Aus für russisches Gas! Kommt jetzt die Energiewende?

Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise durch die Decke getrieben. Die europäische Union präsentiert ihre Bestrebungen nach Unabhängigkeit von russischem Gas als die perfekte Gelegenheit, um endlich von fossilen Brennstoffen loszukommen. Das Gegenteil tritt ein: massive Investitionen in Kohle und Flüssiggas rücken die Energiewende in noch weitere Ferne
14. Juni 2022 |

Schon vor der russischen Invasion gab es keine Aussicht auf einen Ausstieg aus fossilen Energien von oben, sprich durch Politiker_innen und Konzerne – im Gegenteil: die Zahlen zeigen, dass ihre Versprechen von Klimazielen und Ausstiegsbestrebungen schlicht gelogen sind. Allein in den Jahren 2020 und 2021 investierten die 30 größten börsennotierten Finanzkonzerne 740 Milliarden Dollar in fossile Energieprojekte und Dienstleistungen, wie die Initiative Influencemap feststellte. Auch Banken pumpen weiter Geld in fossile Brennstoffe.

Im Widerspruch zu ihren Zusagen aus dem Pariser Klimaabkommen, stiegen die Investitionen in fossile Brennstoffe 2021 noch weiter über das Niveau von 2016 (als das Abkommen unterzeichnet wurde), wie der 13. Jahresbericht von Banking on Climate Chaos zeigt. Banken, die April 2021 der Net-Zero-Alliance beigetreten sind, tätigen zeitgleich Öl- und Gasinvestitionen in Millionenhöhe und verursachen somit immense Klimaschäden.

Nicht besser handelt die Politik. Martin Empson hält in seinem Resümee über die UN-Klimakonferenz Cop26 fest, dass es eine Lücke von fast einem Grad Celsius zwischen den Netto-Null-Zielen der Regierungen und ihrer tatsächlichen Politik gibt. Während weder Öl noch Gas im Cop26 Abkommen Erwähnung fanden (was sich mit der relativen Bedeutung dieser Rohstoffe für den Globalen Norden leicht begründen lässt), schaffte es das Wort „Kohle“ zum allerersten Mal in die Vereinbarung.

Doch die groß beklatschte Kohleausstiegserklärung wurde von den größten Verbrauchern – China, Indien und USA – gar nicht einmal unterzeichnet. Der Markt bewegt sich eben in eine andere Richtung.

Jetzt geht´s um Kohle

Dass Unternehmen, die so viel in fossile Energien investiert haben, nicht aus Klimaliebe oder Solidarität mit der Ukraine plötzlich auf ihre Profite verzichten werden, liegt auf der Hand, und darum ist es auch nicht überraschend, dass als Alternativen zu russischem Gas jetzt in erster Linie andere fossile Quellen ausgebeutet werden.

Kli­maforscher Ottmar Edenhofer prognostiziert, dass die steigenden Energiepreise einen Trend vom Gas zur Kohle auslösen werden. Derzeit prüfen etwa Großbritannien und Italien die Rückkehr zum Kohleabbau, ebenso wollen Griechenland, Polen und Tschechien ihre Kohleindustrie wieder ankurbeln. Deutschland zieht die Möglichkeit in Betracht, den auf 2030 angesetzten Kohleausstieg angesichts des Kriegs in der Ukraine zu verzögern. Dabei sind die durch Kohle verursachten Umweltschäden extrem. Die Kohlekraftwerke, die derzeit in Betrieb, Bau oder Planung sind, verursachen Zeit ihres Lebens insgesamt 300 Gigatonnen Kohlendioxid. Das ist fast das gesamte CO2-Budget, das der Welt noch zur Verfügung steht, wenn sie die Erderwärmung auf 1,5 Grad begrenzen will.

LNG

Viele Länder setzen zudem auf verflüssigtes Erdgas (LNG) aus Ländern wie Katar, Ägypten und den USA. Eine Studie im Auftrag der European Climate Foundation kommt zu dem Schluss, dass zur Sicherstellung der Versorgung nur ein einziges LNG-Terminal in Finnland notwendig wäre, welches die baltischen Staaten mitversorgen könnte. Der Rest könne über Investitionen in erneuerbare Energien oder die Nutzung der derzeitigen LNG Infrastruktur gedeckt werden. Dennoch planen Länder wie Deutschland, Italien und Polen Milliarden in den Bau neuer Terminals zu stecken.

LNG, welches scheinheilig als „Übergangslösung“ zur Energiewende dargestellt wird, verbraucht in der Herstellung und Transport eine Menge Energie (bis zu ein Viertel des Gasgehalts), stammt oft aus Fracking-Quellen und verursacht Methanemissionen – ein zwar relativ kurzlebiges Gas, das jedoch enorme Treibhausgaswirkung hat. Insbesondere die USA will ihre Flüssiggas-Lieferungen angesichts des Kriegs in der Ukraine um ein Vielfaches ausbauen. Im Gegensatz dazu verpflichtet sich die EU in den nächsten acht Jahren 50 Milliarden Kubikmeter zusätzlich zu importieren.

Fehlende Investitionen in Erneuerbare

Medien und Politik machen uns glauben, dass der Umstieg auf erneuerbare Energien in vollem Gang sei. So propagiert etwa der Österreichische Klimafonds mit 300 Millionen Euro in das neue Förderjahr 2022 zu gehen, nur 58 Millionen davon fließen jedoch in den Ausbau erneuerbarer Energien (zu großen Teilen Leuchtturmprojekte wie Photovoltaik und solare Großanlagen). Zum Vergleich: Das WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung) ermittelte ein jährliches Gesamtvolumen an umweltschädlichen Subventionen in Österreich von 3,8 bis 4,7 Milliarden Euro, von denen ein Drittel (1,76 Milliarde) in den Energiesektor fallen.

Österreich ist dabei keine Ausnahme: Ja, es finden Investitionen in erneuerbare Energien statt, aber nur zu einem Bruchteil von dem, was notwendig ist. Der marxistische Ökonom Michael Roberts geht davon aus, dass es etwa 4 Billionen Euro jährlich über die nächsten 10 Jahre bräuchte, um die Pariser Klimaziele zu erreichen. Das sind nicht mehr als 2,5 Prozent des Welt-BIPs.

Cop26 hat gezeigt, dass die reichsten Länder der Welt nicht einmal die versprochenen 100 Milliarden (für den Umstieg in ärmeren Ländern, die meisten in Form von Darlehen) eingehalten haben. Wir haben während der Pandemie gesehen, und wir sehen es auch bei der Aufrüstung der Ukraine, dass genug Geld da wäre.

Es gibt keinen grünen Krieg

Sanktionen sind ein Mittel der Kriegsführung. So äußerte sich Robert Habeck beim Sonder-Energieministerrat in Brüssel: „Energiepolitik ist Sicherheitspolitik.“ Sie sind somit insbesondere auch ein Mittel den Westen gegen die anderen imperialen Großmächte wie Russland und China zu einen. Dabei treffen Sanktionen vor allem die arbeitende Bevölkerung in Russland und dem Rest der Welt. Ein ökonomische Zusammenbruch Russlands, wie er durch Sanktionen angestrebt wird, ist sicher nicht friedenstiftend, sondern könnte im Gegenteil zu immensem Leid in der russischen Bevölkerung und einer militärischen Eskalation führen.

Umso falscher ist es, die Energiesanktionen gegen Russland, jetzt als Ausstieg aus fossilen Brennstoffen grün einzufärben. Der Glaube, man könne Klimakampf und Kriegsführung unter einen Hut bringen, ist schlichtweg falsch. Moderne Kriegsführung beruht auf fossilen Energien. Weltweit ist das Militär für 5% aller Emissionen verantwortlich, wobei das US-Militär allein mehr flüssige Brennstoffe verbraucht und Emissionen ausstößt als die meisten Nationen. Die Aufrüstungswelle (100 Milliarden allein in Deutschland), die diesen Krieg begleitet, wird also immense Klimafolgen haben.

Im Ecosocialist Statement zum Ukrainekrieg ist zu lesen: Die Kriegsmaschinen „sind große Verursacher von Kohlenstoffemissionen und haben katastrophale Auswirkungen auf die Umwelt insgesamt, einschließlich der biologischen Vielfalt, und dieser Krieg verstärkt auch die Gefahr einer anhaltenden Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen wie Öl und Gas.“

Was es braucht, ist nicht Energieunabhängigkeit, sondern den gesamten Umbau des Energiesektors, inklusive dem vollkommenen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen. Dieser kann aber nur unabhängig von Profitinteressen vollzogen werden. Wir brauchen Ökosozialismus, weil es keine klimafreundliche Energiepolitik geben wird, solange Energie nicht unter kollektive und demokratische Kontrolle gestellt wird.

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