssicherung in Österreich gefährdet“, so die Studienautor_innen.
Kohlenstoffquellen
Nicht berücksichtigt sind hierbei noch die Zunahme von Wetterextremen. George Monbiot hat bereits 2012 geschrieben: „Möglicherweise gibt es ‚die Normalität‘ gar nicht mehr. Vielleicht maskieren die geglätteten mittleren Erwärmungsprojektionen der Klimamodelle […] nur wilde Extremereignisse, für die kein Bauer planen und die kein Bauer bewältigen kann.“
40 Prozent der menschgemachten CO2-Emissionen werden im Boden gespeichert. Neuere Studien zeigen, dass die zunehmende Austrocknung der Böden zu einem Kipppunkt führen könnte, an dem die Böden von Kohlenstoffsenken zu Kohlenstoffquellen werden. Während der Photosynthese entziehen Pflanzen der Luft Kohlendioxid und verbrauchen dabei Wasser, was die Umgebung kühlt (Transpiration). Nimmt die Bodenfeuchte ab, kann ein Punkt erreicht werden, an dem die Pflanzen aufhören, Photosynthese zu betreiben und die Umgebung erwärmt sich. Dies führt zu höheren Respirationsraten, also dem sprichwörtlichen „Ausatmen“ von Kohlenstoff aus dem Boden und der Vegetation.