Frauen gegen den Krieg: Konkordiya Samoilova
Ihre Geschichte ist eine zeitlose, denn auch nach über hundert Jahren bleibt sie mit den Lebensläufen heutiger junger Frauen vergleichbar. Konkordiya Natasha Samoilovas Leben als Marxistin begann an der Universität. In den Bestuschewskije-Kursen darf sie auch als Frau studieren – damals war dies auch außerhalb des Zarenreichs eine Seltenheit. Das Institut brachte viele Feministinnen und Revolutionärinnen hervor, so etwa auch Nadezhda Krupskaya, die in einem Marx-Lesekreis Lenin kennenlernen und später heiraten sollte.
Konkordiya Samoilova studierte bis 1901 im Institut Philosophie. Dabei musste sie auch miterlebt haben, wie plötzlich keine neuen Studentinnen mehr aufgenommen werden durften, da das Zarentum seine Haltung zur Frauenbildung überdachte – und sich prompt gegen sie entschied. Nach einigen Jahren durften sich erneut Frauen für ein Studium bewerben, alles in den willkürlichen Händen des Kaiserreichs. Ihre erste öffentliche Rede hielt sie mit 21 Jahren auf einer Kundgebung zum Suizid einer Kommilitonin des Instituts.
Konkordiya Samoilova wurde eine Aktivistin im Kampf gegen das Zarenreich, eine risikoreiche Arbeit, denn während einer Hausdurchsuchung fand man verbotene Bücher und einen Revolver. Beides Gründe genug, sie aus dem Institut zu verweisen. Diese erste Erfahrung mit Repression hielt Konkordiya Samoilova jedoch nicht auf, denn zwei Jahre später (1903) schloss sie sich den Bolschewiki an und nahm fortan beizeiten den Namen Natasha Samoilova an. In den nächsten zehn Jahren hatte sie sich ganz dem Kampf verschrieben, knickte nicht vor Widerständen und Repressionen ein. Viermal wurde sie verhaftet, über ein Jahr verbrachte sie im Gefängnis. Sie war Teil der ersten Russischen Revolution von 1905, und nutzte ihre Schreibfähigkeiten als Gründerin der Pravda, zu Deutsch Wahrheit. Unter ihrem Einfluss waren die ersten Seiten den Bedürfnissen von Frauen gewidmet. Die kommunistische Tageszeitung existiert bis heute.
Auch unter den Bolschewiki stieß sie als Frau auf Widerstand, einen Zustand, den sie zu überwinden gedachte. Als sie einmal versuchte Eisenbahnarbeiter zu agitieren, wurde sie von den Frauen der verheirateten Männer beschuldigt, diese verführen zu wollen. Dies war ein Zeichen für ihre Mitstreiterin Krupskaya ihren Fokus auf die Arbeiterfrauen zu legen. Auch hier überlagern sich Gegenwart und Vergangenheit: Natasha Krupskaya überzeugte das bolschewistische Komitee eine Versammlung von Frauen zu genehmigen, in Gedenken an den neuen internationalen Frauentag. Der bereitgestellte Saal war bald überfüllt, tausende Frauen nahmen den Platz ein, der ihnen sonst verweigert war, sie sprachen, wo ihnen sonst niemand zuhörte. Krupskaya gab ihnen die Bühne, und hörte ihnen zu. Sexueller Missbrauch, geringe Bezahlung, gefährliche Arbeitsbedingungen – in über hundert Jahren bleiben die Klagen der arbeitenden Frauen bestehen. Konkordiya Natasha Samoilova wird zur Inspiration unter den Frauen-Aktivistinnen.
Es ist 1918. Russische Revolution. Der erste russische Frauenkongress wird gehalten, auf dem Podium befinden sich Samoilova, Kollontai und Armand. Die letzten Jahre hatte Samoilova eine Frauenarbeiter-Zeitschrift, die Rabotnitsa herausgegeben. Rabotnitsa ist die Zeitung, die Kriegsgegnerinnen versammelt und die Februarrevolution vorbereitet.
Es ist 1920. Samoilova reist auf einem Dampfschiff mit den Namen Krasnaia Zvedva, roter Stern, über die Wolga. Sie arbeitet als Propagandistin für den jungen sowjetischen Staat.
Es ist 1921. Sie befindet sich auf einer weiteren Fahrt, ihrer letzten. Sie stirbt an Cholera, im Auftrag der sozialistischen Zukunft. Mit ihrem Tod starb ein Teil der Frauenrechts-Bewegung in der noch viel zu jungen Sowjetunion, der lange Zeit nicht wiederzubeleben war.