Flüchtlingshilfe – Chance zur persönlichen Weiterentwicklung

Traude ist seit 2015 als Helferin in Bruck/Leitha aktiv und unterrichtete bis vor kurzem ehrenamtlich Deutsch. In ihrem Leserinnenbrief beschreibt sie, wie sie von den neuen Bekanntschaften, Freundinnen und Freunden profitieren konnte.
19. September 2018 |

Als 2015 im Sommer mehr als 70 Menschen in einem LKW auf der A4 erstickt aufgefunden worden waren, hatte sich mein Leidensdruck bereits ins Unerträgliche gesteigert. Als Mensch mit Herz und Anstand konnte ich nicht anders, als helfend und tröstend für die Heimatlosen da zu sein.

Von Anfang an war ich deshalb Teil der Organisation „Unser Bruck hilft“. Zuerst galt es Kleider- und Sachspenden, die in Bruck/L. erfreulicherweise in Massen zum Roten Kreuz gebracht worden waren, in einer Lagerhalle zu sortieren. Ziel war es, rasch und unbürokratisch lebens- und überlebensnotwendige Erstausstattungen an die Asylsuchenden, die im Herbst 2015 in verschiedene Quartiere unserer Stadt einzogen, weitergeben zu können.

Ab Herbst 2015 begann ich ehrenamtlich Deutsch zu unterrichten. Zunächst waren es einige junge Syrer, Palästinenser und Irakis, die zum überwiegenden Teil mit ihrem gepflegten Umgangston, sowie charmantem und weltoffenen Auftreten die Herzen der Brucker eroberten.
Im Winter lernte ich dann auch afghanische, somalische und nigerianische Frauen, Kinder und Männer kennen, sowie Menschen aus Eritrea und Gaza.

Der Großteil dieser Menschen war offen und hoffnungsvoll, lernwillig und freundlich, und auch ich begann schnell von den wachsenden Freundschaften zu profitieren. Zugegeben, ich hatte zuvor keine Ahnung gehabt, wo Syrien genau liegt, geschweige denn, von der politischen und gesellschaftlichen Situation der Araber, Kurden, Palästinenser, Hazara und zahlreicher anderer Volksgruppen im arabischen und persischen Raum.

Alles war spannend, alles war neu, ein Geben, ein Nehmen, gemeinsames Lachen, gemeinsames Weinen, eine Ressource der persönlichen Weiterentwicklung, lebendiger, zutiefst menschlicher Austausch. Als ich mich im Herbst 2016 auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle begeben musste, unterrichtete ich 3 x 1,5 Stunden pro Woche gratis für den Staat Österreich. Auch nutzte ich diese sechs Monate, einige meiner neugewonnenen Freundinnen und Freunde zu ihren Asylinterviews nach Wiener Neustadt und Eisenstadt zu begleiten.

Der Vertrauensbeweis, als Freundin den Befragungen beiwohnen und all diese außergewöhnlichen und traurigen Lebensgeschichten mitverfolgen zu dürfen, hat mich sehr bewegt. Es war mir eine Ehre, meine Freundinnen in Interviewpausen – die Interviews der Afghaninnen dauerten mehr als 4 Stunden! – tröstend in die Arme schließen zu dürfen, ihnen Kraft und Zuspruch geben zu können, diese sehr schwierige Situation bis zum Ende durchzustehen.

Letztlich habe ich von meinen neuen Freundschaften mehr profitiert als Kraft investiert. Ich war von Anfang an in ihren Gesellschaften integriert, gern gesehener und großzügig bewirteter Gast und bin es nach wie vor.

Heute, 3 Jahre später, unterrichte ich nicht mehr. Mein Job seit März 2017 hat mir nicht genug Freizeit dafür gelassen. Meine Freunde und Freudinnen sind mir jedoch geblieben und keine/keinen von ihnen möchte ich missen. Ich bin dankbar, erkannt zu haben, dass es letztlich lebendig und glücklich macht, Zivilcourage zu zeigen, sich mit unterschiedlichen Lebensweisen zu konfrontieren und dadurch persönlich weiterzuentwickeln.

Wer es nicht erlebt, wird es nie begreifen und es ist schade für alle, die sich interkulturellen Begegnungen verschließen!

Liebe Grüße,
Traude Rabl-Hofbauer

Leser_innenbriefe spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider