Guatemala: Das Ende des Schlächters?
Dieser Artikel wurde zwei Tage vor der Aufhebung der Immunität von Präsident Pérez geschrieben.
Es grenzte an ein Wunder und war eine unheimliche Befriedigung für Millionen Menschen, als im Mai 2013 der ehemalige Diktator Efraín Ríos Montt für Verbrechen gegen die Menschlichkeit von einem Gericht verurteilt wurde. Während seiner 17-monatigen Amtszeit wurden über 200.000 Indigene, zumeist Angehörige der Ixil Maya, von der Armee ermordet. Ein großer Wermutstropfen bei diesem Urteil war, dass der aktuelle Präsident Otto Pérez Molina ungeschoren davon kam. Außerdem konnte Ríos Montt bis heute das Gefängnis vermeiden.
Noch-Präsident Pérez wurde 1982 vom finnischen Dokumentar-Filmemacher Mikael Wahlforss dabei gefilmt, wie er in der Region Nebaj inmitten ermordeter Indigener herumstand, deren Körper von Soldaten getreten wurden. In dem Video erklärt ein Soldat dem Journalisten Allan Nairn, dass die Ermordeten zuvor zu Pérez Molina zum Verhör gebracht worden waren, aber kein Geständnis abgegeben hätten. Wie sie zu Tode kamen, sagt der Soldat nicht. In einer anderen Szene interviewte der Journalist den heutigen Präsidenten. Damals nannte er sich „Mayor Tito Arias“. Er liest dem Journalisten ein Gedicht vor, das er einem toten Bauern wegnimmt und bestätigt, dass die Armee die Indigenen getötet hat.
CIA steuert Putsch
Über den Hintergrund für die Massaker kann man in Papieren des US-Geheimdienstes CIA nachlesen. In den 1950er-Jahren gab es für Guatemala einen kurze Zeit des Fortschritts. Bei Landreformen unter dem Präsidenten Jacobo Árbenz Guzmán (1950-1954) wurde ungenutztes Land des US-amerikanischen Lebensmittelkonzerns United Fruit Company an die indigenen Bauern verteilt. Der CIA organisierte daraufhin 1954 einen Putsch. Offizielle Rechtfertigung dafür war die Angst vor einer kommunistischen Machtübernahme in Mittelamerika. Wie aus den CIA-Papieren hervorgeht, waren aber die Interessen der United Fruit Company – heute Chiquita – ausschlaggebend. Der CIA-Chef Dulles war übrigens Rechtsanwalt der United Fruit Company.
In einem weiteren Interview zeigt Mayor Pérez dem Journalisten Nairn amerikanische Helikopter, mit welchen sie ausgerüstet wurden und lobt israelische Granatenwerfer des Typs Tampella, die sich gut zur Bekämpfung von Personen eignen.
Kampf für Gerechtigkeit
Der Autor Francisco Goldman bringt in seinem Buch “The Art of Political Murder: Who Killed the Bishop?” Pérez Molina in Zusammenhang mit der Ermordung von Bischof Juan José Gerardi Conendera. Bischof Gerardi, ein prominenter Kämpfer für Menschenrechte, hatte 1998 einen Bericht veröffentlicht, in dem die Namen von 53.000 Zivilist_innen aufgelistet waren, die während der Diktatur ermordet wurden. Vier Tage später wurde er in einer Garage zu Tode geprügelt. Seine Informationen deckten die Verbindungen des Präsidenten Pérez zu diesen Morden auf.
Das Militär hat längst nicht mehr so viel Macht wie in den 1980er-Jahren, sonst wären die Prozesse gegen den Diktator Ríos Montt niemals möglich gewesen. Dafür haben die Hinterbliebenen gesorgt, die unermüdlich für Gerechtigkeit gekämpft haben. Eine davon ist Rigoberta Menchú, eine Anführerin der indigenen Aktivist_innen. Ihr Vater Don Vicente Menchú besetzte 1980 gemeinsam mit 36 anderen Indigenen aus Protest gegen die Zerstörung ihrer Dörfer die spanische Botschaft. Sie kamen bei dem Feuer, das auf Befehl des ehemaligen Polizeichefs Pedro García Arredondo in der Botschaft gelegt wurde, ums Leben.
Korruptionsskandal
Erst kürzlich musste Vizepräsidentin Roxana Baldetti zurücktreten und wurde inzwischen inhaftiert. Sie ist in einem Korruptionsskandal involviert, der schließlich auch den Präsidenten zu Fall bringen könnte. Die Internationale Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG), eine Organisation der UNO, bringt Pérez in Verbindung mit einem „La Linea“ genannten Korruptionsskandal, in dem systematisch Steuergelder auf die Konten führender Politiker abgezweigt wurden. Außerdem dürfte er in den selben Skandal verwickelt sein, der seine Vizepräsidentin hinter Gitter brachte. Dabei geht es um Schmiergelder internationaler Konzerne, die von Aufträgen in der Höhe von über 14 Milliarden aus einem öffentlichen Gesundheitsprogramm profitieren.
Noch vor wenigen Jahren war Lateinamerika der Ausgangsort der Welle an revolutionären Bewegungen des 21. Jahrhunderts. Es lohnt sich die Entwicklungen dort weiter zu verfolgen.