Greenwashing – Die „grünen Lügen“ des Kapitalismus

Bio, Fair Trade, nachhaltig – für jedes Produkt gibt es eine „grüne“ Alternative. Doch dahinter steckt eine einfache Strategie von Konzernen und Politik, um ihre schmutzigen Geschäfte zu vertuschen: das sogenannte „Greenwashing“.
25. Juni 2018 |

Es ist unbestreitbar, dass der Klimawandel eine ernste Bedrohung ist. Die Auswirkungen sind schon jetzt spürbar und werden in den nächsten Jahren massiv zunehmen. Dagegen wollen immer mehr Menschen etwas unternehmen. Um dem entgegenzukommen, inszenieren sich Politik und Wirtschaft als verantwortungsbewusste Weltretter. Doch Kapitalismus basiert auf profitorientiertem Wachstum, also auf Ausbeutung von Mensch und Natur – „Umweltfreundlichkeit“ hat dort keinen Platz.

Weltretter Ölkonzern?

Greenwashing“ entstand in den 1970er-Jahren als Antwort auf die erstarkende Umweltbewegung. Als die Konzerne zunehmend für die mit ihrer auf Profitmaximierung ausgerichteten Wirtschaftsweise einhergehende Umweltzerstörung – und die damit verbundenen sozialen und ökonomischen Folgen – kritisiert wurden, polierten sie kurzerhand ihr Image. Mit „Mini-Ökoprojekten“, die durch Werbung und ökologisch anmutende Logos aufgeplustert werden, versuchen sie, ihr dreckiges Kerngeschäft „grünzuwaschen“ und die imperiale Lebensweise des globalen Nordens zu rechtfertigen.

links: das alte BP-Logo, recht: das grüngewaschene neue Logo mit Blume © BP

 

Unter den „Vorreitern“ dieser Praxis war der Ölkonzern BP. Der Name wurde von „British Petroleum“ zu „Beyond Petroleum“ („über Erdöl hinaus“) geändert, das neue Logo ziert eine gelb-grüne Blüte und nach Aufkaufen der Photovoltaikfirma Solarex feierte sich der Konzern als „weltgrößtes Solarunternehmen“ – obwohl die Investitionen für Solarenergie zwischen 2005 und 2009 gerade einmal 4,2 % der Gesamtinvestitionen ausmachten!

Im BP-Nachhaltigkeitsbericht von 2009 heißt es, die „Grundlage der BP-Aktivitäten“ hätten als Ziel „keine Unfälle, keine Schäden für Menschen und keine Zerstörung der Umwelt“. Ein Jahr später explodierte die BP-Ölplattform „Deepwater Horizon“ im Golf von Mexiko und sorgte für eine der größten Umweltkatastrophen aller Zeiten. Geschützt von Politik und dank großzügiger Zahlungen weitgehend verschont von kritischen Medien, wurde der Skandal kleingehalten und die immensen Schäden kaum beseitigt.

Grüne Lügen

Solcher „grünen Lügen“ bedienen sich aber nicht nur offensichtlich schmutzige Konzerne wie BP, sondern sie finden sich in allen Bereichen: Textil- und Autoindustrie, Lebensmittelkonzerne, usw. Die Verantwortung für „nachhaltigen Konsum“ soll auf die Bevölkerung abgewälzt werden, die denken soll, durch ihr Konsumverhalten etwas bewirken zu können. „Das Greenwashing ist für uns Menschen in reichen Ländern gemacht, um uns zu beruhigen“, so Kathrin Hartmann, die gemeinsam mit Werner Boote den vielbeachteten Dokumentarfilm Die grüne Lüge drehte und begleitend ein Buch schrieb.

Hinter dem „Greenwashing“ steckt System: Es fügt sich perfekt ein in die neoliberale Ideologie von individueller Eigenverantwortlichkeit. In der sogenannten Konsumentendemokratie soll der Mensch den „Geldschein als Wahlzettel“ begreifen, anstatt sich durch Protest in die Politik einzumischen. Aus einzelnen Kaufentscheidungen entsteht höchstens ein gutes Gewissen, nicht aber ein kollektives Handeln. Die moralische Einteilung in „guten“ und „schlechten“ Konsum verhindert außerdem jede Solidarität.

Hartmann hingegen betont, die Frage sei nicht: Was darf ich kaufen?, sondern: Wieso dürfen Produkte im Supermarkt stehen, die auf Basis von Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung hergestellt werden? Die Menschen würden nur noch als Verbraucher_innen und Konsument_innen bezeichnet, aber: „Wir müssen uns als Bürger sehen. Als Bürger haben wir Rechte, die haben wir uns nicht erkauft, die haben wir uns erkämpft!“

Politik schützt Unternehmen

Boote wollte ursprünglich einen Film über nachhaltige Unternehmen machen. Er musste aber feststellen, dass es die – bis auf wenige regionale Firmen – nicht gibt. Für die Recherche besuchten Boote und Hartmann Palmölplantagen in Indonesien, für die Massen an Regenwald gerodet wird, Rinderfarmen in Brasilien, für deren Futterbedarf Soja-Monokulturen angelegt werden, für die wiederum Unmengen an Pestiziden eingesetzt werden, die jegliches Leben dauerhaft zerstören, und sie sprachen mit widerständigen Bauern und Indigenen, die sich gegen Landraub und die Zerstörung ihres Lebensraumes wehren.

„Fossiles Kapital“: Kapitalismus hat uns Klimawandel beschert

„Fossiles Kapital“: Kapitalismus hat uns Klimawandel beschert

Von den Regierungen unbehelligt engagieren Konzerne häufig paramilitärische Schlägertrupps, um Gegner_innen fernzuhalten. Mit Gesetzen, die Unternehmen Schlupflöcher bieten, und mit Lobbyismus werden gute Vorsätze und Umweltzertifikate verwässert. So darf zum Beispiel Schokolade als „Fair Trade“ gekennzeichnet werden, obwohl nur 30 % der Kakaobohnen aus fairem Anbau stammen. Und was „fair“ ist, bestimmen die gleichen „Experten“, die in den Aufsichtsräten der Konzerne sitzen. Über Kinderarbeit, fehlende Schutzkleidung und illegale Abholzung wird da schon mal hinweggesehen.

An Scheinheiligkeit sind dabei die europäischen Regierungen nicht zu übertreffen. So hat Deutschland in den ersten drei Monaten des Jahres 2017 so viel CO2 ausgestoßen, wie es laut Pariser Klimaabkommen im ganzen Jahr dürfte. Auch der gefeierte Umstieg auf Bio-Diesel basiert auf der Umweltzerstörung auf den Palmölplantagen.

Kampf für besseres System

Die größte „grüne Lüge“ ist das Versprechen, dass alles so weitergehen kann, wie bisher. Dass die Menschen das gar nicht wollen, zeigen viele Beispiele, wie etwa die Anti-Kohle-Bewegung („Ende Gelände“). Solche Kämpfe gibt es überall auf der Welt und sie alle sind wichtig. Um aber dauerhaft einen Sieg für den Planeten zu erreichen, müssen wir gemeinsam für ein besseres System kämpfen, in dem es keine Lügen mehr braucht! Denn, wie Hartmann schreibt: „Gerechte Veränderungen kommen niemals von den Mächtigen, sondern immer von unten, von den Rändern der Gesellschaft.“

Bloße Konsumkritik kann keine Veränderung herbeiführen. Ein System, dessen höchste Maxime Profit ist und das Umweltzerstörung nicht nur in Kauf nimmt, sondern das maßgeblich darauf basiert, wird keine wahren Veränderungen zulassen. Konzerne, die Regenwälder in Brand stecken und Aktivist_innen ermorden lassen, werden sich nicht durch gutes Zureden überzeugen lassen. So etwas wie „Grünen Kapitalismus“ kann es nicht geben. Ein Stopp von Zerstörung und infolgedessen des Klimawandels kann letztlich nur erreicht werden, wenn wir das System Kapitalismus stürzen.

Buchtipp: Kathrin Hartmann, Die grüne Lüge – Weltrettung als profitables Geschäftsmodell