Biden, Putin, Xi Jinping – Die neue Weltunordnung

US-Präsident Joe Biden erklärte bei einem Treffen am 21. März im Weißen Haus mit Konzernchefs: „Jetzt ist eine Zeit, in der sich die Dinge verschieben. Es wird eine neue Weltordnung geben, und wir müssen sie anführen. Und wir müssen den Rest der freien Welt dabei vereinen.“ Die USA nutzt den Ukrainekrieg, um ihren globalen Führungsanspruch auszubauen. Biden und Putin bringen die Welt an den Rand eines Atomkriegs.
14. Juni 2022 |

Der Ukraine-Krieg ist der nächste Akt einer zunehmend sich desintegrierenden Weltordnung. Waren die letzten zwei Jahrzehnte von asymmetrischer Kriegsführung gegen nicht staatliche Player (Taliban, IS, YPG, FARC, FSA, Hisbollah, Drogenkartelle usw.) geprägt, kehren klassische Kriege zwischen Staaten bzw. Machtblöcken zurück. Mit gigantischen militärischen „Hilfspaketen“ (33 Milliarden US-Dollar) machte die USA den Ukrainekrieg zu einem Stellvertreterkonflikt.

Atomwaffen sind zurück

Galten die Atomwaffenarsenale seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion als Überreste einer vergangenen Epoche, ist Atomkrieg seit Februar 2022 wieder auf dem Tisch. Gegenüber der Nachrichtenagentur Ria Nowosti erklärt Putin: „Wir werden uns dessen nicht rühmen. Wir werden sie einsetzen, wenn es sein muss. Und ich möchte, dass jeder davon erfährt.“
George Beebe, ehemaliger Russland-Analyst der CIA, nimmt die atomaren Drohungen aus Russland ernst: „Die Russen haben die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass alle anderen verlieren, wenn sie selbst verlieren“. Die US-Regierung ist bereit, dieses Risiko einzugehen. Die jüngst angekündigte Lieferung von Langstreckenraketen an die Ukraine, sie reichen bis nach Moskau, ist eine brandgefährliche Eskalation.

Neu ist, dass umfassende Kriege zwischen Staaten wieder Teil des Spiels am globalen Schachbrett geworden sind.

Bereits der Nato-Gipfel Mitte März zielte auf die Mobilisierung der westlichen Kampfbereitschaft. Nato- Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte: „Wir werden Russland weiterhin beispiellose Kosten zufügen. Es sind jetzt acht multinationale NATO-Battlegroups, von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer positioniert. Sie werden von 100.000 US-Soldaten unterstützt. Gleichzeitig patrouillieren fünf Flugzeugträgerkampfgruppen vom hohen Norden bis zum Mittelmeer. “

Wenn die NATO bereit ist, den Krieg aus russischer Perspektive von einem Angriffs- in einen Verteidigungskrieg zu verwandeln, dann rückt der Einsatz von Nuklearwaffen immer näher.

Neue alte Weltordnung

Selbst wenn es nicht soweit kommt, Biden versucht den Ukrainekrieg zu nutzen, um die in Bedrängnis gerate Rolle der USA als globale Führungsmacht zu festigen. Die Geopolitik-Journalistin Robin Wright erklärte zu Beginn Bidens Präsidentschaft: „Biden wird nicht in der Lage sein, die dominante Rolle der Vereinigten Staaten auf der Weltbühne wiederherzustellen“:

Die Flucht der USA aus Afghanistan schien diese Skepsis zu bewahrheiten. Die Niederlage schürte den europäischen Traum vom selbstständigen Imperialismus. 2019 hatte der französische Präsident Macron die NATO noch als „hirntot“ bezeichnet. Mit dem Ukrainekrieg wurde sie zum Wahlargument: „Gewinnt Le Pen, treten wir aus der NATO aus und werden zum Anhängsel Russlands“, so Macrons Wahlkampfbotschaft. Die geplanten Beitritte von Finnland und Schweden zur NATO Ende Juni passen in das Muster.

Ukraine als Chance für Biden

Mittlerweile redet in Europa kaum jemand mehr vom selbständigen EU-Imperialismus. Im chinesischen Geopolitik-Think-Tank U.S.-China Perception Monitor analysiert Hu Wei von der Shanghaier Forschungsgemeinschaft für öffentliche Politik: „Derzeit glaubt die Öffentlichkeit, dass der Ukraine-Krieg einen vollständigen Zusammenbruch der US-Hegemonie bedeutet, aber der Krieg wird in Wirklichkeit Frankreich und Deutschland, die sich beide von den USA lösen wollten, wieder in den Verteidigungsrahmen der NATO einbinden und Europas Traum von einer unabhängigen Diplomatie und Selbstverteidigung zerstören.“ Von den 3,3 Millionen aktiven NATO-Soldaten werden 1,35 Millionen von den USA gestellt. Ohne USA keine NATO; NATO bedeutet Unterordnung unter die amerikanische Führung, so einfach ist das.

Die US-Hegemonie existiert nicht mehr

China, Indien, Vietnam, Süd-Afrika, Kuba und 31 weitere Staaten blieben der UN-Resolution gegen den russischen Angriffskrieg fern. Nicht zuletzt, weil viele dieser Staaten wirtschaftlich und militärisch mit Russland kooperieren. Von Sanktionen gegen Russland ließ sich im globalen Süden kaum jemand überzeugen. Von den zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Welt beteiligt sich nur die USA an Sanktionen. Das Coronavirus hat die Distanz zwischen den Zentren und Peripherien des Kapitalismus vertieft, man wird es Europa und den USA nicht vergessen, dass sie die Impfpatente nicht freigeben.

Mit der Obama-Administration begann die USA, ihr geopolitisches Gewicht aus dem Mittleren Osten abzuziehen und dafür ihre Kräfte im pazifischen Raum zu konzentrieren. Der Ukrainekrieg fungiert als Testlauf für kommende Konfrontationen im Pazifik.

Die Fokussierung der US-Politik auf Russland und China verprellt klassische US-Bündnisspartner. Während des Negev-Gipfels im März 2022, einem geglückten Annäherungsversuch zwischen Israel und Ägypten, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten, wurde den USA ausgerichtet, dass die Ukraine kein relevantes Thema ist. Saudi-Arabien und die Emirate erdreisten sich, das Gesuch der USA auf eine Steigerung der Ölproduktion abzulehnen. Die USA wiederum verhandeln mit Iran, dem Erzfeind der israelisch-arabischen Freunde, über ein Ende der Sanktionen. Biden will iranisches Öl wieder auf dem Weltmarkt unterbringen.

Sowohl die USA als auch Russland verfügen über U-Boote mit atomaren Sprengkörpern in den jeweiligen Küstenregionen. Im Falle eines Krieges könnten sie binnen Minuten abgefeuert werden.

Eine Analyse der aktuellen globalen Lage muss von der Differenz zwischen Zentrum und Peripherie des globalen Kapitalismus ausgehen. Das Zentrum, welches sich um die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) formiert, steht hinter den USA, die Peripherie wechselt zwischen den führenden Machtblöcken. Bidens Führungsanspruch auf die neue Weltordnung steht demnach vor massiven Problemen.

USA gegen China – die nächste Front

Der durch die Sanktionen ausgelöste Rückzug westlicher Konzerne aus Russland öffnet die Bahn für China. Ob Rohstoffe, Investitionen, Technologien oder Energie, China wird den russischen Markt sowohl im Import als auch im Export dominieren. Der Politikwissenschaftler Ian Bremmer geht so weit, dass er Russland als zukünftigen „ökonomischen, finanziellen und technologischen Bittsteller“ gegenüber China sieht.

Mit der Obama-Administration begann die USA, ihr geopolitisches Gewicht aus dem Mittleren Osten abzuziehen und dafür ihre Kräfte im pazifischen Raum zu konzentrieren. Der Ukrainekrieg fungiert als Testlauf für kommende Konfrontationen im Pazifik. China stellt eine deutlich realere Bedrohung für die Führungsrolle der USA dar, als Russland, welches seine Macht primär aus Nuklearwaffen schöpft.

Der jährliche Bericht des Verteidigungsministeriums an den US-Kongress über die militärische Entwicklung Chinas von 2020 kommt zu dem Ergebnis, dass China bis 2049 mit der USA in Sachen militärischer Macht gleichziehen könnte. Bereits jetzt sei China den USA in den Bereichen „Schiffbau, landgestützte konventionelle ballistische Raketen und Marschflugkörper und integrierte Luftverteidigungssysteme“ überlegen.

Es wird finster

China wird also aus dem Krieg gestärkt hervorgehen, Russland als untergeordneter Vasall. Europa wird sich disziplinierter hinter die USA einreihen. Die Staaten der Peripherien werden zwischen den Machtblöcken China und USA changieren. Auf ökonomischer Ebene werden westliche Konzerne wieder exzessiv in fossile Energieträger investieren. Im Pazifik, allen voran über Taiwan (China erkennt dessen Unabhängigkeit nicht an, die USA und die mit ihr verbündeten pazifischen Staaten, Japan und Südkorea wollen es unterstützen) bahnt sich die nächste Eskalation an.
Die neue Weltordnung ist der Versuch der USA, ihre Stellung als imperiale Führungsmacht zu manifestieren und auszubauen.

Neu ist, dass umfassende Kriege zwischen Staaten wieder Teil des Spiels am globalen Schachbrett geworden sind. Zusammengefasst ist Bidens neue Weltordnung die Brutalisierung der alten, mit dem Zusatz des sich beschleunigenden Klimawandels.

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