Emmy Rosdolsky
Emmy Rosdolsky wurde am 2. Juni 1911 als Emmy Meder geboren. Mit gerade einmal 13 Jahren rebellierte sie zusammen mit einigen Mitschülerinnen gegen die Schulleitung, welche die Privatbriefe der Schülerinnen überwachte. Mit 14 Jahren trat sie in den Verband Sozialistischer Mittelschüler (VSM) ein. Als sie auf ein Sommercamp des VSM mitfahren wollte, lud sie den führenden Aktivisten des Verbands und späteren Soziologen Paul Lazarsfeld zu sich nach Hause ein, um ihre religiösen Eltern von ihren politischen Aktivitäten zu überzeugen. Emmy radikalisierte sich weiter, nicht Reform sondern Revolution war ihr Ziel.
Opposition gegen SDAP
Am 14. Juli 1927 wurden drei Mitglieder der faschistischen Frontkämpfer, welche ein Mitglied des sozialdemokratischen Schutzbunds und einen sechsjährigen Buben erschossen hatten, im „Schattendorfer Prozess“ freigesprochen. Auf das Urteil reagierte die Wiener Arbeiter_innenklasse mit einer spontanen Massendemonstration. Über 200.000 Arbeiter_innen versammelten sich und zündeten den Justizpalast, als Symbol der verhassten Klassenjustiz, an.
Die Führung der Sozialdemokratie organisierte nach dem Massaker zwar einen eintägigen Generalstreik, verhinderte jedoch eine weitere Radikalisierung der Bewegung. Die bewusste Anbiederung der sozialdemokratischen Führung an den bürgerlichen Staat trieb Emmy zum Bruch mit der Sozialdemokratie. 1928 trat sie in die Kommunistische Partei Österreich (KPÖ) ein.
Opposition gegen Stalinismus
Noch nicht einmal 20 Jahre alt, wurde Emmy zur Chefredakteurin der kommunistischen Betriebszeitung Der rote Franz-Joseph-Bahner. Innerhalb der KPÖ lernte sie auch ihren zukünftigen Ehemann, den marxistischen Theoretiker Roman Rosdolsky, kennen. Doch auch in der KPÖ geriet Emmy schnell in Konflikt mit der Parteiführung. Sie stand der sowjetischen Politik unter Stalin kritisch gegenüber.
Die „Moskauer Prozesse“ im Jahr 1936 – eine von Stalin organisierte Säuberung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, im Zuge derer führende Aktivisten der Oktoberrevolution, wie beispielsweise Nikolai Bucharin, hingerichtet wurden – motivierten Emmy zum Bruch mit der stalinistischen Parteiführung. Gemeinsam mit anderen gründete Emmy die oppositionelle Zeitung Ziel und Weg.
In dieser Zeitung wurde die Volksfrontpolitik (Bündnis von Linken und Liberalen) der KP in Frankreich, die falsche Politik der KP im spanischen Bürgerkrieg und die nationalistische Politik der KPÖ kritisiert.
Im Dezember 1938 besuchte Emmy Roman Rosdolsky im polnischen Lemberg und heiratete ihn. Aufgrund des Hitler-Stalin-Pakts 1939 marschierte die Rote Armee in Lemberg ein. Die beiden Rosdolskys galten als Anhänger des Trotzkismus. Die Sowjetunion verfolgte und ermordete wirkliche und vermeintliche Trotzkist_innen. Deshalb flüchteten sie in das von den Nazis besetzte Krakau. 1942 wurden beide von der Gestapo verhaftet, sie hatten Jüdinnen und Juden in ihrer Wohnung Unterschlupf gewährt.
Erneute Flucht
Nach dem Krieg trafen sich beide in Linz, wo Emmy als Bildungsreferentin bei der Arbeiterkammer arbeitete. Die Nazis waren zwar besiegt, doch als oppositionelle Kommunist_innen lebten sie noch immer unter der Bedrohung des sowjetischen Geheimdienstes. Nachdem 1947 ein gemeinsamer Freund, der trotzkistische Widerstandskämpfer Karl Fischer, von sowjetischen Agenten entführt und in den Gulag deportiert wurde, flohen sie aus Linz in die Vereinigten Staaten.
Dort arbeitete Emmy als Beraterin der Forschungsabteilung der amerikanischen Automobil Gewerkschaft (UAW). Dass Emmy einer geregelten Lohnarbeit nachging, gab ihrem Mann die Zeit, seine Schriften Zur Analyse der Russischen Revolution und das für die Marx-Forschung bahnbrechende Buch Zur Entstehungsgeschichte des Marxschen Kapital zu schreiben.
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks engagierte sich Emmy in der Memorial Bewegung für die Opfer des Stalinismus. Sie schrieb u.a. eine Biografie über den KPÖ-Gründer Franz Koritschoner. Emmy Rosdolsky gehört zu jenen Held_innen, welche sich klar vom sozialdemokratischen Reformismus abgrenzten und gleichzeitig die echten Ideen von Marx und Lenin, die „Selbstbefreiung der Arbeiter_innenklasse“, gegen die stalinistische Bürokratie verteidigten.
Buchtipp: „Mit permanenten Grüßen“, vom Rodolsky-Kreis. Wer mehr über das Leben und Wirken von Emmy und Roman Rodolsky erfahren will, dem sei diese Biografie ans Herz gelegt. Erhältlich beim Mandelbaumverlag. Passend dazu kann man in der gleichnamigen Ausstellung in der Buchhandlung Libreria Utopia unveröffentlichte Dokumente und Briefe der beiden Aktivist_innen bewundern. Die Ausstellung läuft bis Donnerstag, 6. September. Weitere Infos findet ihr hier.