Antirassismus fragt nicht nach der Einstellung der Opfer

Es zeichnet sich ab, dass bald wieder Rechtsextreme und Neonazis zu Aufmärschen gegen Moscheen mobilisieren werden. Wir sagen, dass Linke sich vor die Opfer solcher rassistischer Angriffe stellen müssen, auch wenn sie tiefgreifende politische Differenzen mit ihnen haben.
22. Mai 2018 |

FPÖ und ÖVP haben einen neuen Türöffner für die nächste Eskalation von antimuslimischem Rassismus gefunden – den Skandal um Bilder aus einer Wiener Moschee, auf denen Kinder zu sehen waren, die eine Schlacht aus dem Ersten Weltkrieg nachstellen. Die Moschee wird von ATIB betrieben, einem Kulturverein, der der türkischen Regierung nahe steht und als betont konservativ gilt. Die Titelseiten waren voll von den Bildern, Innenminister Herbert Kickl will alle ATIB-Vereine prüfen lassen, die Staatsanwaltschaft ermittelt, etc.

„Desintegrationspartei FPÖ“

Tatsächlich gibt es an ATIB genug zu kritisieren, vor allem steht der Vorwurf im Raum, ATIB würde Namen von Sympathisanten des Putsches gegen die AKP an Ankara weiterleiten. Das alles wird ganz klar zur Folge haben, dass viele Antirassist_innen sich nur schwer überwinden werden können, ATIB vor rechtsextremen Aufmärschen zu schützen.

Der beste Grund, es doch zu tun, ist die Natur des Angreifers! Die Grünen-Gemeinderätin Faika El-Nagashi konterte die Angriffe der Blauen bei einer Sondersitzung des Wiener Gemeinderats völlig richtig: „Sie haben keine Ahnung von Integration. Sie sind die Desintegrationspartei. Im Bund streichen Sie die Gelder für Bildung, für Integration, für Frauenförderung. Sie wollen die Budgetmittel für Integration an Schulen halbieren.“

Denn natürlich geht es der FPÖ nicht um Kritik an der konservativen Ausrichtung von ATIB. Sie nutzen und instrumentalisieren den Skandal, um die gesamte „muslimische Community zu diffamieren und ständig Wien schlecht zu machen“, wie El-Nagashi entgegnete. Die FPÖ hat für die besagte Sondersitzung den Titel „Schluss mit der rot-grünen Förderung radikalislamistischer und türkisch-nationalistischer Vereinsnetzwerke“ gefunden und die SPÖ schwer in die Defensive getrieben.

Antirassisten stärker

Die Defensive ist unnötig, wenn man klar vor Augen hat, mit welchem Ziel die FPÖ ihr Spielchen treibt. Sie wollen, dass wir alle Muslim_innen als Bedrohung sehen und sie wollen den schon vorhandenen Rassismus anheizen. Die unfassbare Gehässigkeit, mit der auf Facebook und in den Kommentarseiten der Tageszeitungen Pogromstimmung geschürt wird, ist paradiesisch für die FPÖ. Sie wollen offensichtlich eine Stimmung, in der Gewalt gegen eine Minderheit wieder völlig normal und akzeptabel wird. Tatsächlich sind ja Übergriffe gegen Muslime, vor allem gegen muslimische Frauen, schon an der Tagesordnung.

Aber die Zunahme von Rassismus hat trotz allem auf den Straßen noch keiner rechtsextremen oder faschistischen Bewegung zum Durchbruch verholfen. In den vergangenen Jahren haben wir jeden Vorstoß zu solch einer Bewegung im Ansatz gestoppt: die Aufmärsche von Pegida, die der FPÖ gegen Flüchtlingsheime (in Floridsdorf und Liesing) oder die Aufmarschversuche der „Identitären“. Das ist eine große Schwäche der Rechtsextremen, trotz aller Erfolge der FPÖ bei den Wahlen. Das ist ihnen völlig bewusst und deshalb rechnen wir mit neuen Versuchen.

Gefahr steht rechts

Wenn wir es mit Angriffen auf noch so konservative muslimische Vereine zu tun haben, dürfen wir nicht vergessen, dass die Bedrohung nicht von der Minderheit der Muslim_innen ausgeht, auch nicht von ihren rechten Vertreter_innen. Österreich droht keine Islamisierung, selbst dann nicht, wenn islamischer Fundamentalismus innerhalb der muslimischen Community Fortschritte machen sollte. Die Bedrohung hierzulande geht von Inländern aus, von sehr weit rechts stehenden Inländern, die eine Massenpartei hinter sich haben und die in Regierungsämter gehievt wurden. Die sind eine Gefahr sowohl für Menschenrechte als auch für soziale Standards und für Fortschritte, die im Kampf für die Frauenbefreiung gemacht wurden. Aber vor allem sind sie eine politische Gefahr.

Sie könnten es schaffen, die Kräfteverhältnisse ganz entscheidend zu ihren Gunsten zu verändern, so sehr, dass Linke und alle fortschrittlichen Kräfte sich isoliert fühlen und für lange Zeit in die Defensive gehen könnten. Was den Linken in Ungarn widerfahren ist, kann auch hier passieren, wenn wir in entscheidenden Momenten falsch reagieren. So ein Moment kann ein rechtsextremer Aufmarsch sein, eine rechtsextreme Attacke, der wir nicht entschieden gegenüber treten.

Damit wollen wir keine Katastrophenstimmung schüren, bisher ist die Bilanz der antirassistischen Proteste seit dem Antritt der Regierung großartig. Aber unterschätzen wir unsere Gegner nicht, denn sie bekommen Rückenwind durch Staat und Medien. Rassismus wird von oben geschürt, jeden Tag aufs Neue und wir müssen für die nächsten Anlaufversuche der Rechten gewappnet sein.