Eine CO2-Steuer wird das Klima nicht retten

Eine radikale Form einer CO2-Steuer soll, so ein heute sehr verbreiteter Vorschlag, die Kosten für die Konzerne so weit steigern, dass sie sich anderen Formen der Energiegewinnung zuwenden müssen. Aber die CO2-Steuer hat entscheidende Schwächen.
18. Februar 2019 |

James Hansen ist einer der weltweit wichtigsten Klimawissenschaftler, aber er ist auch Aktivist, und ließ sich bei Protesten gegen das Keystone XL Pipeline-Projekt verhaften. Wir müssen verhindern, alle verfügbaren Reserven an Öl, Kohle und Gas zu fördern und zu verwerten, warnt Hansen, weil auf diesem Weg die Klimaerwärmung die 2 Grad überschreiten würde, und selbst 2 Grad sind schon viel zu hoch und werden eine Kaskade von „tipping points“ (Kippelementen) wie eine Reihe Dominosteine in Bewegung setzen. Die Klimakatastrophe würde sich dann jeglicher Beherrschbarkeit durch den Menschen entziehen.

Wie die Steuer einsetzen?

Hansen fordert deshalb als zentrale Strategie die Durchsetzung einer sehr radikalen CO2-Steuer, die den Mineralöl- und Energiekonzernen auferlegt und deren Erträge an die Bevölkerung und nicht an den Staat ausbezahlt werden soll. Die prominente österreichische Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb ergänzt, dass nicht 100% ausbezahlt werden müssten. Teile davon könnten auch eingesetzt werden, um den öffentlichen Verkehr und nötige Infrastruktur wieder auszubauen. Besteuert werden soll allerdings auch jeder mit dem Auto gefahrene Kilometer.

Hansens Strategie bleibt nicht bei der Einführung von Steuern stehen, er will, dass die CO2-Steuern jährlich ansteigen, um den gewünschten Lenkungserfolg zu erzielen. Wenn eine CO2-Steuer nicht den wirklichen Preis reflektieren würde, inklusive der Kosten durch die verursachte Umweltverschmutzung, dann bestehe keine Chance ein komplettes Umweltdesaster zu verhindern. Wenn wir zu viele der Kohlereserven anzapfen und auch noch die Erschließung der Teersande und Erdölförderung durch Fracking weiter vorantreiben, dann heißt es „Game over“, so Hansen.

Wir müssen die Herrschenden zwingen, ernsthafte Maßnahmen umzusetzen, und das Zepter selbst in die Hand nehmen © System Change, not Climate Change!


Das wirklich radikale Element ist allerdings die Verteilung an die einfache Bevölkerung, womit er erreichen will, dass diese zunehmend Druck auf die Politik und die Konzerne ausübt. Proponent_innen von System Change, not Climate Change!, den aktivsten Vertretern der österreichischen Klimaschutzbewegung, gehen noch einen wichtigen Schritt weiter; sie würden auch Vermögen besteuern, das in der Vergangenheit angehäuft wurde, und von entsprechenden CO2-Emissionen begleitet war.

Der Markt lenkt verkehrt

Aber der Fokus auf CO2-Steuern ist problematisch. Zuerst zu den gewünschten Lenkungseffekten: Eine CO2-Steuer könnte nur dann die gewünschten Ziele erreichen, wenn sie global eingeführt wird. Würde sie nur in einzelnen Ländern eingeführt, dann folgen auf die sinkende Nachfrage an fossilen Brennstoffen aufgrund von höheren Kosten in einem Teil der Welt sinkende Erdölpreise weltweit.

Das würde wiederum genau den gegenteiligen Erfolg zeitigen, nämlich die Nachfrage und den Verbrauch anderswo stimulieren. Steigt aber tatsächlich der Erdölpreis weltweit, wie im vergangenen Jahrzehnt, dann lohnt sich für die Erdölkonzerne plötzlich die teure, schmutzige und aufwändige Förderung durch Fracking und aus Teersanden. Das wäre vorprogrammiert, weil die CO2-Steuer die politische Ökonomie der Ölwirtschaft weitgehend unangetastet lässt: die Konzerne blieben schließlich kapitalistische, auf Profitmaximierung ausgerichtete Unternehmungen.

Eine CO2-Steuer, die nicht so weit geht und nur in das Budget der Staaten fließt, hätte außerdem süchtig machenden Charakter. Die Staaten würden die Einnahmen mehr und mehr brauchen, es gäbe ganz in Gegenteil keinen Anreiz, aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auszusteigen. Jede rein auf den Markt ausgerichtete Strategie scheint nach hinten loszugehen.

Wie gewonnen, so zerronnen

Das größte Problem steckt tatsächlich nicht in marktwirtschaftlichen Details, sondern in politischen, der Beibehaltung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die Einführung einer CO2-Steuer verlangt weder die Enteignung des Kapitals noch die demokratische Kontrolle der Produktion durch Vergesellschaftung. Ob die großen Energiekonzerne in privater Hand sind, oder der Kontrolle von Staatsbürokratie kontrolliert werden, sie würden sich weiterhin der demokratischen Kontrolle durch die Arbeiter_innenklasse entziehen. Dem Argument kann man entgegnen, dass der Einführung einer so weit reichenden CO2-Steuer ohnehin eine große gesellschaftliche Rebellion vorangegangen sein müsste. Freiwillig würden die Herrschenden einer solch weitreichenden Umschichtung von Macht und Ressourcen ja niemals zustimmen.

So eine Situation hatten wir schon einmal erreicht. Zuletzt kam es zu vergleichbar radikalen Reformen in den Jahren 1918-1921. Um der drohenden Machtübernahme der Arbeiter- und Soldatenräte zuvorzukommen, stimmten die Herrschenden der Einführung von bis dahin undenkbaren Verbesserungen für die Lohnabhängigen zu: Achtstundentag, Arbeitslosenunterstützung, bezahlter Urlaub, Betriebsrätegesetz, Einführung der Arbeiterkammer, Kollektivvertragsrecht – all das wurde in Österreich damals erzwungen. Allerdings, und das ist sehr wichtig: Diese Errungenschaften werden heute wieder in Frage gestellt oder rundweg abgeschafft.

Die offene Verachtung der türkis-blauen Regierung für die vor 100 Jahren eingeführten Sozialgesetze führt uns schmerzlich vor Augen, dass die Herrschenden jederzeit das Ruder herumreißen und einmal gemachte Fortschritte wieder zunichte machen können. Sollte eine Regierung die CO2-Steuer einführen, die nächste kann sie wieder abschaffen. Wir dürfen bei so existentiellen Fragen wie den nötigen Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe niemals den Herrschenden vertrauen. Trumps Ausstieg aus den Pariser Klimaverträgen ist ein mahnendes Beispiel für diese Wahrheit.

Massen einbinden

Hansen insistiert deshalb richtigerweise auf der Notwendigkeit, die Massen zu mobilisieren. Und dafür wäre eine CO2-Steuer, die auch von einfachen Lohnabhängigen zu entrichten wäre, völlig kontraproduktiv. Wie die Gelbwesten-Bewegung in Frankreich in Erinnerung gerufen hat, sind es gerade die ärmsten Lohnabhängigen in den Provinzen, die gezwungen sind, mit Privatautos in die Arbeit zu fahren, weil sie am stärksten von der Politik vernachlässigt werden. Ihre Wohnorte haben schlechte oder keine Anbindung an die Arbeitsplätze.

Die Gelbwestenproteste entzündeten sich an der Belastung der Ärmsten © Colin Schmitt


Die Masse der Lohnabhängigen wird nur dann für eine CO2-Steuer mobilisierbar sein, wenn sie als eine Art Kapitalsteuer konzipiert ist. Und ihre Erträge müssten den einfachen Menschen zugute kommen, in die Verbesserung der Infrastruktur für die Arbeiter_innen fließen, und in die Umgestaltung der Produktionsmethoden um den totalen Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe zu gewährleisten.

Klima nur eins der Probleme

Eine sozial gerechte CO2-Steuer wäre – wenn wir die Herrschenden dazu zwingen – trotz all der Argumente ein riesiger Schritt nach vorne, aber sie deckt bei weitem nicht die Probleme ab, die uns aktuell bedrohen. Klimawandel ist nicht die einzige Funktionsstörung, welche die kapitalistische Produktionsweise über den Planeten gebracht hat.

Das ganze „System Erde“ ist durch Kapitalismus mehrfach aus dem Gleichgewicht gebracht und beinahe zerstört worden: die Ausrottung der Arten, der Stickstoffverbrauch, die Übersäuerung der Ozeane, die Verknappung der Süßwasserreserven, um nur einige zu nennen; alle Systemstörungen können demnächst Ausmaße erreichen, wo sie unkontrollierbar und irreparabel werden und sich gegenseitig negativ beeinflussen. Alle diese Systeme drohen zu kippen, weil eine auf Profit ausgerichtete, undemokratisch organisierte Marktwirtschaft keine funktionierenden Regulationsmechanismen besitzt. Im Kapitalismus ist die Entfremdung des Menschen von der Natur eine Folge davon, wie die Produktion organisiert ist. Alleine, ob eine Tätigkeit Profit abwirft oder nicht, ist entscheidend.

Der Klimawandel und das Entgleisen des „Systems Erde“ stellt wohl die größte Herausforderung dar, mit der die Menschheit jemals konfrontiert war. Die drohende Katastrophe betrifft uns alle, und nur die Arbeiter_innenklasse hat die Möglichkeit und die potentielle Macht, die Produktion unserer Lebensgrundlagen so zu gestalten, dass wir eine Zukunft haben. Die Klimaschutzbewegung muss deshalb ihre Strategien auf die Lohnabhängigen orientieren.

Unterlassungssünde Machtfrage

Mehr als fraglich ist, ob wir überhaupt die Zeit haben, auf eine CO2-Steuer zu warten. Noch dazu verfügen wir längst über das Wissen, die Möglichkeiten und die Ressourcen, die gesamte Menschheit zu ernähren und zu versorgen, die nötige Energie zu produzieren usw., aber wir bewegen uns in die entgegengesetzte Richtung, weil wir das Ruder in den Händen der Herrschenden belassen.

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Künftige Generationen werden uns fragen, was wir getan haben, um die Katastrophe für den Planeten Erde abzuwenden, und viele von uns werden antworten können: Alles was in meiner Macht stand.

Das große Verbrechen unserer Generation, die mit aller Klarheit sieht, wie nahe am Abgrund wir uns schon befinden, besteht darin, die Machtfrage nicht zu stellen. Wir können uns nicht auf graduelle Veränderungen beschränken und auf ein Einlenken der Mächtigen warten. Das Ruder muss jenen, die unseren Karren mit Bestimmtheit über den Abgrund steuern, aus der Hand gerissen werden.