Erklärung zum Anti-Putsch-Protest: Vereint die Kräfte gegen die FPÖ!

Die „Demonstration gegen den Militärputsch in der Türkei“ am Samstag, 16. Juli, ausgerufen von der Neuen Linkswende, hat teilweise heftig geführte Diskussionen in den sozialen Medien ausgelöst. Wir nehmen zum Ablauf des Protests Stellung und plädieren weiterhin dafür, die Kräfte auf die unmittelbare Bedrohung durch die FPÖ zu bündeln.
18. Juli 2016 |

Zum ersten Mal in der türkischen Geschichte haben einfache Menschen einen Militärputsch abgewehrt, wie wir das bereits an anderer Stelle beschrieben haben. Neue Linkswende hat noch in der Nacht des versuchten Staatsstreichs für den folgenden Tag zu einer Demonstration gegen den Putsch aufgerufen.

Die AKP-nahe UETD hatte sich dem Protest am Samstag angeschlossen – ursprünglich hatte sie nur eine Aktion vor der türkischen Botschaft um 13 Uhr geplant. Daher fanden sich um 15 Uhr überraschend viel mehr Menschen am Christian-Broda-Platz ein, als wir erwartet hätten. Viele der Demonstrationsteilnehmer_innen haben die ganze Nacht um ihre Verwandten in der Türkei gebangt, die ihr Lebens riskiert haben, als sie sich den Panzern in den Weg gestellt haben. Einige haben Angehörige verloren.

Die Angst war über Nacht der Freude über das Scheitern des Putschs gewichen. Aus dem erwarteten ernsten Protest ist eine Jubeldemo geworden. Die Dynamik der Demonstration war von den Aktivist_innen der Neuen Linkswende (NLW) zu keinem Zeitpunkt kontrollierbar gewesen.

Unkontrollierbare Dynamik

In der unglaublich aufgeheizten Stimmung war es weder der UETD noch der Neuen Linkswende möglich, den Protest in geordnete Bahnen zu lenken. Zeugnis dafür ist, dass sich der Demonstrationszug selbstständig in Bewegung gesetzt hat, noch bevor die vorbereiteten Reden gehalten werden konnten – kritische Reden, in denen auch alle dazu aufgerufen worden wären, türkische Faschisten (MHP, „Graue Wölfe“) aus dem Protest zu drängen.

Dort, wo wir welche erkennen konnten, haben NLW-Aktivist_innen die Faschisten der MHP aus der Demonstration gedrängt – eine Gruppe, deren enge Verbindungen mit dem „tiefen Staat“ in der Türkei allgemein bekannt sind und die an Mordkommandos gegen Kurd_innen beteiligt waren.

Verlassen des Protests

Es stellt sich die berechtigte Frage, ob die NLW-Aktivist_innen die Demo hätten früher verlassen und auflösen müssen. Es ist im Nachhinein immer leicht zu sagen, man hätte nicht, sollte nicht. Die Entscheidung, am Christian-Broda-Platz mit der Demonstration aufzubrechen, ist nicht leichtfertig gefällt worden, und begründete sich auf der schnell mit der UETD getroffenen Abmachung, noch einen Versuch zu starten, die Demonstration unter Kontrolle zu bringen und am Museumsquartier zu beenden.

Nach dem schändlichen Angriff auf das türkische Lokal „Türkis“ auf der Mariahilfer Straße, haben die NLW-Aktivist_innen die Demonstration aus Protest verlassen. Wir verurteilen diesen Angriff und die spätere Attacke am gleichen Abend auf ein Lokal des kurdischen Vereins „Feykom“ auf das Schärfste.

Rassismus bekämpfen

Präsident Recep Tayyip Erdoğan nutzt jetzt den gescheiterten Putsch, um seine persönliche Macht auszubauen und Gegner auszuschalten. Davor haben wir bereits an anderer Stelle gewarnt und auch argumentiert, dass nur Massenmobilisierungen einen anderen Weg für eine demokratischere Türkei eröffnen können.

Wir dürfen jetzt nicht zulassen, dass Erdoğans Maßnahmen von Islamfeinden hierzulande für einen rassistischen Backlash gegen Muslim_innen verwendet werden. FPÖ-Vizeparteichef Johann Gudenus hetzte bereits kurz nach dem abgewehrten Putsch gegen Türk_innen, die Erdoğan wählen, und meinte, dies sei „ein eindeutiges Signal für die Nichtintegrierbarkeit dieser Gruppe“ und forderte sie indirekt auf, zurück in die Türkei zu gehen.

Bereits jetzt gehen mehr Türk_innen zurück in die Türkei, als nach Österreich kommen – und viele geben als Grund an, dass sie sich hier ausgegrenzt fühlen. Durch den Aufstieg der FPÖ ist es wichtiger denn je, die muslimische und insbesondere die türkische Community in Proteste gegen Rassismus einzubinden. Wir begrüßen Versuche, die Diskussion auf einer politisch ernsthaften Ebene zu führen – wie beispielsweise hier auf dem Blog des unabhängigen Journalisten Michael Bonvalot.

Appell an Zusammenarbeit

Die Diskussionen um den Staatsstreich in der Türkei wurden und werden heftig und kontrovers geführt. Wir appellieren an alle antirassistischen und antifaschistischen Kräfte, unabhängig von ihrer Positionierung zum Putsch, ihre Kräfte vor der wohl wichtigsten Herausforderungen in den nächsten Wochen zu bündeln – der Verhinderung des deutschnationalen Burschenschafters Norbert Hofer (FPÖ) als Bundespräsidenten.

Wir haben in den vergangenen Jahren über ideologischen Gräben hinweg mit einem bunten Spektrum an Gruppierungen zusammengearbeitet. Angesichts der relativen Schwäche der österreichischen Linken lag gerade darin unsere ganze Stärke. Wir haben nie einen Hehl daraus gemacht, dass wir die Aufhebung des PKK-Verbots fordern, dass wir die syrische Revolution unterstützen oder dass wir solidarisch mit dem Befreiungskampf der Palästinenser_innen sind. Aber wir haben Zustimmung weder zu diesen noch anderen Haltungen als Bedingung für die Zusammenarbeit in Bündnissen erhoben.

Auf Erfolgen auf Straße aufbauen

Wir haben gegen den österreichischen Pegida-Ableger mit den großen islamischen Dachverbänden und der Offensive gegen Rechts (OgR) mit den kurdischen Vereinen gemeinsam demonstriert. In der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ gelang es uns trotz unterschiedlicher Haltungen zum syrischen Bürgerkrieg und anderen Themen am 3. Oktober 70.000 Menschen auf die Straße zu bringen.

Neue Linkswende ist stolz darauf, dass wir mit einem Bündnis aus der „Plattform für eine menschliche Asylpolitik“ und der „Offensive gegen Rechts“ die Aufmarschversuche der FPÖ gegen Flüchtlingsheime in Liesing und Floridsdorf verhindern konnten. Oder dass wir es mit tausenden Menschen gegen FPÖ-Akademikerball geschafft haben, dass deutschnationale Burschenschafter in Österreich als Bedrohung wahrgenommen werden.

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Eine Million Kämpferinnen und Kämpfer gegen die FPÖ!

Auf diesen Mobilisierungen auf der Straße müssen wir aufbauen. Im Oktober droht ein blauer Präsident, und ein blauer Kanzler könnte folgen. Ziehen wir im Kampf gegen die FPÖ und Rassismus an einem Strang.

Der Verfasser/die Verfasserin hat den Artikel mit freundlicher Genehmigung zur Verfügung gestellt.