Der Mythos der Trümmerfrauen ist eine Geschichtsfälschung

Die Enthüllung eines Denkmals für die österreichischen Trümmerfrauen am 1. Oktober durch Strache und dem FPÖ-nahen Cajetan-Felder-Institut, löste eifrige Diskussionen aus. Für die einen waren sie Heldinnen der frühen 2. Republik, für andere ein aufgebauschter Mythos. Dass Trümmer auch von Zwangsarbeitern oder Frauen, die dafür Lebensmittelkarten erhielten, geräumt wurden, wird kaum erwähnt.
12. November 2018 |

Wer kennt denn nicht die Geschichten über das schwere Leid der Trümmerfrauen, die einem schon von Kindesbeinen an erzählt wurden? Ganz selbstlos schleppten sie nach Ende des 2. Weltkrieges Ziegel, zerkleinerten Betonbrocken und räumten die Straßen – das alles natürlich mit bloßen Händen! Beklagt haben sie sich nie, taten sie das doch alles nur aus Liebe zu Österreich. Die Männer waren ja nicht da und irgendwer musste diese Arbeit doch erledigen. Wenn man diesen Geschichten Glauben schenkt, könnte man annehmen, dass ohne ihren Einsatz Wien heute noch in Schutt und Asche liegen würde.

Für Entrüstung sorgt man schnell, wenn man durch kritische Fragen an diesem Bild rüttelt. Man bekommt den Vorwurf zu hören, die Leistung der Trümmerfrauen nicht zu würdigen. Diese waren jedoch nicht so freiwillig, wie viele Österreicher glauben. Der Trümmerfrauenmythos ist jedoch Teil einer Nachkriegsgeschichtsschreibung, die Österreich in erster Linie als Opfer des Nationalsozialismus darstellt und von dessen Mitschuld ablenkt. Dabei wurde dieser Mythos aus der DDR übernommen und erst ab den 1960er Jahren in Österreich relevant.

Permanente Schutträumung

Nach heutiger Vorstellung fand die Trümmerräumung lediglich nach Kriegsende statt. Man muss jedoch bedenken, dass trotz Luftangriffe der Alliierten während des Krieges der Alltag weiterlaufen musste. Das war aber nicht möglich, wenn nicht über die Jahre kontinuierlich Schutt beseitigt wurde. Selbst in Wien, das viel weniger bombardiert wurde als andere Großstädte des Deutschen Reiches, wurden in über 50 Luftangriffen ca. 37 000 Wohnung komplett zerstört. Zuständig für die Räumungsarbeiten waren der Sicherheits- und Hilfsdienst (SHD).

Außerdem wurden, wenn notwendig, Bauarbeiter, Baugeräte und Baustoffe von Baustellen abgezogen, damit sie woanders zur Räumung eingesetzt werden konnten. Das Deutsche Reich konnte auch auf ungelernte Arbeitskräfte und spezialisierte Baubataillons aus der Wehrmacht zurückgreifen. Gab es mal zu wenige Arbeitskräfte, wurde auch die Hitlerjugend eingesetzt.

Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge

Eine weitere Gruppe, auf die nur sehr ungern eingegangen wird, da sie dem Opfermythos im Weg steht, ist die der Zwangsarbeiter_innen. Schon nach den ersten Bombenangriffen wurde ein Kriegsgefangenen-Baubataillon aus Glasern und Schreinern gebildet, um Glasschäden zu beseitigen. Da es ab 1942 in fast allen Städten Zwangsarbeiterlager gab, konnte man auf diese Menschen leicht zurückgreifen. Auch KZ-Häftlinge mussten in mobilen Baubrigaden Schäden beseitigen und wurden dabei ohne Rücksicht auf ihre Sicherheit ausgebeutet. Starb ein Häftling bei der Trümmerbeseitigung, kümmerte das die Nationalsozialisten kaum.

Dass es außer den Trümmerfrauen niemanden gab, kann man also wirklich nicht behaupten, wenn man keine Geschichtsverfälschung betreiben möchte. Das idealisierte Bild der Trümmerfrauen gerät noch weiter ins Wanken, wenn man sich genauer ansieht, wer diese Frauen überhaupt waren.

Strafarbeit für Nazis

Natürlich erschienen diese nicht nach Kriegsende wie aus dem Nichts, um sich emsig an die Arbeit zu machen. Trümmerräumung war eine stark stigmatisierte Schwerstarbeit, die nicht freiwillig erledigt wurde. Die Aufräumarbeiten im Nachkriegswien, die nicht von professionellen Maschinen erledigt wurde, wurde ehemaligen Nationalsozialistinnen als Strafe zugeteilt, also denen, die selber für den Krieg mitverantwortlich waren.

Die Zahl der Frauen, die sich freiwillig an dieser Arbeit beteiligten, blieb überschaubar und war bei weitem nicht so groß, wie heute gern behauptet. Wenn man bedenkt, dass man für diese Tätigkeiten Lebensmittelkarten erhielt, kann man da nicht von einer freiwilligen Arbeit sprechen. Zeitgenössische Fotos von angeblichen Trümmerfrauen sind oft gestellt und zeigen schick hergerichtete Damen, die mit Stöckelschuhen im Schutt stehen.

Wenn man also all diese historischen Fakten berücksichtigt, zeigt es von einem sehr fragwürdigen Geschichtsverständnis, wenn man heute noch versucht, die sogenannten Trümmerfrauen durch ein Denkmal zu ehren. Anstelle einer sitzenden nackten Frau aus Stein, hätte man ein Denkmal zur Erinnerung an die Zwangsarbeiter_innen enthüllen sollen, denn auf diese vergisst man zu oft in dieser Debatte.

Buchtipp: Mythos Trümmerfrauen. Leonie Treber schreibt von der Trümmerbeseitigung in der Kriegs- und Nachkriegszeit und der Entstehung eines deutschen Erinnerungsortes. Essen: Klartext 2014