Debatte um #metoo ist wichtig zur Bekämpfung von Sexismus

Unter dem Hashtag #metoo posten Frauen seit mehreren Wochen ihre Erfahrungen von sexueller Belästigung bzw. Übergriffen im Internet. Olga Weinberger schreibt, warum Nina Prolls (Schauspielerin) Argumentation Täter aus ihrer Verantwortung zieht und warum die Diskussion um #metoo ein wertvoller Beitrag zur Bekämpfung von Sexismus ist.
17. November 2017 |

„Für einen Mann wäre es umgekehrt keine Belästigung, wenn ich ihn im Bademantel zum Oralsex zwingen würde. Das ist bestenfalls eine lustige Episode in seinem Leben.“, sagte Schauspielerin Nina Proll in der Puls 4-Sendung Pro und Contra vom 6. November 2017, in der es um die #metoo-Debatte ging (Unter dem Hashtag #metoo posten Frauen seit mehreren Wochen ihre Erfahrungen von sexueller Belästigung bzw. Übergriffen im Internet).

Als ein Kollege von mir das hörte, meinte er, es sei für ihn genauso eine Vergewaltigung wie für eine Frau. Nach Prolls Argumentation können Männer gar nicht anders, als permanent an Sex zu denken, als wären sie unmündige Wesen, die sich nicht beherrschen könnten, wenn sie nackte Haut sehen. Ich finde dieses Bild, das Nina Proll von Männern hat, unglaublich sexistisch. Natürlich gibt es sexistische Arschlöcher unter Männern, die tatsächlich nicht die Grenze kennen, aber die meisten Menschen wissen sehr wohl, wo sexuelle Belästigung beginnt. Deshalb muss man auch keine Angst haben, dass bei der Debatte um #metoo das Flirten und die Erotik verloren geht. Die meisten Menschen mit Hausverstand gehen vorher sicher, bevor sie eine Person, die sie mögen, angraben.

Was an Nina Prolls Argumentation zusätzlich furchtbar stört, ist, dass sie die Schuld bei Frauen sucht und nicht bei Männern („denn diesen müsste zuerst die Grenze gezeigt werden“). Hat eine Frau nicht ordentlich Nein gesagt, ist es ihre Schuld. Ich frage mich, wie oft eine Frau ihrer Meinung nach „Nein“ sagen muss, bis es gilt.  Außerdem erklärt sie, wenn eine Frau an ihrem Arbeitsplatz sexuell belästigt wird, solle sie doch einfach den Job wechseln. Dass das für den Großteil der Frauen keine Option ist, weil diese finanziell von ihrem Job abhängig sind, scheint sie nicht zu realisieren.

Die Schauspielerin Gabriele Benesch erzählte als Antwort auf Nina Prolls umstrittenes #notmee Posting auf Facebook von ihrer persönlichen Erfahrung der sexuellen Belästigung. Proll antwortete darauf, dass es sie nicht wundere, wenn Benesch belästigt werde, weil sie jedem am Filmset immer ihre Brüste entgegen gestreckt habe (dieses Posting hat Benesch mittlerweile gelöscht). Es ist unglaublich ekelhaft, was Proll hier von sich gibt! Würde man ihre Argumentation weiterführen, wären also Frauen selbst schuld, wenn sie vergewaltigt würden, denn sie hätten vielleicht zu kurze Röcke angehabt! Kein Wunder, dass hauptsächlich Männer positiv auf Prolls Posting auf Facebook reagierten. Ihre Argumentation zieht sämtliche Täter völlig aus der Verantwortung!

Viele der Kritiker von #metoo meinen, dass Frauen sich nur wichtig machen wollen. Dabei hat der Hashtag #metoo eine dringend notwendige Debatte über Sexismus und über Gewalt an Frauen ausgelöst. Denn entgegen dem aktuellen gesellschaftlichen Konsens sind Frauen noch nicht vollends gleichberechtigt: nach wie vor bekommen wir nicht den gleichen Lohn für gleiche Arbeit, stehen heutzutage unter Druck, eine Karrierefrau zu werden und gleichzeitig in unserer Rolle als Mutter und Ehefrau zu glänzen. Nebenbei wird uns ständig suggeriert, wie wir uns kleiden und wie wir aussehen sollen. Fast jede Frau ist in ihrem Leben in irgendeiner Form von sexueller Belästigung bzw. Übergriffen betroffen.

Hanna Herbst, die stellvertretende Chefredakteurin von Vice, hat es in der Sendung richtig formuliert: „Frauen sollen erst gar nicht in die Situation kommen müssen, Nein zu sagen.“ Dem kann ich nur zu 100% zustimmen. Die Diskussion über #metoo ist ein erster wichtiger Schritt, auf Missstände in unserer Gesellschaft aufmerksam zu machen. Der zweite Schritt wäre, auf die Straße zu gehen, um bestehende Machtverhältnisse umzukrempeln und das kapitalistische System zu stürzen.

Olga Weinberger

(Aktivistin)

Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider