Deutschland: Gewaltige Proteste erschüttern Freihandelsabkommen TTIP

Sagenhafte 250.000 Menschen demonstrierten am 10. Oktober in Berlin gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Der geplante Angriff auf Arbeitsrechte, soziale Sicherheit, Umweltschutz und Demokratie treibt Arbeiter_innen und Konsument_innen auf die Barrikaden.
9. November 2015 |

Wochenlang hatte das zivilgesellschaftliche Bündnis Stop TTIP und CETA, das aus über 170 Organisationen besteht, für die Großdemonstration mobilisiert. Mit dabei sind der Deutsche Gewerkschaftsbund, Umwelt- und Verbraucherschutzorganisationen wie Greenpeace, Foodwatch, WWF und Attac, Parteien wie Die Linke, die Grünen und die Piraten.

Das breite Bündnis ging mit zwei klaren Forderungen auf die Straße: Die Verhandlungen zu TTIP müssen eingestellt und das bereits abgeschlossene Abkommen CETA darf nicht ratifiziert werden. Bereits am Vorabend reisten Demonstrant_innen mit 600 Bussen und fünf Sonderzügen aus ganz Deutschland an. Innerhalb eines Jahres wurden durch eine europäische Bürger_inneninitiative über 3,26 Millionen Unterschriften gesammelt.

Trojaner namens TTIP

© Jakob Huber (campact)
© Jakob Huber (campact)

Trotz der Versuche der EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström, das Freihandelsabkommen den EU-Bürger_innen möglichst schmackhaft zu machen (diesmal mit Argumenten wie Umweltschutz, erhöhten Arbeitnehmer_innenstandards und dem angeblichen zukünftigen Profit für Klein- und Mittelunternehmen), lassen sich Kritiker_innen nicht täuschen.

Die Senkung von „Handelshemmnissen“, wie den europäischen Umweltstandards, würde etwa die für die Umwelt katastrophale Gasgewinnungsmethode des „Frackings“ ermöglichen. Klein- und Mittelunternehmen hätten entgegen der Behauptung Malmströms weitere Wettbewerbsnachteile gegenüber den sogenannten „Global Playern“.

Mächtige Konzernriesen

Zu guter Letzt würden Großkonzernen mit dem Klagerecht gegen Staaten für entgangene Gewinne ein Mittel in die Hände gelegt werden, mit dem sie demokratische Beschlüsse umgehen und teilweise Staaten damit erpressen können. Wie mächtig und einflussreich multinationale Konzerne sein können, zeigt das Beispiel des Chemiekonzerns Dow Chemical, der das giftige Pestizid Sulfoxaflor herstellt, das zum Massensterben von Bienen beigetragen hat.

Dieses Gift wurde nun per US-Gerichtsurteil in den USA verboten, jedoch in der EU zugelassen. Die EU verließ sich dabei auf einen Umweltverträglichkeitsnachweis von Dow Chemical selbst, anstatt diesen Wirkstoff von einem unabhängigen Forschungsinstitut untersuchen zu lassen.

Antikapitalistischer Zugang

Der Großteil der Teilnehmer_innen der Großdemonstration sieht im Freihandelsabkommen sowohl ein Werkzeug der herrschenden Eliten als auch einen Angriff auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen der Lohnabhängigen.

„Karl Marx nannte die Herrschenden der kapitalistischen Staaten ‚eine Bande verfeindeter Brüder‘.“

Aktivist Jules El-Khatib erklärt im Interview mit marx21: „Karl Marx nannte die Herrschenden der kapitalistischen Staaten ‚eine Bande verfeindeter Brüder‘. Verfeindet, weil die Herrschenden in ökonomischer und militärischer Konkurrenz um die Aufteilung der Welt stehen. Brüder deshalb, weil sie punktuelle Bündnisse schmieden, um ihre Interessen durchzusetzen, und alle zusammenstehen, wenn ihr System von unten bedroht wird.“ Themen wie die Flüchtlingsbewegung wurden von den Demonstrant_innen ebenfalls aufgegriffen. Das Banner von Die ­Linke­ -NRW (Nordrhein-Westfalen) titelte „Grenzen auf für Flüchtlinge statt Profite ohne Grenzen – Refugees Welcome – Stopp TTIP-TISA-CETA“.

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Der Protest der Bevölkerung versetzt die Eliten in Panik, wie man am Beispiel des SPD-Politikers Sigmar Gabriel sehen kann – noch am Tag der Demonstration ließ er Werbeinserate für TTIP mit der Aufschrift „Bangemachen gilt nicht“ schalten.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.