Die Linke muss die Konflikte in der FPÖ vertiefen

Die Spannungen in der FPÖ setzen sich nach Ibiza fort. Eine wichtige Konfliktlinie verläuft zwischen dem ewigen Dilemma faschistischer Kräfte, einerseits Respektabilität im bestehenden System zu gewinnen, andererseits Radikalismus zu signalisieren, mit der Demokratie grundlegend aufzuräumen. Die FPÖ hat diese Verstimmung mit der Wahl-Doppelspitze aus Norbert Hofer und Herbert Kickl praktisch institutionalisiert.
23. Juli 2019 |

Der neue FPÖ-Chef Norbert Hofer distanzierte sich jüngst im Biber von den „Identitären“ und erntete dafür Spott und Häme. Er sei eine „politische Enttäuschung“ und hätte „dem Sturm nachgegeben“. Hofer wäre, wie wir inzwischen wissen (wir haben darüber geschrieben), bereit gewesen, die schwarz-blaue Koalition auch ohne Herbert Kickl als Innenminister weiter zu führen. Hofer ließ zuletzt im Interview mit der Tageszeitung Österreich durchklingen, dass er sich auch eine künftige Regierung ohne Kickl vorstellen könne.

Der scheinbar ungebremste Aufschwung der FPÖ nach Straches Übernahme der Partei nach 2005 nährte die Hoffnungen hunderter blauer Bürokraten auf Ämter in Gemeinderäten und Parlamenten. Hofer vertritt die Interessen ebendieser Bürokraten.

Die Krise, die sich schon vor Ibiza abgezeichnet hat, ließ diesen Optimismus auf Posten schwinden. Unter anderem rumort es in Vorarlberg. Bundesrat Christoph Längle trat aus der FPÖ aus, weil ihm der dritte Listenplatz in der bevorstehenden Landtagswahl im Oktober versprochen worden sei, er aber nach der Wahl seinen Sitz hätte abgeben sollen. Mit Längle verließen 12 weitere Mitglieder die Partei in Götzis, weitere folgten in Koblach und Meiningen.

Aktivistische Basis

Kickl hingegen bekommt Applaus von der aktivistischen und burschenschaftlichen Basis der FPÖ. Im Interview mit dem Aula-Nachfolger, der rechtsextremen Zeitschrift Freilich, geht Kickl auf Distanz zu Hofer, dieser hätte „eine andere Interpretation des Politischen“. Er betont, dass man in eine Regierung nicht um jeden Preis gehe: „Es geht nicht um die persönliche Selbstbefriedigung für ein paar Individuen, sondern um das Vorantreiben eines gesellschaftlichen Projekts. So verstehe ich Politik.“

Kickl ist der verhassteste Politiker in Österreich. 59 Prozent gaben in einer Umfrage des profil an, dass sie Kickl nicht mehr in einer Regierung sehen wollen. Damit verkörpert er eben die Anti-Establishment-Stimmung des radikalen Flügels in der FPÖ. Die Enttäuschung über Kickls Entfernung aus dem Innenministerium trieb einen FPÖ-Kommunalpolitiker im Flachgau so weit, 29 Schüsse von seinem Balkon aus abzugeben.

Streitigkeiten

Exemplarisch ist die Auseinandersetzung zwischen dem bislang einzigen jüdischen Abgeordneten der FPÖ, David Lasar, und dem Proponenten des radikalen Burschenschafterflügels, Martin Graf. Zuerst kündigte Lasar an, nicht mehr für die kommende Nationalratswahl zu kandieren, weil Graf auf der Liste vor ihm platziert wurde. Dies sei, so Lasar, als „Angebot an Rechtsextreme“ zu deuten.

Und tatsächlich hagelte es danach antisemitische Postings. Die stellvertretende Chefin der Freiheitlichen Arbeitnehmer (FA) in Salzburg, Alexandra Schöppl, bezeichnete Lasar auf Facebook als „Pharisäer“, eine abwertende Bezeichnung der Christen für „heuchlerische“ Juden. Darunter kommentierten FPÖ-Fans: „so sans die J…“. Davon angefeuert drängte Graf offenbar auf seine Entsendung in den Nationalfonds für die Opfer des Nationalsozialismus. Lasar trat aus Protest gegen diese „bewusste Provokation“ mit „sofortiger Wirkung“ aus dem Parlamentsklub aus.

Frankreich

Die antirassistische Bewegung konnte in Frankreich Ende der 1990er-Jahre eine derartige Situation nutzen, um den Front National (FN) zu spalten. Der britische Marxist Jim Wolfreys beschrieb, wie der Erfolg des FN in den 1990er-Jahren zur Entstehung einer breiten Schicht von Bürokraten führte, die dem Anti-System-Charakter der Partei zuwider lief. Bruno Megrét, der Mann hinter dem langjährigen Führer Jean-Marie Le Pen, konnte sich auf diese Bürokraten stützen, in dem er ihnen durch Allianzen mit den Parteien des Establishments kurzfristige Wahlerfolge versprach. Le Pen hingegen war sich der Unterstützung der aktivistischen Basis des FN sicher, die in Mégret die Gefahr einer „Parlamentarisierung“ der Partei sahen.

Die 50.000 Antifaschist_innen, die 1997 gegen den Parteitag des Front National in Straßburg demonstrierten, legten den Finger in die Wunde. Ein Jahr später wurde Mégret aus der Partei ausgeschlossen. Die Krise des FN hätte vertieft werden können. Leider zog eine der wichtigsten antirassistischen Bündnisse, Manifeste contre le Front National, den falschen Schluss, dass der FN nun erledigt sei, und stellte die Mobilisierungen ein.

Wir können die FPÖ in eine schwere Krise stürzen, wenn wir auf Massenmobilisierungen setzen und die Konflikte in der Partei vertiefen.