Corona-Kapitalismus: Ein Menschenleben ist nichts – Profit alles

Das oberste Gebot sei „der Schutz der Wirtschaft“, wenn dabei „ein paar Rentner draufgehen, ist das halt Pech“ – so kommentierte der Chefberater des englischen Premiers Johnson, Cummings, die Coronakrise. Wirtschaftsliberale Politiker wollen die Alten und Schwachen am Altar der Profitproduktion opfern. Diese Gedanken stammen nicht nur von moralischen Schweinen, sondern sie bringen die vernichtende Logik des Kapitalismus auf den Punkt.
11. Mai 2020 |

Die einfachste Formel, in der Marx den Kapitalismus beschrieb, ist: Geld-Ware-Produktion-andere Waren- mehr Geld (G-W-P-W´-G´). In dieser Formel ist der Mensch nichts anderes als der entscheidende Produktionsfaktor, der durch seine Arbeitskraft Rohstoffe in Waren verwandelt, welche für Profit verkauft werden können. Der wirtschaftsliberale Journalist Jeremy Warner erkennt im Tod von Menschen, die nichtmehr arbeiten können, einen kostensenkenden Faktor: „Ohne zu sehr ins Detail zu gehen, könnte sich das Covid-19 langfristig sogar als leicht vorteilhaft erweisen, indem es unverhältnismäßig viele ältere Angehörige aus dem System stößt“. Doch wir sollten uns fragen, wie verrückt ein Wirtschaftssystems ist, indem Menschenleben weniger zählen als Profite.

Fortschritt?

Die Coronakrise demoliert das Propagandamärchen vom Kapitalismus als bestes aller möglichen Wirtschaftssystem. Die aktuelle Covid19-Epidemie ist nicht die erste Coronavirus-Epidemie. Die zwei vergangenen Epidemien des 21. Jahrhunderts, Sars und Mers, beruhten auf relativ ähnlichen Virenstämmen. Gegen beide wurde an Impfstoffen geforscht, diese wurde nach dem Ende der Epidemien wieder eingestellt. Peter Jay Hotez entwickelte 2016 einen Impfstoff gegen einen Strang der Coronaviren, der eventuell auch gegen die aktuelle Epidemie helfen könnte. Die Forschung kam nie über die erste Testphase hinaus, weil die Finanzierung fehlte. Gegenüber der NBC beschrieb er seine aktuellen Versuche, Finanzierung vonseiten der großen Pharmaunternehmen zu erhalten, als hoffnungslos. Ein Unternehmer erklärte ihm: „Nun, wir halten uns zurück, um zu sehen, ob dieses Ding Jahr für Jahr wiederkommt“.

Ganz in diesem Sinne fragte 2018 eine wissenschaftliche Studie der Investmentbank Goldman Sachs (diese finanziert nahezu alle großen Pharmaunternehmen der Welt): „Ist die Heilung von Patienten ein nachhaltiges Geschäftsmodell?“. Die Antwort der Wissenschaftler ist ein eindeutiges Nein. Weder Hunger noch Krankheit sind im Kapitalismus Produktionsgründe, nur der potenzielle Profit, der mit einem Produkt erreicht werden kann, zählt.

Konkurrenz

Die im Kapitalismus allgegenwärtige Konkurrenz sowohl zwischen Unternehmen als auch zwischen Nationalstaaten radikalisiert diese mörderische Logik. Mitte März wurde bekannt, dass Trump versuchte, das deutsche Labor CureVac, das am Coronavirus forscht, in die USA zu holen. Er verfolgte damit das Ziel, ein Monopol auf den begehrten Corona-Impfstoff zu erhalten. China und die USA verfügen über das größte technische Know-how in der Impfstoffforschung. Beide Staaten beteiligen sich nicht an globalen Forschungskooperationen. Sie wollen die alleinige Kontrolle über den Impfstoff, um dadurch ihre politische Macht auszuweiten.

Gesundheitssysteme

Schon jetzt herrscht am Markt für medizinische Produkte ein verrückter Wettbewerbskampf. Der Preis für Atemschutzmasken der Marke FFP2 stieg innerhalb von drei Tagen (25.-27. Februar) um 600%, von 2 Euro auf 13,52 Euro. Olaf Berse, Geschäftsführer von Clinicpartner, einer deutschen Einkaufsgemeinschaft für Krankenhäuser, erklärte: „Es ist Wildwest. Jeder versucht jetzt, sich zu bereichern, die Not der Krankenhäuser auszunutzen“. Als in italienischen Krankenhäusern keine Beatmungsgeräte mehr vorhanden waren, wollten die beiden Ingenieure Cristian Fracassi und Alessandro Romaioli Ventile für Atemgeräte mittels eines 3D-Druckers herstellen. Doch die Firma Intersurgical weigerte sich, die Baupläne der Ventile zur Verfügung zu stellen, Patentrechte waren den Managern der Firma wichtiger als Menschenleben. Doch die beiden Helden brachen das Gesetz und bauten die Ventile einfach nach.

Revolution

Beispiele für die menschenverachtende Verrücktheit der freien Marktwirtschaft finden sich endlos. Alleine in Wien stehen über 30.000 Wohnungen leer, während es für Obdachlose oder Flüchtlinge in überfüllten Quartieren keine Möglichkeit für soziale Distanz gibt.
In Zeiten politischer und wirtschaftlicher Stabilität gelingt es dem Kapitalismus, sich selbst als alternativlos darzustellen. Doch soziale Katastrophen, egal ob Kriege, Hungersnöte, Wirtschaftskrisen oder die aktuelle Coronakrise – sie alle verstärken den Ruf nach radikalen Veränderungen. Heute kämpfen wir gegen die Profitsucht um unser Leben. Uns muss es gelingen diesen Ruf in die Praxis umzusetzen.