Alles Walzer, alles brennt!

Bereits 2016 gelang der Regisseurin Christine Eder ein gefeierter Erfolg mit ihrem Stück „Alles Walzer, alles brennt“ im Wiener Volkstheater. Nun wird das Werk wieder in den Spielplan aufgenommen und begeistert mit einer rasanten Darstellung der Geschichte des „Roten Wiens“.
7. Dezember 2017 |

Wien um 1900: Die Stadt befindet sich in Aufbruchstimmung. Die überholte Monarchie kann nicht mehr im alten Glanz auftreten, bezeichnenderweise werden die königlichen Gemächer in der ersten Szene des Stücks zu den Klängen des „Donauwalzers“ von einem altersschwachen Diener entstaubt. Technischer Fortschritt, Kampf um Frauenrechte, Arbeiter_innenbewegung – alles verlangt nach einer neuen Zeit, nach einem Aufbruch in die Moderne.

Entlang einzelner Biografien führt die Autorin und Regisseurin Christine Eder das Publikum durch die Geschichte der österreichischen Sozialdemokratie, von den Anfängen mit Viktor Adler bis zu ihrer Untergrabung in den 1930er-Jahren. Als beispielhafte Protagonistinnen dienen die Sozialistin und Begründerin der proletarischen Frauenbewegung Adelheid Popp (Steffi Krautz), die „rote“ Erzherzogin Elisabeth Petznek (Katharina Klar), Tochter des Kronprinzen Rudolf und überzeugte Sozialdemokratin, und ein fiktives Dienstmädchen (Jutta Schwarz), deren Rolle dem Vorbild der Widerstandskämpferin und KZ-Überlebenden Rosa Jochmann folgt.

Beeindruckend vielseitig

Musikalisch begleitet wird das Ganze, wie schon beim vorhergehenden Publikumserfolg der „Proletenpassion“ im Jahr 2015, von der Musikerin Eva Jantschitsch („Gustav“) mit Band. Mit ihrer mitreißenden und kraftvollen Stimme unterstreicht sie den erwachenden Kampf der Frauen für Selbstbestimmtheit und Gleichberechtigung, die erstarkende Arbeiterbewegung und den Untergang der Monarchie. Auch die Schauspieler_innen selbst dürfen ihre musikalische Seite unter Beweis stellen: ob Gesang, Tanz oder Klarinettenspiel – die Vielseitigkeit der Darsteller_innen fasziniert und bereitet einfach beim Zusehen Freude. Und wenn nach einer Szene, in der die Ausbeutung und das Elend des Proletariats im Mittelpunkt stehen, die Schauspieler_innen gefühlvoll im Chor die „Arbeiter von Wien“ anstimmen, während über ihren Köpfen eine riesige rote Fahne geschwenkt wird, möchte man am liebsten aufstehen und selbst mitsingen.

Auch ein Burschenschafter mischt sich in das Geschehen auf der Bühne ein, um die Frauenbewegung lächerlich zu machen – natürlich mit angesteckter Kornblume. Prompt hagelt es Zwischenrufe, Beschimpfungen und den einen oder anderen Schuh. Angesichts der hohen Anzahl der momentan ins österreichische Parlament einziehenden Burschenschafter kann die Stelle den Zuschauer_innen durchaus Anreize für den angemessenen Umgang mit diesen liefern.

Parallelen zur Gegenwart werden auch in weiteren Szenen gezogen. Entschlossen demonstrieren die Frauen für ihre Rechte und tragen ein Banner vor sich her, auf das verschiedene Bilder projiziert werden: darunter sowohl historische Fotos von Arbeiterinnen als auch aktuelle Bilder von Kopftuch tragenden Musliminnen. Die Botschaft könnte deutlicher nicht sein.

Aufstieg der Nazis

Die Inszenierung feiert die Errungenschaften der Sozialdemokratie – wie etwa Bildungsreformen, das allgemeine Wahlrecht, Gemeindebauten – genauso, wie sie ihre Versäumnisse anprangert. Eindrucksvoll geschildert wird der ungehinderte Aufstieg der Nationalsozialisten: während der Sozialdemokrat Otto Bauer ans Publikum gerichtet eine Rede hält und sich für den Anschluss Deutschösterreichs ausspricht, marschiert hinter ihm ein etwas dümmlich dreinblickender, ein österreichisches Fähnchen schwingender Nationalist. Im Laufe der Rede gesellen sich andere dazu, das Auftreten wird entschiedener, die Fahnen werden mehr und größer – bis irgendwann die uniformierte und bewaffnete Heimwehr aufmarschiert.

Beinahe karikaturistisch wirkt die Darstellung des austrofaschistischen Diktators Engelbert Dollfuß, der als unablässig Verbote stempelnder Wüterich ins Lächerliche gezogen wird. In der Darstellung der Februarkämpfe 1934 kann man mitverfolgen, wie die aufständischen Arbeiter verzweifelt nach Waffen suchen und auf Befehle warten, um schließlich von Panzern des Heeres überrollt zu werden. Innerhalb weniger Sekunden wandelt sich die Bühne zum Kriegsschauplatz.

Warnung

Jantschitsch betonte vor der Uraufführung im Oktober 2016 im Interview mit dem Kurier: „Uns ist es wichtig, ein klares antifaschistisches Statement zu setzen.“ Und das ist ihnen eindeutig gelungen. Im gleichen Interview wurde die Regisseurin mit dem Vorwurf konfrontiert, die Inszenierung sei ein wenig zu sehr „Frontalunterricht“. Tatsächlich werden den Zuschauer_innen große Mengen an geschichtlichen Fakten geliefert und häufig auch originale Zitate der Zeitgenoss_innen eingearbeitet. Doch, wie auch Eder selbst anmerkt, manchmal schadet ein bisschen Geschichtsunterricht eben nicht.

Schon 2016 weist Eder auf die Aktualität der Themen hin. Beispielsweise wenn Wörter wie „Lügenpresse“ fallen, wenn es um sexistische Aussagen geht oder um den Zulauf rechtsextremer Parteien in Zeiten wirtschaftlicher Krisen. Zwangsläufig fühlt man sich an die momentane Politik erinnert, wobei mit der drohenden schwarz-blauen Regierung der Grad der Aktualität und Brisanz im Vergleich zum Vorjahr noch gestiegen ist. Das Theaterstück muss als Warnung verstanden werden. Als Warnung, die gleichen Fehler nicht noch einmal zu wiederholen und die allzu deutlichen Zeichen nicht einfach zu übersehen.

Spieltermine: Montag, 22. Jänner, 19:30 Uhr und Samstag, 24. Februar, 19:30 Uhr. Weitere Infos hier.