Eltern vernetzen sich gegen die Regierung

Natalie hat gemeinsam mit anderen Eltern die Initiative "Nicht über die Köpfe unserer Kinder hinweg" ins Leben gerufen, die sich gegen die reaktionäre Bildungspolitik der Regierung wehrt. In ihrem Leserbrief beschreibt sie die Fortschritte der letzten Monate.
3. Januar 2019 |

Seit meinem Leserbrief in der November-Ausgabe hat sich viel bei uns Eltern getan.

Aus dem Verständnis heraus, dass wir Eltern das einzige öffentliche Sprachrohr unserer Kinder sein können, haben wir, vier Eltern der VS Gilgegasse, eine überparteiliche, überkonfessionelle Elterninitiative namens ‚Nicht über die Köpfe unserer Kinder hinweg‘ gegründet. Diese hat es sich zum Ziel gemacht, wien- und österreichweite Vernetzungsarbeit zu betreiben und am Aufbau einer Kinderlobby zu arbeiten, die medial wie auch politisch nicht zu überhören ist.

Wir haben eine Petition auf Aufstehn.at veröffentlicht, die sich wie ein Lauffeuer ausbreitet und mittlerweile 5.006 Unterschriften zählt (Stand 3. Jänner 2019). Unsere Forderungen sind kurzgefasst: eine transparente und umfassende Beteiligung von ExpertInnen in bildungspolitischen Entscheidungen; ein Ende effektiver Budgetkürzungen durch die Hintertür, die die Individualförderung von Kindern verunmöglichen; die Möglichkeit der alternativen Leistungsbeurteilung im Ermessen der Eltern gemeinsam mit der Schule beizubehalten, anstatt veraltete und demotivierende Ziffernnoten und Sitzenbleiben ab der 2. Klasse wiedereinzuführen; eine Abschaffung der Deutschklassen, die nichts mit Integration und Förderung zu tun haben, sondern Kindern mit Migrationshintergrund Startgerechtigkeit verwehren

Wir haben angefangen, uns mit anderen Elternverbänden, progressiven Bildungsinitiativen und –vereinen zu vernetzen. Auf unsere Anfrage hin, hat der Landesverband der Wiener Elternvereine eine Reihe von Vernetzungstreffen in den nächsten Monaten angesetzt. Wir sind an die Medien gegangen, die schon über uns berichtet haben und wir haben Bildungsminister Faßmann um ein Treffen gebeten, um ihm unsere Unterschriften zu übergeben und wo wir ein offenes Gespräch wollen.
Anstatt mit ihm wurde uns nur ein Treffen mit seinem Generalsekretär Mag. Netzer angeboten.

Bei diesem Treffen im Bildungsministerium haben wir erfahren, dass der Minister wegen angeblichem Missbrauch der Fördergelder an vielen Schulen scheinbar nicht an die Schulautonomie glaubt. Weiterhin soll er nicht an die Schulpartnerschaft glauben, weil angeblich an vielen Schulen die Ziffernnoten doch bevorzugt werden. Deshalb werden einheitliche Gesetze verabschiedet, die die Eltern, LehrerInnen und DirektorInnen bevormunden anstatt an ihr eigenes Potential zur Mitgestaltung und Wahlfreiheit zu glauben.

In unserer Vernetzungsarbeit sind wir auf zwei weitere Petitionen gestoßen, eine gegen die Deutschklassen und eine gegen die Ziffernnoten, die über 7.000 Unterschriften sammeln konnten und trotzdem vom Bildungsminister nicht angehört wurden. Wir konnten von Aufstehn.at erfahren, dass die aktuelle Regierung, anders als die vorherige, keinen Wert darauf legt, sich mit den Initiatoren von Petitionen zu treffen, um Unterschriften entgegenzunehmen. Was früher begrüßt oder zumindest geduldet wurde, ist im derzeitigen Entdemokratisierungsprozess nicht mehr erwünscht.

Anlässlich der Tagung des Bildungsausschusses hielten wir letzten Dienstag vor dem parlamentarischen Ausweichquartier am Bibliothekshof eine Kundgebung, welche zwar mit ca. 25 Anwesenden etwas klein ausgefallen ist, aber dennoch von den Medien, wie z.B. dem ORF, beobachtet wurde. Wir waren auch bei einer von der SPÖ ausgerufenen Pressekonferenz anlässlich des Bildungsausschusses zu einer Rede zur Vorstellung unserer Initiative geladen. Wie erwartet, wurde aber im Bildungsausschuss die geplante Agenda weiter vorangetrieben und es ist zu erwarten, dass das Pädagogikpaket am kommenden Mittwoch im Plenum verabschiedet werden wird.

Wir lassen uns aber nicht entmutigen, denn dies ist nur der Anfang für uns! Wir planen schon eine zweite Kundgebung am Dienstagabend, 11. Dezember um 18 Uhr vor dem Bildungsministerium auf dem Minoritenplatz. Wir arbeiten an der Vernetzung, um unseren Protest wachsen zu lassen und wir werden eine lautstarke Elternlobby aufbauen, denn: Wir Eltern sind nicht einverstanden, dass politisch motivierte Schulpolitik über die Köpfe unserer Kinder hinweg gemacht wird, anstatt deren Wohl in den Mittelpunkt zu stellen.

Wir fordern gleiche Chancen für alle Kinder, unabhängig ihrer nationalen oder religiösen Herkunft. Wir wollen uns nicht den Mitgestaltungs- und Mitbestimmungsfreiraum nehmen lassen, den es in einer wahren Demokratie geben muss. Wir fordern Schulpartnerschaft und Schulautonomie! Wir möchten uns auch mit anderen Teilen der Bevölkerung vernetzen, denn wir sehen unseren Kampf nicht als isoliert, sondern als Teil eines Ganzen. Nur wenn wir zusammenhalten, können wir eine Bewegung aufbauen, die sich gegen die menschenverachtende, diskriminierende und entdemokratisierende Politik wehrt!

Natalie Adler-Oppenheim

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