Der Mord an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht

„Erschlug man Luxemburg und Liebknecht, erschlug man die Revolution“, meinte Autor Klaus Gietinger, der 1995 endlich – fast acht Jahrzehnte nachher – den Tathergang vom 15. Jänner 1919 restlos aufklären konnte. Ans Tageslicht kam die erschreckend tiefe Verstrickung der SPD in die Geschehnisse. Die Spur führte bis ins faschistische Österreich der 1930er-Jahre.
15. Januar 2016 |

Ausgehend vom Kieler Matrosenaufstand im November 1918, als sich Deutschland der größten Massenbewegung seiner Geschichte gegenüber sah, waren Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht gerade aus der Haft entlassen worden. Rosa, die jahrelang noch aus dem Gefängnis heraus versucht hatte, gegen den Krieg anzuschreiben und die Arbeiter_innenbewegung trotz der SPD-Führung auf einem revolutionären Kurs zu halten, erkannte die einzigartige revolutionäre Gelegenheit.

Nachdem ihre Gegner mit SPD-Beteiligung immer mehr Militär auffuhren, entschloss sie sich schließlich zur Gründung der KPD. Dass all diese Aktivitäten sie früher oder später mindestens wieder ins Gefängnis bringen würden, konnte sie damals schon voraussehen. Als am 5. Jänner Liebknecht den Spartakusbund zu einem voreiligen Aufstand aufrief, wurde die Situation besonders brenzlig und Rosa und er mussten untertauchen.

Verhaftung und Ermordung

Die Garde-Kavallerie-Schützen-Division (GKSD), die stärkste konterrevolutionäre militärische Organisation unter der Führung eines gewissen Hauptmann Waldemar Pabst, war inzwischen schon monatelang dabei, „spartakistisch verseuchte Elemente“ zu überwachen und zu liquidieren. Pabst, ein gnadenloser Protofaschist, hatte entsetzt die Gefahr erkannt, die von Rosa ausging. Er hatte eine ihrer Reden gehört und berichtete: „Sie war gefährlicher als alle anderen, auch die mit der Waffe.“ Am Abend des 15. Jänner wurde das Versteck von Luxemburg und Liebknecht ausgehoben. Während Karl noch versuchte, seine Identität zu leugnen, beeindruckte Rosa die eingefleischten Militaristen: „Fräulein Luxemburg sagte, sie sei nicht Fräulein Luxemburg, sondern Frau Luxemburg“, berichteten sie, und dass sie – quasi in Erwartung ihrer Exekution – ihren zerrissenen Rocksaum nähte und in Goethes Faust las.

Waldemar Pabst saß im Nebenzimmer, froh seine Intimfeindin dingfest gemacht zu haben, und hatte längst beschlossen, beide „erledigen“ zu lassen. Und die offizielle Erlaubnis dafür holte er sich sogleich telefonisch aus der Reichskanzlei. Gustav Noske, ein rechter SPD-Führer – von dem sich Zeitgenossen fragten, „wo er in seinem gewaltigen Körper sein soziales Gewissen und sein sozialdemokratisch rotes Herz aufbewahrt“ –, gab seinem Freund Pabst freie Hand. Liebknecht und Luxemburg wurden einzeln abgeführt. Karl wurde niedergeschlagen und schließlich erschossen, seine Leiche als „unbekannt“ abgeliefert. Auch Rosa, die einer enormen Hetze ausgesetzt war, eine „Hure“ und ein „Teufelsweib“ genannt wurde, wurde erst mehrmals mit einem Kolben niedergeschlagen und dann auf einer Autofahrt erschossen.

Nachspiel

Ihre Leiche wurde in den Landwehrkanal geworfen und erst im Mai von Schleusenarbeitern entdeckt. Die offizielle Version der Geschehnisse am Tag danach lautete folgendermaßen: Liebknecht habe einen Fluchtversuch begangen und sei von der Begleitmannschaft erschossen worden, Luxemburg sei in die ihr drohende Menschenmenge gezogen worden, die auf sie einschlug. Später am Kanal sei sie den Wächtern, erneut von einer Masse aufgebrachter Gegner, entrissen und gelyncht worden.

Weil Zeugen weder eine große Menschenmenge gesehen hatten, noch der Platz um das Hotel Eden zu dieser Zeit frei zugänglich waren, wurde diese Geschichte allerdings bald als falsch erkannt. Auch die Obduktionen sprachen eine andere Sprache. Im ganzen Reich kam es daraufhin zu Unruhen und bürgerkriegsähnlichen Zuständen, tausende Linke wurden dabei getötet und die Revolution vorerst eingedämmt.

Die Karriere Pabsts

Den Tätern, mehrere niedrigere und höhere Militärs, wurde ein Scheinprozess gemacht: einer der Richter war ein Freund Pabsts und die Strafen waren nicht nennenswert. Noske selbst verfügte die Einstellung der Verhandlung und unterschrieb das Urteil. Der letzte, der seine Strafe für die Morde absaß, wurde 1933 von Hitler höchstpersönlich begnadigt und entschädigt. Pabst sagte später über seine Kollaboration mit der SPD: „Nur ganz wenige Menschen haben begriffen, warum ich nie vernommen oder unter Anklage gestellt worden bin… Als Kavalier habe ich das Verhalten der damaligen SPD damit quittiert, dass ich 50 Jahre lang das Maul gehalten habe über unsere Zusammenarbeit.“

Waldemar Pabst war an mehreren Putschversuchen zur Errichtung einer Militärdiktatur in Deutschland beteiligt und wurde schließlich von Prälat Ignaz Seipel, dem damaligen österreichischen Bundespräsidenten, in Österreich aufgenommen. In Innsbruck baute er zehn Jahre lang die faschistische Heimwehr auf und hatte den Befehl beim Justizpalastbrand 1927, wo 89 Arbeiterinnen und Arbeiter ermordet wurden.

Was bleibt von Luxemburg?

Rosa war eine der ersten wirklichen Antimilitaristinnen, die den imperialistischen Ersten Weltkrieg von Anfang an schärfstens verurteilte. Sie glaubte wie kein anderer an die Selbstbefreiungskraft der Arbeiter_innenklasse und beteiligte sich niemals an der so weit verbreiteten Angstmache vor der „wilden Masse“. Sie tat dies alles vollkommen überzeugt als Internationalistin, die den Patriotismus der SPD verurteilte und den Grundsatz verteidigte, dass Sozialismus in einem Land keine Perspektive hat.

Rosa konnte sich ihren Respekt sowohl bei Intellektuellen, als auch beim Proletariat durch ihre absolute Glaubwürdigkeit, Solidarität und grenzenlose Aktivität erkämpfen und gegen alle Verleumdungen behalten. Vor allem aber war sie eine unermüdliche Revolutionärin, die in den wichtigen Fragen stets kompromisslos und integer blieb.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.